Immer wieder Real Madrid: In unnachahmlicher Art gewinnen die Königlichen den nächsten Titel, Toni Kroos macht sich dabei unsterblich. Borussia Dortmund hadert – und schickt seine Ikone Marco Reus nun unvollendet in den BVB-Ruhestand.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der Abend der großen und kleinen Abschiede hatte dann doch keine Überraschungen mehr parat. Real Madrid hat die Champions League gewonnen, zum 15. Mal mittlerweile schon.

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Borussia Dortmund bleibt nur Platz zwei in Wembley, zum zweiten Mal nach 2013. Vor der Kurve ließen sie Toni Kroos noch ein letztes Mal hochleben, während zeitgleich Edin Terzic den scheidenden Marco Reus trösten musste.

Toni Kroos wird nie wieder für Real Madrid spielen, das 151. war zugleich auch sein letztes Spiel in der Königsklasse. Marco Reus wird nie wieder für Borussia Dortmund spielen. Immerhin, wird der eine oder andere vielleicht insgeheim denken, kann er dann schon nicht mehr enttäuscht werden.

Dortmund war lange das bessere Team

Die wunder- und manchmal auch etwas sonderbare Dortmunder Reise durch die Königsklasse hatte kein Happy End mehr parat. Das 0:2 im Finale gegen das einfach unbesiegbare Real Madrid war auch deshalb so tragisch aus Dortmunder Sicht, weil sich die Schwarz-Gelben kaum etwas vorwerfen können.

Borussia Dortmund hatte über zwei Drittel der Partie den besseren Plan und die besseren Chancen. Aber keinen Spieler, der aus diesen Möglichkeiten ein oder vielleicht sogar zwei Tore hätte erzielen und das Spiel in eine andere Bahn hätte lenken können.

"Wir haben ein tolles Spiel gezeigt und auch ein bisschen mehr verdient als 0:2 zu verlieren", sagte Trainer Edin Terzic nach dem Spiel am ZDF-Mikrofon. "In der ersten Halbzeit hatten wir das Gefühl, dass wir sie hatten. Wir haben von der ersten Sekunde an der ganzen Welt gezeigt, dass wir dran glauben. Und dass wir nicht hier sind, um 'nur' ein Finale zu spielen."

Am Ende war die Rollenverteilung dann aber doch wie eigentlich immer, wenn Real Madrid beteiligt ist: Die eine Mannschaft spielt ein bisschen mit – und am Ende gewinnen dann die Königlichen.

In Wembley fand der BVB seinen Meister

Borussia Dortmund hat wie unzählige andere Klubs – in dieser Champions-League-Saison und in den Jahren davor – nun seine ganz eigene Real-Madrid-Erfahrung gemacht.

In einem Spiel, das letztlich wie ein Contra-Punkt der Dortmunder Saison war: Oft genug war der BVB die schlechtere Mannschaft und rettete sich in der Liga und in die Königsklasse auf Grund seiner individuellen Klasse und einer guten Portion Glück. Nun fanden die Dortmunder im Londoner Wembley-Stadion aber ihre Meister.

Hummels ist stolz auf seine Mannschaft

"Wir haben ein großartiges Spiel gezeigt. Das klingt jetzt bescheuert, aber ich bin stolz auf die Mannschaft. Wir sind mit Mut, Herz und fußballerischer Klasse aufgetreten – aber wir haben es verpasst, das Tor zu schießen. Und irgendwann kleine Fehler gemacht. Und dann schlagen sie zu, wie sie das gefühlt seit 100 Jahren machen. Das tut heute weh!", sagte Mats Hummels nach seinem womöglich letzten Spiel für die Borussia.

Ob und wie es nun mit dem Routinier weitergeht? "Keine Ahnung!", sagte Hummels selbst. "Es fühlt sich komisch an, das nicht zu wissen. Es wird in den kommenden Wochen entschieden. Ich habe keine Ahnung, was bei mir im Juli passiert. Ich mag die Situation, aber ein bisschen komisch ist das auch."

Taktische Umstellung von Ancelotti brachte die Wende

Real hatte lange Zeit keine wirklich überzeugende Spielidee und kaum Durchschlagskraft. Mit einer kleinen taktischen Umstellung aber änderte Carlo Ancelotti Mitte der zweiten Halbzeit die Gemengelage, ließ seine Mannschaft noch etwas tiefer verteidigen und nahm dem Gegner damit die Anspielstationen in der Tiefe.

Nach den guten Torchancen in der ersten Hälfte brachten die Dortmunder im zweiten Durchgang nur noch eine vernünftige Möglichkeit zustande. Und wurden dann fast wie auf Kommando nach einem Standard bestraft.

BVB, Borussia Dortmund, Champions League
Enttäuschung bei den Spielern von Borussia Dortmund. © IMAGO/Teamfoto/Markus Ulmer

Terzic: "Sie hatten den Killerinstinkt"

Schon in den Minuten hatte sich Real immer mehr dem Dortmunder Tor angenähert, Dani Carvajals Führungstreffer war so etwas wie die logische Konsequenz nach Madrider Art. Eine Viertelstunde vor Schluss war das der Moment, der das Finale förmlich einfror.

Toni Kroos
Toni Kroos, der sein letztes Spiel für Real Madrid gemacht hat, wird von Teamkollegen und Fans gefeiert. © IMAGO/PA Images/Joe Giddens

In der Folge hatte Real die Ruhe eines Champions, während sich der BVB vom Schock des Rückstands bis zum Abpfiff nicht mehr erholen sollte.

"Sie hatten den Killerinstinkt, der uns heute gefehlt hat: Ein Standard, eine Balleroberung, dann sind sie eiskalt", sagte Terzic. "Sie haben den Spielverlauf erwischt, den wir uns gewünscht hatten. Es fühlte sich so an, dass wir sogar einen Tick näher dran waren und die besseren Chancen hatten. Das ist es, was heute so schmerzhaft macht."

Den Borussen bleibt nur das vergiftete Lob, eigentlich die bessere Mannschaft gewesen zu sein. Damit reihen sie sich nahtlos ein in die Liste der anderen deutschen Mannschaften, denen in dieser Saison gegen Real Ähnliches widerfuhr. Union Berlin, RB Leipzig, die Bayern: Keiner konnte sich danach so recht erklären, wie das gegen dieses Real schief gehen konnte.

Und so blieb im letzten Spiel einer Champions-League-Saison im "alten" Modus die Vorfeld formulierte Rollenverteilung in Gewinner und Verlierer: Real Madrid und Toni Kroos auf der einen, Borussia Dortmund und Marco Reus auf der anderen Seite.

Der EM-Titel ist Kroos' letzte Mission

Kroos hat jetzt sechs Mal die Königsklasse gewonnen, ein Mal mit den Bayern und fünf Mal mit Real.

Auf dem Weg zum perfekten Abschied hat er nach der Meisterschaft mit Real, mit einem selten gesehenen Salut im letzten Heimspiel vor ein paar Tagen und nun mit dem Gewinn der Champions League schon drei von vier Schritten getan. Die Europameisterschaft im eigenen Land, der Titelgewinn mit dem DFB-Team: Das ist nun die letzte große Mission.

Diesen letzten Tanz musste Marco Reus in Wembley als Teilzeitkraft angehen. Nur eine gute Viertelstunde war ihm beschieden. Reus hatte den Ball kaum berührt, als schon das 0:1 fiel, keine zwei Minuten nach seiner Einwechslung. "Jeder hat erwartet: Gleich knallt Marco einen Freistoß oder einen übers Standbein oben in den Winkel rein", sagte – oder besser: hoffte Mats Hummels. Aber dazu sollte es dann eben nicht mehr kommen.

Reus bleibt der ewig Unvollendete

Toni Kroos wollte sich "mit diesem Champions-League-Sieg verabschieden. Das bedeutet mir unfassbar viel!". In zehn Jahren in Madrid ist das nun Kroos' 22. Titel. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie viel ein Erfolg in Wembley Marco Reus bedeutet hätte.

Elf Jahre nach dem verlorenen Endspiel gegen die Bayern. Ein Jahr nach der sportlichen Tragödie gegen Mainz. In seinem letzten Pflichtspiel für den BVB, auf der größtmöglichen Bühne. Die Vollendung dieser Karriere wird nun für immer ausbleiben.

Verwendete Quellen

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Teaserbild: © IMAGO/osnapix/Hirnschal