Die Rückkehr von Manuel Neuer ins Tor des FC Bayern München droht sich zu verzögern. Die möglichen Vertreter Yann Sommer und Alexander Nübel wurden bereits abgegeben. Der Rekordmeister steht dadurch unter Zugzwang und muss schwierige Entscheidungen treffen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Tag für Tag arbeitet Manuel Neuer für sein Comeback. Doch niemand scheint voraussagen zu können, wann genau der 37-Jährige wieder das Tor des FC Bayern München hütet. Am vergangenen Sonntag musste er sich einer Metallentfernung am rechten Wadenbein unterziehen. Dieser Eingriff war geplant und soll somit kein Rückschlag gewesen sein.

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Dennoch vermehren sich die Anzeichen, dass der Heilungsverlauf schlecht verläuft. Neuer hat seit dem letzten Vorrundenspiel der Weltmeisterschaft 2022 gegen Costa Rica, als Deutschland mit 4:2 gewann und dennoch in der Vorrunde ausschied, kein Pflichtspiel mehr bestritten. Im Dezember 2022 hatte er sich beim Skifahren einen Unterschenkelbruch zugezogen.

Comeback von Neuer möglicherweise erst 2024?

Es weckte Hoffnung auf eine baldige Rückkehr, als Neuer im Mai wieder das Torwarttraining auf dem Fußballplatz aufnahm. Doch wie sah es in ihm wirklich aus? Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, quälte er sich seit Wochen und Monaten beim Training, soll immer wieder Schmerzen und Rückschläge erlitten haben. Bereits Ende Mail soll eine Schraube operativ aus seinem Bein entfernt worden sein.

Das Comeback könnte in weite Ferne rücken: Laut dem Bericht sei die Rückkehr von Neuer nicht eine Frage von Wochen, sondern eher von Monaten. Es könnte offenbar sogar sein, dass der Torwart erst im Jahre 2024 sein Comeback gibt.

Dies würde den FC Bayern vor große Probleme und die Personalplanung zumindest infrage stellen. Yann Sommer und Alexander Nübel, die Neuer im Tor ersetzen könnten, sind nämlich bereits weg. Nübel wurde an den VfB Stuttgart verliehen, Sommer an Inter Mailand verkauft.

Vertreter Ulreich fiebert Supercup entgegen – doch wer ist sein Ersatzmann?

Der einzige verbleibende Profi-Torwart wäre Sven Ulreich. Immerhin: Am Montag hinterließ der 35-Jährige beim 4:2-Testsieg gegen den AS Monaco einen starken Eindruck und fiebert nun dem Supercup am Samstagabend gegen RB Leipzig entgegen. "Wir sind bereit und freuen uns, dass es jetzt wieder losgeht. In der Allianz Arena wollen wir am Samstag alles geben, damit wir den Titel holen", sagt er.

Doch ist Ulreich wirklich die Lösung für mehrere Monate? Und selbst wenn: Wer soll ihn ersetzen, falls sich Ulreich eine Verletzung zuzieht oder eine Sperre kassiert? Nachwuchs-Torwart Johannes Schenk wurde bereits an den Drittligisten Preußen Münster verliehen.

Beim Testspiel gegen Monaco saß der 19-jährige Tom Hülsmann, der noch nie ein Profispiel bestritten und selbst in der Regionalliga bislang erst neun Spiele absolviert hat, auf der Bank. Kaum vorstellbar, dass er plötzlich das Tor des deutschen Rekordmeisters hüten soll, falls Ulreich ausfällt.

Matthäus kann sich de Gea beim FC Bayern vorstellen

Der FC Bayern muss eine Entscheidung treffen, wie auch der frühere Bayern-Spieler Lothar Matthäus erklärt. "Entweder man vertraut Ulreich, hat einen jungen Torhüter auf der Bank und weiß, dass Neuer zurückkommt", schreibt er in seiner Sky-Kolumne. Sollte allerdings hinter dem Comeback von Neuer ein Fragezeichen stehen, müsste der FC Bayern auf dem Transfermarkt tätig werden.

Matthäus hat einen Vorschlag: "Ich hatte schon einmal David de Gea, der nach seiner Zeit in Manchester momentan vertragslos ist, genannt. Man sollte sich um einen Torwart kümmern, der schon etwas Erfahrung hat und den Konkurrenzkampf mit Neuer annimmt, und sich, wenn Neuer in zwei oder drei Jahren aufhören sollte, nach einem Torhüter in der Kategorie eines Kobel (Gregor Kobel, Torwart von Borussia Dortmund, Anm.d.Red.) umschauen."

Der 32-jährige de Gea war seit dem Jahre 2011 Torwart des englischen Top-Vereins Manchester United und ist derzeit vereinslos, würde also keine Ablöse kosten. Laut dem Bericht der "Bild"-Zeitung wären zudem Giorgi Mamardashvili (FC Valencia), Bono (FC Sevilla) und Kamil Grabara (FC Kopenhagen) beim FC Bayern im Gespräch.

Der finanzielle Spielraum dürfte eher gering sein, weil der FC Bayern mit der möglichen Verpflichtung von Stürmer Harry Kane den teuersten Transfer der Vereinsgeschichte plant.

Sky-Experte Didi Hamann erklärt: "Sie brauchen noch einen Torwart, das stockt jetzt im Moment vielleicht etwas. Das Geld, das sie vielleicht für den Torwart beiseite hatten, das müssen sie jetzt wahrscheinlich für Kane mehr bezahlen. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, warum man bei der Torwartfrage so wenig hat."

In welchem Zustand kehrt Neuer zurück?

Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss rechnet dennoch mit einem Transfer: "Ich bin mir sicher, dass sie noch einen Torwart holen. Die Frage ist, holt man einen Perspektivtorwart oder jemanden, der sofort hilft? Das mit Yann Sommer ging jetzt für ein halbes Jahr. Will man dieses Modell noch einmal fahren? Das ist eine spannende Frage."

Zumal niemand voraussagen könne, in welchem Zustand Neuer (wann auch immer) zurückkehren würde: "Wenn Neuer wieder voll am Mannschaftstraining teilnimmt, fehlt ihm weiterhin die Matchpraxis. Er ist erfahren genug, das wird wohl nicht lange dauern. Aber das ist wichtig. Und halten die Knochen?"

Der Blick in die Verletzungshistorie von Neuer wäre laut Fuss der Beweis dafür, dass das kein Selbstläufer ist: "Ich weiß noch, wie sensibel das bei seinem Mittelfußbruch vor einigen Jahren war. Da hat man auch gesagt, er müsse erst einmal zwei, drei, vier Wochen spielen, bis er sich wieder an alles gewöhnt hat und das Vertrauen in den eigenen Körper zurückgewonnen hat. Ich halte die Torwartfrage für extrem wichtig."

Das dürften die Verantwortlichen des FC Bayern nicht anders sehen.

Verwendete Quellen:

  • Sky-Zoom-Konferenz mit Didi Hamann und Wolff-Christoph Fuss (8. August 2023)
  • bild.de Neuer-Comeback erst nächstes Jahr?
  • sport.sky.de: Die Bayern machen bei Kane im Prinzip alles richtig
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