Hat RB Leipzig bei Transfers von RB Salzburg keinen Vorteil, wie Sportchef Max Eberl zuletzt betonte? Eine wissenschaftliche Untersuchung der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln über sogenannte Multi-Club-Ownerships (MCO) sagt etwas anderes. Sport-Ökonom Christoph Breuer spricht mit unserer Redaktion über die Ergebnisse.
Max Eberl hält es mit dem früheren Bundeskanzler
Salzburg sei "für uns ganz normal, wie jeder andere Verein, wo wir hinschauen, dementsprechend haben wir keinen Vorteil", meinte
Eine wissenschaftliche Untersuchung der Sporthochschule (DSHS) in Köln über sogenannte Multi-Club-Ownerships (MCO) hat sich mit dem Thema beschäftigt – und das Team des renommierten Sport-Ökonomen Christoph Breuer kam zu zwei bemerkenswerten Ergebnissen: "Man kann tatsächlich statistisch nachweisen, dass Wechsel von Spielern innerhalb der MCOs zu signifikant geringeren Preisen ablaufen als die Transfers Spieler gleicher Qualität außerhalb der MCOs", sagte Breuer im Gespräch mit unserer Redaktion. MCOs sind Gruppen von Fußballklubs, die einem Besitzer gehören und unter einem Dach vereint werden.
Im Rahmen der Untersuchung wurden die City Group, die Pozzo-Gruppe und die RB-Gruppe näher beleuchtet. Zur City Group gehören Manchester City, der New York City FC und der Melbourne City FC. Zur Pozzo-Gruppe, die der gleichnamigen italienischen Unternehmer-Familie gehört, zählen Udinese Calcio und der FC Watford. Zur RB-Gruppe wiederum RB Leipzig, RB Salzburg, der österreichische Zweitligist FC Liefering und RB New York.
Suche nach dem statistischen Zwilling
Das zweite Ergebnis: "Bei den verschiedenen MCOs konnten wir die Aktivitäten bei der Red-Bull-Gruppe in besonderem Maße nachweisen. Diese Deutlichkeit war ein Stück weit überraschend", sagt Breuer. Der Nachweis wurde über sogenannte statistische Zwillinge vorgenommen: "Wir kennen den Transferpreis der Spieler, wir wissen um die Eigenschaften, die preisbestimmend sind wie Alter, Position, Spielstärke und Nationalität. Und für jeden dieser Spieler haben wir einen vergleichbaren Spieler gesucht", erklärt Breuer. Als Marktwert-Grundlage wurden die Schätzungen des Fachportals transfermarkt.de herangezogen.
Ein konkretes Beispiel ist der Ungar Dominik Szoboszlai, der 2021 für 22 Millionen Euro von Salzburg nach Leipzig gewechselt ist. Szoboszlais statistischer Zwilling ist der Schwede Dejan Kulusevski, der laut transfermarkt.de ebenfalls einen Marktwert von 25 Millionen Euro hatte, 2020 aber für 35 Millionen Euro von Atalanta Bergamo an Juventus Turin verkauft wurde. Eine Differenz von immerhin 13 Millionen Euro zwischen dem gezahlten Marktpreis und dem Red-Bull-Preis.
Innerhalb der Red-Bull-Gruppe gab es laut Breuer insgesamt 113 Transfers, darunter 46 Leihen. 67 Transfers wurden unter die Lupe genommen, von günstigen Talenten bis hin zu Nationalspielern. 20 Deals gab es alleine zwischen Salzburg und Leipzig. Im Schnitt ist der Transfer zwischen den Klubs der Red-Bull-Gruppe fünf Millionen Euro günstiger als auf dem "normalen" Transfermarkt, so ein weiteres Ergebnis der Studie.
"Nicht verboten und ökonomisch clever"
"Red Bull nutzt die Vorteile dieser Gruppe. Es ist nicht verboten und ökonomisch clever, aber eben auch auffällig", sagt Breuer, der die Wettbewerbsvorteile als "nicht unlauter" bezeichnet: "Das mag ein latentes Ungerechtigkeitsempfinden hervorrufen, aber an dem Modell ist formaljuristisch nichts zu beanstanden." Man nutze die Ressourcen systematisch, um das Top-Team besser auszustatten, so Breuer. Also die Leipziger.
Denn zu Kooperationen beim Teilen von Erfahrungen, Trainingsmethoden oder Wissen kommt auch die Möglichkeit, Talente zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Top-Teams auszubilden und eben entsprechend günstiger abzugeben. "Es gibt ökonomische Vorteile, und andere Klubs müssten schauen, ob sie nicht ähnliche Kooperationen aufbauen sollten, mit Netzwerken zum Beispiel. Auch wenn das schwierig wird, weil die Gegenseite immer den Maximalpreis verlangen wird. Salzburg macht das in der Regel nicht", sagt Breuer.
Und was ist nun mit dem Eberl-Zitat? Oder dass der frühere RB-Leipzig-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff gerne von "zwei eigenständigen Vereinen" gesprochen hat?
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An der Grenze des Zulässigen
"Formaljuristisch haben sie recht, aber es gibt eben auch diese enge Beziehung und wirtschaftliche Effekte. Und die kann man nicht wegreden", so Breuer. "RB hat viele Innovationen in das Fußball-Management gebracht. Bei vielen Innovationen gehen sie allerdings auch bis an die Grenze des Zulässigen und testen die Spielräume aus. Das kann man kritisieren", sagt der Experte.
Was Bestandteil des Graubereichs ist: Durch die 50+1-Regel gehört Leipzig offiziell nicht Red Bull. Zwar gehört die Rasenballsport GmbH zu 99 Prozent Red Bull, die Stimmenmehrheit liegt allerdings beim Verein. Ganze 21 stimmberechtigte Mitglieder sind dort zugelassen, die zudem dem Unternehmen nahestehen. RB ist also formal kein Multi-Club-Ownership, erklärt Breuer, "weil sie geschickt in dem Grenzbereich operieren, sodass man ihnen den Vorwurf nicht machen kann. Es sind formal unabhängige Strukturen, man kann es nicht greifen, es ist eher ein Graubereich. Daher kann auch ein Ergebnis der Untersuchung der Hinweis sein, dass die Klubs real gar nicht so unabhängig sind. Sonst gäbe es diese statistischen Auffälligkeiten bei den Transfers nicht", sagt Breuer.
So oder so wird die generelle Abneigung gegen das RB-Konstrukt in großen Teilen der Anhängerschaft der anderen Bundesliga-Klubs durch diese Transfers nur noch verstärkt. RB Leipzig, Eberl und Co. kann das aber streng genommen egal sein. Am 3. Juni steht RB erneut im DFB-Pokalfinale und kann gegen Eintracht Frankfurt den Titel aus dem Vorjahr verteidigen. Doppeltorschütze beim 5:1 im Halbfinale beim SC Freiburg: Dominik Szoboszlai.
Verwendete Quellen:
- Transfermarkt.de
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