Über 600 Millionen Euro investierte der neue Eigentümer Todd Boehly in dieser Saison in den Kader des FC Chelsea. Und trotzdem steht der Champions-League-Sieger von 2021 zurzeit komplett neben sich. Was ist los beim FC Chelsea?

Mehr News zum Thema Fußball

Selbst Jürgen Klopp hatte Mitleid mit seinen Konkurrenten. "Ich fühle mit Chelsea", erklärte Klopp, der bei Liverpool selbst noch um das europäische Geschäft bangen muss, in einem Interview mit dem englischen Sky Sports. Aber fügte auch hinzu: "Es ist schön zu sehen, dass man nicht einfach Top-Spieler zusammenbringen und denken kann, dass es funktioniert. Man muss eine Mannschaft aufbauen."

Tatsächlich ist der FC Chelsea aktuell ein Paradebeispiel dafür, dass Geld keine Tore schießt. Unter Interimscoach Frank Lampard, dem dritten Trainer der Saison, haben die "Blues" noch kein Ligaspiel gewonnen. Im April blieb der Klub unter anderem gegen Aston Villa, die Wolverhampton Wanderers, Brighton & Hove Albion oder den FC Brentford verdient punktlos. Über 600 Millionen Euro investierte der FC Chelsea in dieser Saison in seinen Kader – es reichte bislang für 39 Punkte und einen enttäuschenden zwölften Platz, fünf Spiele vor Saisonende.

Chelsea-Trainer Frank Lampard lässt mit Aussagen tief blicken

Auch am Dienstagabend gewann der FC Arsenal geradezu mühelos gegen Chelsea, die Vorentscheidung fiel mit dem 3:0 durch Gabriel Jesus schon nach etwas mehr als einer halben Stunde. Ein Ergebnis, das vor zwei bis drei Jahren noch eine kleine Sensation gewesen wäre, war an diesem Abend eine Selbstverständlichkeit.

Die Worte von Trainer Frank Lampard nach dem Spiel ließen tief blicken: "Chelsea war 20 Jahre sehr erfolgreich, aber im Moment sind wir nicht in dieser Position", sagte Lampard gegenüber Sky Sports. "Seit ich hier bin, kann man hinter den Kulissen, auf dem Trainingsplatz, die Gründe dafür sehen."

Intern bricht der englische Hauptstadtklub aktuell mehr denn je auseinander. Mehrere Spieler sollen laut "The Athletic" bereits ihren Wechsel vorbereiten, dazu wird die Kritik an der Vereinspolitik immer lauter und öffentlicher. "Im Januar haben wir acht Spieler verpflichtet. Wir müssen damit aufhören und eine Strategie entwickeln", forderte Innenverteidiger Thiago Silva in einem TV-Interview nach dem Ausscheiden in der Champions League und teilte dazu auch eine kuriose Anekdote: "Wir mussten die Umkleidekabine vergrößern, weil sie nicht zur Größe des Kaders passte."

Roman Abramowitsch musste Chelsea verkaufen

Dabei schien es so, als hätte der FC Chelsea das Schlimmste eigentlich schon überstanden. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde der Klub 2022, damals noch im Besitz von Roman Abramowitsch, von einem Tag auf den anderen zum Spielball der Weltpolitik. Der russische Oligarch, der Chelsea mit seinem Geld nach der Jahrtausendwende in die internationale Spitze katapultiert hatte, sollte von der britischen Regierung mit Sanktionen belegt werden. Chelsea konnte unter Abramowitsch keine Spieler mehr verpflichten, keine Tickets oder Trikots mehr verkaufen und keine Flüge für Auswärtsreisen buchen.

Dass Abramowitsch schließlich selbst verkündete, den Verein nach knapp zwei Jahrzehnten zu verkaufen und ihm damit wieder den nötigen Spielraum für Transfers und Geschäfte zu geben – ob letztendlich ganz freiwillig oder nicht, ist nicht bekannt – war die Rettung. Und mit seinem Nachfolger landete der FC Chelsea vermeintlich einen Glückstreffer: Denn Todd Boehly, ein amerikanischer Investor, schien nicht nur ähnlich finanzstark zu sein wie Abramowitsch, sondern durch seine Miteigentümerschaft bei mehreren Profiklubs in Nordamerika auch erfahren im Führen von Sportunternehmen.

US-Investor Boehly entließ Tuchel

Schon in seiner ersten Saison als Eigentümer krempelte Boehly den Verein ordentlich um: Managerin Marina Granovskaia, der langjährige Chefscout Scott McLachlan oder Vereinslegende Petr Cech, der als technischer Berater für Chelsea arbeitete, verließen den Verein nach dem Einstieg des US-Investors. Und nach nur sechs Spielen in der Liga und einer Champions-League-Niederlage gegen Dinamo Zagreb erwischte es auch Trainer Thomas Tuchel.

Weder bei den Fans noch bei manchen Spielern sorgte die frühe Trainerentlassung für viel Verständnis. "Die Saison fing eigentlich relativ ruhig an. Wir hatten den Ownership-Wechsel, was für den ganzen Verein ein großer Wechsel war", sagte Mittelfeldstar Kai Havertz. "Und dann wurde Thomas Tuchel gefeuert, was in so einer Mannschaft natürlich immer etwas macht, wenn man mit einem Trainer Erfolg hatte und der dann aus dem Nichts gefeuert wird." Tuchels Rauswurf, hieß es, lag auch darin begründet, dass er sich mit Boehly wegen dessen Transferpolitik überwarf. Unter den Sommerneuzugängen, die fast 300 Millionen Euro kosteten, fand der heutige Bayern-Trainer nur wenige seiner Wunschspieler.

Auch Tuchels Nachfolger Potter musste gehen

Sein Nachfolger Graham Potter konnte den millionenschweren Kader nicht mehr zurück in die Spur zu bringen. Auch wenn Vereinseigentümer Boehly seinen Trainer in der Winterpause mit spektakulären Transfers geradezu überhäufte, etwa mit dem Ukrainer Mykhaylo Mudryk oder dem 121-Millionen-Neuzugang Enzo Fernandez, die den Kader aber mehr aufblähten als verstärkten. Potter musste im April nach einem halben Jahr seinen Posten räumen. Mit Julian Nagelsmann und Mauricio Pochettino sind bereits große Namen als seine Nachfolger im Gespräch – doch ob sie bei der Aussicht auf die neue Saison den Trainerjob annehmen?

Von der Hoffnung auf europäischen Fußball in der nächsten Saison müssen sich die Chelsea-Fans nämlich schon jetzt verabschieden. Aus der Champions League ist der Klub im Viertelfinale gegen Real Madrid ausgeschieden, genauso wie aus dem FA Cup und dem Ligapokal. Und die Chance auf Platz sieben, der höchstwahrscheinlich die Qualifikation für die Conference League bedeuten würde, gibt es bei 15 Punkten Abstand fünf Spiele vor Schluss auch nur noch rechnerisch. Deutlich schwerer wiegt: Der Abstand zu den Abstiegsplätzen ist mit nur neun Punkten deutlich geringer.

Verwendete Quellen:

  • DPA/SID
  • sport1.de: Neue Details zur Tuchel-Entlassung
  • kicker.de: Lampard kritisiert "nette Mannschaft" - Fabregas' böser Oliven-Vergleich
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.