• Union Berlin überrascht bisher in der Bundesliga und steht an der Tabellenspitze.
  • Ist das nur eine Momentaufnahme oder sind die Köpenicker gut genug, um langfristig oben zu stehen?

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Dass der FC Bayern München nach zehn Spieltagen vier Punkte Rückstand auf den Tabellenführer angesammelt hat, ist für sich schon eine Nachricht wert. Doch auf Platz eins steht nicht etwa Borussia Dortmund, auch nicht RB Leipzig. Es ist Union Berlin, das der restlichen Bundesliga derzeit die lange Nase zeigt und extrem stabil in seinen eigenen Leistungen ist. Trainer Urs Fischer hat diese Mannschaft über Jahre zusammengestellt und erntet nun gemeinsam mit den anderen Verantwortlichen die Früchte der akribischen Arbeit.

Nagelsmann und Streich schwärmen von Union: "Absolute Top-Mannschaft"

Warme Worte für den Tabellenführer: Julian Nagelsmann und Christian Streich schwärmten im Anschluss an das 5:0 (2:0) des FC Bayern München über den SC Freiburg vom Bundesliga-Spitzenreiter Union Berlin. Der Bayern-Coach freute sich natürlich auch über die starke Leistung seiner Mannschaft.

Union Berlin grüßt von der Tabellenspitze

Die Saison in der Bundesliga ist zehn Spieltage alt und der FC Union aus Berlin steht an der Tabellenspitze. Das hätten die Anhänger vor einigen Jahren, als der "kleine" Klub aus der Hauptstadt in die Bundesliga aufstieg, möglicherweise nicht einmal im Traum für möglich gehalten. Zum zweiten Mal nacheinander spielen die Köpenicker international, die Mannschaft hat es wieder einmal geschafft, Abgänge wichtiger Spieler zu kompensieren.

Der breite Kader sorgt dafür, dass in Zeiten hoher Belastung rotiert werden kann. Die Spielertypen, die gescoutet wurden, passen ideal zum Fußball, den Urs Fischer spielen will. Zudem hat Union ein echtes Team, eine Einheit auf dem Platz. Jeder Spieler läuft für seine Teamkollegen, jeder gibt alles. Die Mischung aus einer homogenen Mannschaft, einem gesunden Konkurrenzkampf und einem klaren Plan sorgt für die Tabellenführung. Und verloren haben die Köpenicker bisher nur einmal. Nicht gegen Bayern oder Dortmund, sondern gegen Frankfurt.

Die Erfolgsrezepte von Union Berlin

Der Fußball, der an der Alten Försterei und mittlerweile auch auswärts regelmäßig dargeboten wird, ist nicht spektakulär. Union spielt seine Gegner nicht schwindelig, passt sich nicht einmal Woche für Woche mit exorbitanten Systemwechseln an den jeweiligen Kontrahenten an. Urs Fischer lässt einen einfachen Fußball spielen. Zumindest sieht er einfach aus. Das Erfolgsrezept, das ganz oben steht, ist eine große Kompaktheit auf dem Feld. Sechs Gegentore in zehn Partien kommen nicht von ungefähr.

In der Abwehr spielt Union mit einer Fünferreihe. Die Innenverteidiger sind physisch stark, die Außenverteidiger taktisch klug geschult. Jeder Zweikampf wird intensiv geführt, die gegnerischen Offensivreihen erhalten wenig Raum, um in gefährliche Räume zu kommen. Nach eigenem Ballgewinn geht es blitzschnell nach vorne. Jeder Angriff ist durchchoreographiert, jeder Laufweg zigmal einstudiert.

Dass die Köpenicker eine der schlechtesten Passquoten der Liga haben, ist einkalkuliert. Das Risiko wird gering gehalten und wenn Spieler wie Sheraldo Becker oder Theoson-Jordan Siebatcheu in der Offensive durch sind, schießen sie fast sicher ein Tor. Wenn das gegnerische Team gegen die beste Abwehr der Liga einmal zurückliegt, häufen sich die Fragezeichen über den Köpfen. Dass dann auch noch von der Bank die Spieler gebracht werden können, die noch einmal neue Impulse und Elemente einbringen, spielt zusätzlich eine Rolle.

Die Fischer-Elf performt bisher über

Bei aller Euphorie, die vor allem medial herrscht, lassen sich aber einige Faktoren ansprechen, die den bisherigen Saisonverlauf etwas relativieren. Union Berlin performt über. Und das nicht zu knapp. Statistiken, die dahingehend aufklären, sind die so genannten "expected Goals", also die nach den Abschlusspostionen ermittelten zu erwartenden Tore. Hier hat Union gleich 8.81 Tore mehr erzielt, als eigentlich zu erwarten war. Defensiv herrscht eine Diskrepanz von mehr als drei Toren. Bei den Punkten ergibt das eine Überperformance von knapp zehn Zählern.

Wie ist das zu erklären? Nun, einige Faktoren sind hausgemacht. Der etwas defensivere Ansatz ermöglicht den Gegnern natürlich Abschlüsse, aber nicht immer aus guten Positionen. Zudem können viele Verteidiger auch dafür sorgen, dass Abpraller eher beim eigenen Team landen. Offensiv zeigt sich Union Berlin effizient, aber hat auch Spielglück. Ein Beispiel ist der Treffer von Janik Haberer gegen Dortmund, als Torhüter Gregor Kobel ausrutschte und der Union-Spieler nur noch einschieben musste. Positiv ist, dass sowohl die Fans als auch die Spieler und der Trainer des Überraschungsteams auf dem Boden bleiben und die Lage einschätzen können. Das Mindestziel ist erst einmal der Klassenerhalt.

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Ist Union Berlin reif für mehr als "nur" eine Überraschung?

Nur wenige Statistiken werden von Union Berlin angeführt. Die meisten Kilometer spult die Mannschaft ab, die meisten Fouls begeht die Fischer-Elf ebenfalls. Der Spielstil ist intensiv und anstrengend, mit der Mehrfachbelastung erst recht. Allerdings kann der Kader, sollte es nicht zu größeren Ausfällen kommen, das abfangen. Zwei Fragen liegen rund um den Überraschungsklub natürlich auf der Hand: Wie nachhaltig ist der Spielstil und wozu kann das in dieser Saison reichen?

Dass Union diesen intensiven Spielstil über die gesamte Saison durchziehen kann, erscheint nicht einmal unrealistisch. Die WM-Pause spielt hierbei eine Rolle, denn Union stellt dabei nur eine Handvoll Nationalspieler für das Turnier in Katar ab. Die anderen haben eine zweimonatige Vorbereitung mit Urlaubszeit und Regenerationsphasen, ehe es Ende Januar in der Bundesliga weitergeht. Ein zusätzlicher Schub dadurch erscheint sehr gut vorstellbar, zumal an Details gearbeitet werden kann.

Das Spielglück ist allerdings endlich. Es wird Spiele geben, in denen nicht die erste Großchance eiskalt verwandelt wird. Spiele, in denen der zweite Ball nach Standardsituationen eben nicht einem Union-Angreifer vor die Füße fällt. Wie die Mannschaft mit Phasen umgeht, in denen zwei- oder dreimal nacheinander nicht gewonnen wird, bleibt abzuwarten. Für ein langfristiges Eingreifen in den Titelkampf scheint es noch zu früh zu sein, bei einem idealen Saisonverlauf und weiterhin patzenden Konkurrenten wie dem BVB könnte es aber sehr gut sein, dass die Champions-League-Hymne in der neuen Saison an der Alten Försterei ertönt. Und wenn nicht, dann ist das auch kein Weltuntergang für diesen Verein.

Verwendete Quellen:

  • Understat.de: Bundesliga
  • Bundesliga.com: Statistiken Bundesliga
  • Transfermarkt.de: Union Berlin
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