0:4 im Derby in Dortmund, 0:3 daheim gegen den Abstiegskandidaten aus Augsburg: Schalkes Start nach der Corona-Pause verlief katastrophal. Im Kalenderjahr 2018 gelang den Königsblauen nur ein Sieg und in zehn Bundesligaspielen in dieser Zeit nur vier Tore. Ein Niedergang, der seit Jahren anhält.
Fußballfans müssen leidensfähig sein. Für Fans des FC Schalke 04 gilt das im Besonderen.
Das 0:4 im Revier-Derby in Dortmund traf sie schon hart. Doch schlagen die Anhänger nach dem 0:3 daheim gegen den FC Augsburg die "Bild"-Zeitung auf, prangt dort die Schlagzeile: "Schalke ist nur noch ein Opfer."
Dabei sah doch alles so gut aus unter dem neuen Trainer
Nach der Hinrunde 2019/20 noch auf CL-Kurs
Zum Ende der Hinrunde waren die Bayern und der BVB zwar an Schalke vorbeigezogen. Doch nach Punkten (gleichauf mit Dortmund und sieben hinter Herbstmeister RB Leipzig) waren die Chancen auf eine erneute Qualifikation für die Champions League intakt.
Seitdem hat Schalke in der Tabelle nur drei Plätze verloren, ist von fünf auf acht abgerutscht. Gefühlt jedoch hat sich Wagners Mannschaft um Lichtjahre von der Qualifikation für die Champions League entfernt.
Der Punktestand untermauert das und legt schonungslos offen, dass Schalke - entgegen des eigenen Anspruchs - kein Spitzenteam der Bundesliga ist.
Der nach der Hinrunde punktgleiche BVB ist um 20 Punkte enteilt. Die Bayern, damals nur drei Punkte besser gestellt als Schalke, thront mit 24 Punkten Vorsprung an der Spitze. In der Rückserie hat nur Aufsteiger Paderborn mit sechs Punkten noch einen Zähler weniger eingefahren als Schalke.
David Wagner bilanziert einen sportlichen Totalschaden
Nach der ernüchternden Pleite gegen Augsburg nahm 04-Coach Wagner die "Kritik" als "berechtigt" an. Sein Fazit klang nach einer Bankrotterklärung: "Wir entwickeln zu wenig Torgefahr und nutzen unsere wenigen Chancen nicht. Wir schießen zu wenig Tore und machen zu viele individuelle Fehler. Uns fehlt die Leichtigkeit, das Vertrauen, die Automatismen. Wir entwickeln keine Dominanz aus dem Mittelfeld heraus. Wir machen wahnsinnig viele individuelle Fehler."
Wagners Personal habe ein Kopfproblem: "Die Psyche spielt natürlich eine große Rolle. Die momentane Situation geht nicht spurlos an den Spielern vorbei."
Was Wagner eine "momentane Situation" nennt, zieht sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Jahre.
Wir blicken zurück auf Niederlagen, die Schalke auf der Suche nach einer dauerhaften Etablierung im Dunstkreis des FC Bayern München seit der Saison 2016/17 entscheidend zurückwarfen:
25. September 2016: Hoffenheim gegen Schalke 2:1
- Nach den ersten fünf Bundesligaspielen hat der neue Schalker Trainer Markus Weinzierl noch keinen Punkt geholt. Die Mannschaft ist Letzter. Damit ist der Nachfolger von André Breitenreiter bereits schwer angeschlagen.
20. Dezember 2016: HSV gegen Schalke 2:1
- Schalke gewinnt im Dezember 2016 nach einer zwischenzeitlichen Erholung und dem Sprung auf Platz acht der Bundesliga keines seiner fünf Pflichtspiele. Vier davon sind Partien in der Bundesliga. In der Tabelle geht es runter auf Platz elf. Die Qualifikation zur Champions League ist um elf Punkte entfernt.
Schalke wechselte zur Saison 2017/18 den Trainer. Bundesliga-Neuling
25. September 2018: Freiburg gegen Schalke 1:0
- Nach fünf Bundesligaspielen der Saison 2018/19 ist Schalke genauso weit wie zwei Jahre zuvor unter Weinzierl: kein Sieg aus den ersten fünf Bundesligapartien. Tabellenletzter mit null Punkten.
2. März 2019: Schalke gegen Düsseldorf 0:4
- Aufsteiger Fortuna Düsseldorf demütigt eine leblose Schalker Mannschaft mit 4:0. Die Gastgeber werden gnadenlos ausgekontert. Sie stehen nach 24 Spieltagen auf Platz 14 der Bundesliga. Der Relegationsplatz zur 2. Bundesliga ist nur vier Punkte entfernt.
12. März 2019: Manchester City gegen Schalke 7:0
- Auf ein eher unglückliches 2:4 in Bremen folgt Tedescos letzter Arbeitstag als Schalker Trainer. Bei Manchester City fliegt Königsblau mit 0:7 hochkant aus der Champions League. Besonders bitter: Der bei Schalke ausgebildete Nationalspieler Leroy Sané trifft einmal ins Tor und legt weitere drei Treffer auf. Immerhin haben es die in der Bundesliga auf Rang 14 dümpelnden Westfalen bis ins Achtelfinale der Königsklasse geschafft.
Dass anschließend Tedescos Posten Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens bekam, ging auf die Absage des Wunschkandidaten Roger Schmidt zurück, verdeutlichte aber zweierlei: die Sehnsucht des Vereins nach vergangener Glorie und gleichzeitig dessen Stillstand. Die Verpflichtung des 65-jährigen Stevens anstelle des 31 Jahre jüngeren Tedesco konterkarierte den vermeintlichen Aufbruch in eine neue Ära.
David Wagner trifft auf ein altes Schalker Problem
Diese sollte unter Wagner im Sommer 2019 beginnen. Doch 19 Jahre nach der Vier-Minuten- und 62 Jahre nach der letzten wirklichen Meisterschaft verdeutlicht das Kalenderjahr 2020, dass Schalkes sportliches Problem der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt, und dies unabhängig vom Namen des Trainers oder dem Personal, das ihm zur Verfügung steht.
"Die Psyche spielt natürlich eine große Rolle", sagte Wagner wie bereits erwähnt nach dem 0:3 gegen Augsburg. "Uns fehlt die Leichtigkeit, das Vertrauen, die Automatismen. Wir machen wahnsinnig viele individuelle Fehler."
Am elften Spieltag 2019/20 hatte Schalke daheim gegen Düsseldorf drei Führungen aus der Hand gegeben und nur 3:3 gespielt. Tags darauf lobte Sport1-Experte Thomas Strunz im "Doppelpass"-Talk Wagners Mannschaft trotzdem für deren "Leidenschaft" und "Power": "Schalke steht wieder für Emotionalität. Am Ende können sie Fünfter werden, sie können aber auch Achter werden." Vor dem Rückspiel gegen Düsseldorf ist Schalke Achter. Von "Power" und "Leidenschaft" aber ist nichts mehr zu sehen.
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