Die herbe Niederlage im Test gegen Argentinien hat Weltmeister Deutschland wenige Tage vor dem Start in die EM-Qualifikation die Probleme des Alltags vor Augen geführt. Bundestrainer Joachim Löw muss gegen Schottland am Sonntag vor allem drei Brandherde löschen.

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Eigentlich war alles bereitet, am Ende fiel die ganz große Party in Düsseldorf aber ins Wasser. Mit vier Sternen auf der Brust verlor die deutsche Nationalmannschaft ihr Spiel eins nach dem WM-Rausch deutlich.

Unter den gegebenen Umständen - die kurze Regenerationszeit nach dem Turnier, der frühe Zeitpunkt der Saison, die neu formierte Mannschaft, der Test zu unglücklicher Zeit - war das Ergebnis gegen eine ebenso eingespielte wie motivierte argentinische Mannschaft vielleicht gar nicht so überraschend.

Nimmt man aber die von Bundestrainer Joachim Löw formulierten Ziele und den Fakt, dass Deutschland als beste Mannschaft der Welt nun in etwas anderer, souveräner Rolle auftreten sollte, bleiben nach dem Abend von Düsseldorf doch einige Fragen.

Vor allem auch im Hinblick auf die am Sonntag startende Pflichtspiel-Saison, wenn die unbequemen Schotten in Dortmund im Rahmen der EM-Qualifikation den Weltmeister herausfordern.

Wie soll die Abwehr funktionieren?

Löw will in der Quali-Runde und in den Testspielen dazwischen bis zur EM 2016 wieder weg vom Plan mit vier gelernten Innenverteidigern in der Kette. In Brasilien, auf Grund der Umstände und der Qualität der Gegner, hat dieses Rezept sehr gut funktioniert. Deutschland kassierte lediglich vier Gegentreffer im gesamten Turnier. Allein in diesem einen Spiel gegen Argentinien waren es nun ebenso viele.

Gegen die "Albiceleste" stellte Löw mit Kevin Großkreutz und Erik Durm zwei Akteure auf die Außenbahn, die in ihrem Klub auf dieser Position ebenso zum Einsatz kommen oder kamen. Zwar sind auch diese beiden keine klassisch gelernten Außenverteidiger, sollten aber genügend Erfahrung mitbringen für die Position. Gerade von Durm verspricht sich Löw auf Dauer mehrere Schritte nach vorne, um die Planstelle links hinten endlich zu schließen.

Gegen Argentinien enttäuschte Durm aber ebenso wie auf der anderen Seite Großkreutz. Und in der Mitte erwischte der dritte Dortmunder im Verbund, Matthias Ginter, auch einen schwachen Tag. Die BVB-Connection hat vor dem Auftritt im heimischen Stadion am Sonntag mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

"Es ist bitter, wir sind hinten nicht ordentlich gestanden. Dabei haben wir in der Abwehr drei vom BVB, die sich eigentlich gut kennen", schimpfte Manuel Neuer ungewohnt barsch. Immerhin kehrt Jerome Boateng wieder zurück und wird mit Benedikt Höwedes zusammen die Innenverteidigung gegen Schottland bilden.

Der sanfte Umbruch, den die Mannschaft nach den Abgängen von Philipp Lahm und Per Mertesacker besonders in der Defensive vollziehen muss, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Auf kurzfristige Sicht - nach dem Schottland-Spiel stehen im Oktober gleich die Partien gegen Polen und Irland an - ist eine Rückkehr zur Viererkette mit vier gelernten Innenverteidigern gar nicht so abwegig.

Wie wird Mario Gomez wieder integriert?

Miroslav Klose ist nicht mehr da. Also gilt der einzig verbliebene "echte" Stoßstürmer als legitimer Nachfolger des WM-Rekordtorschützen. Gomez' Rückkehr hätte aber kaum unglücklicher verlaufen können. Drei dicke Chancen ließ der Florentiner liegen und wurde nach knappe einer Stunde unter wütenden Pfiffen des viel zu kritischen Publikums ausgewechselt.

"Grundsätzlich geht es einfach nicht, dass ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft ausgepfiffen wird, nur weil er die eine oder andere Chance liegengelassen hat. Er hat sieben Monate verletzt gefehlt, hat ein einziges Pflichtspiel bestritten", rügte Löw dann auch die Fans und nahm Gomez in Schutz. "Ich weiß, was er kann. Er wird auch noch ein bisschen brauchen, um in guter Form zu sein. Es wäre ja verrückt, wenn es nicht so wäre."

Allerdings ist auch klar, dass sich der ehemalige Stuttgarter anders als Klose besonders über seine Aktionen im Strafraum und über seine Torquote definiert. Klose war der Kombinations- und Konterspieler, der dazu noch als erster Verteidiger der Mannschaft nützliche Dienste verrichtete. Gomez ist ein anderer Stürmertyp, die Mannschaft wird sich erst wieder auf ihn einstellen müssen.

Oder aber Löw sieht in Gomez eher eine Option für bestimmte Spielsituationen und setzt grundsätzlich eher auf die Variante ohne echten Stoßstürmer. Gomez' Start jedenfalls war mehr als unglücklich - das bedeutet auf der anderen Seite aber auch: Es kann im Prinzip nur besser werden.

Wie kompensiert Löw die vielen Ausfälle?

Lahm, Klose und Mertesacker werden am Sonntag auf der heimischen Couch sitzen. Bastian Schweinsteiger ist ebenso verletzt wie Mats Hummels, Shkodran Mustafi, Mesut Özil, Sami Khedira und nun auch Julian Draxler. Gegen Argentinien standen nur vier Spieler zu Beginn auf dem Platz, die auch im Finale in der Startelf standen (Neuer, Höwedes, Kramer, Kroos). Dafür begannen die "Juniorpartner" Großkreutz, Durm, Ginter und Draxler.

"Man hat in der einen oder anderen Situation die fehlende Erfahrung gemerkt. Das ist logisch. Der eine oder andere Spieler war zum ersten Mal in so einem Spiel. Wir brauchen ein bisschen Geduld und Zeit. Denn diese Spieler haben große Möglichkeiten. Wir können nicht erwarten, dass sie die Etablierten so einfach ersetzen können", sagte der Bundestrainer nach dem Spiel und kündigte gleich mehrere Nachnominierungen für das Schottland-Spiel an.

Gegen die "Bravehearts" kehren neben Boateng sicher Thomas Müller und wohl auch Mario Götze in die Startelf zurück. Löw muss wie schon bei der WM auch im ersten Pflichtspiel des neuen Länderspieljahres improvisieren. "Die Nachwehen der WM werden uns noch einige Monate begleiten", ahnt der Bundestrainer schon.

Auf der anderen Seite sollten Schottland und auch die EM-Qualifikation insgesamt kein großes Problem für den Weltmeister darstellen. Löw setzt auf den Lerneffekt, um "uns in allen Bereichen weiterzuentwickeln", wie er es fordert. Dazu gehört auch die Niederlage gegen Argentinien. "Es war ein guter Beginn, die jungen Spieler konnten wieder Erfahrungen sammeln. Unser Ziel heißt, sie in den nächsten zwei Jahren heranzuführen!"

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