Zum zweiten Mal nach 2013 verliert Borussia Dortmund in London das Finale der Champions League – diesmal 0:2 gegen Real Madrid. Dabei hat sich der BVB selbst besiegt.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Am Ende kam es, wie es immer kommt, wenn der Gegner im Champions-League-Finale Real Madrid heißt: Du verlierst. Der kleine Trost besteht allein darin, dass nicht Real Madrid Borussia Dortmund besiegt hat, sondern Borussia Dortmund sich selbst.

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Die zwei Gegentore beim 0:2 im Wembley-Stadion von London: völlig unnötig. Das erste fängt sich die Abwehr nach einem Eckball ein, den der nur 1,73 Meter kleine Daniel Carvajal ungehindert einköpft. Das zweite von Vinicius Jr. leitet Ian Maatsen mit einem Fehlpass ein. So gewinnt man kein Finale.

Jetzt geht Borussia Dortmund mit leeren Händen aus einer verkorksten Saison, während der eine Konkurrent (Bayer Leverkusen) zwei Titel feiert, Meisterschaft und DFB-Pokal, und der andere Rivale (Bayern München) zum Gegenschlag aufrüstet. Was kann und muss Dortmund jetzt tun?

Trotz Niederlage eine gelungene Trendwende

Zuallererst: Den Moment genießen, dass man größenwahnsinnige Klubs wie Manchester City, Paris Saint-Germain und den FC Barcelona in der Champions League hinter sich gelassen hat. Das bringt Geld (allein fürs Finale 15 Millionen Euro) und Respekt in ganz Europa.

Nicht zu vergessen: Im Verlauf dieser Saison musste der Verein den verlorenen Titelkampf aus dem Vorjahr wegstecken. Das ist einfacher gesagt als getan. Wenn du nach einem verpassten Sieg gegen Mainz 05 die Meister-Shirts verstecken musst, macht die Schmach etwas mit dir.

Die Trendwende gelang, weil die Vereinsspitze um Geschäftsführer Aki Watzke und Sportchef Sebastian Kehl drei elementare Dinge tat. Erstens: an Trainer Edin Terzic festhielt. Zweitens: ihm Ex-Spieler zur Seite stellte, Nuri Sahin und Sven Bender. Drittens: Jadon Sancho zurückholte.

Die drei Maßnahmen klingen zunächst simpel und sind es doch nicht. Die Botschaft lautete: Die Richtung stimmt, aber wir optimieren – mit Sturm und Drang auf der Trainerbank und einer spielerischen Klasse auf dem Rasen, die kein zweiter Spieler beim BVB vorweisen kann.

Diesmal machten sich Kontinuität und Loyalität bemerkbar

In den vergangenen Jahren hatte man in ähnlichen Situationen von einem Umbruch schwadroniert, den Trainer ausgetauscht und auf einen zeitnahen Umgang gehofft. Diesmal zählten Kontinuität und Loyalität – und die wurden mit dem Endspiel in der Königsklasse belohnt.

Sobald die Trauer um das verlorene Endspiel dem Stolz auf den Finaleinzug gewichen ist, wird die BVB-Führung hoffentlich zu der Einsicht gelangen, dass nicht alles auf den Kopf gestellt werden muss, um wieder um die Deutsche Meisterschaft mitspielen zu können.

Aber drei Punkte gehören jetzt auf die Tagesordnung:

  • Terzic halten! Der Trainer bewies, dass er Krisenmanagement kann, und hat die Mannschaft in entscheidenden Spielen, siehe Halbfinale gegen PSG (zweimal 1:0), perfekt und erfolgreich eingestellt. Er lässt Beratung zu und lächelt Kritik, zuletzt von Mats Hummels, souverän weg. Mit 41 Jahren steht er noch am Anfang seiner Entwicklung zum Spitzentrainer.
  • Stürmer kaufen! Ja, Niclas Füllkrug ist vielleicht der beste deutsche Mittelstürmer. Aber kein Haaland, um Finals im Alleingang zu entscheiden. Selbst wenn: Ihm fehlt ein kongenialer Partner, ein Back-Up, um Mannschaften wie Real Madrid immer neue Aufgaben zu stellen. Sebastien Haller und Donyell Malen zeigen zu selten, was sie mal konnten.
  • Sancho holen! Der Mittelfeldspieler kehrte im Januar mutlos von Manchester United zurück und sammelte so viel Selbstbewusstsein, dass jede Ballmitnahme einen Angriff einleitet. Von dieser Klasse braucht der BVB mehr. Sancho, bisher ausgeliehen, wäre ein Anfang. Nach dem Abgang von Marco Reus fehlt die sonst. Karim Adeyemi hat Tempo, aber zu wenig Technik.

Geschäftsführer Watzke versprach eine schonungslose Saisonanalyse, wie sie immer passiert, wenn Minimalziele zwar erreicht werden (Champions-League-Qualifikation), aber die Krönung (ein Titel) ausbleibt. Das Finale von London: Für Borussia Dortmund geht's jetzt in die Verlängerung.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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