Nach dem Aus in der Champions League ist Wunden lecken angesagt beim FC Bayern. Zwei von drei möglichen Titeln sind weg. Der Club wirkt instabil und angeschlagen wie lange nicht. Im Kern steht eine Erkenntnis: Der FC Bayern hat einen guten Kader, aber keine große Mannschaft. Es ist Zeit für Veränderungen im Sommer.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es reichten 30 Sekunden in der 57. Minute im Rückspiel gegen Manchester City, um zu verstehen, warum der FC Bayern München in der Saison 2022/2023 insgesamt hinter den hohen Erwartungen zurückbleiben wird. Kingsley Coman setzte sich auf der rechten Seite herausragend gegen drei Gegenspieler durch. Sein Schuss aus spitzem Winkel wurde von City-Keeper Ederson noch abgelenkt und trudelte einen Meter vor der Torlinie durch den City-Strafraum.

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Kein Bayern-Stürmer war zur Stelle, um den Ball aus kürzester Distanz über die Linie zu drücken. City schlug den Ball anschließend lang nach vorne. Erling Haaland schnappte sich den Ball und lief auf der Gegenseite in zwei zu vier Unterzahl aufs Bayern-Tor zu. Eigentlich eine Nicht-Chance. Dann rutschte Bayern-Verteidiger Upamecano aus, Haaland ging vorbei und traf zum 1:0.

Spätestens damit war jegliche Hoffnung auf ein Weiterkommen in der Champions League für den FC Bayern dahin.

Die Mannschaft konnte sich hinter der Trainerdiskussion verstecken

Es war, als wollte jemand noch einmal in aller Klarheit verdeutlichen, dass der FC Bayern, so wie er derzeit zusammengestellt ist, einfach nicht in der Lage ist, nach den Sternen zu greifen. Aus im Pokal. Aus in der Champions League. Es bleibt die Chance auf die Meisterschaft. Auch wenn selbst diese nach zwischenzeitlich neun Punkten Vorsprung nicht sicher ist. Viel wurde beim FC Bayern in den vergangenen Monaten über den Trainer diskutiert.

Über Julian Nagelsmann und zuletzt über den neuen Hoffnungstrainer Thomas Tuchel. Vermutlich zu viel. Manchmal wirkte es so, dass die Mannschaft ganz froh war, sich hinter der andauernden Trainerdiskussion verstecken zu können.

Blickt man jedoch nüchtern auf die vergangenen neun Monate, muss man festhalten, dass die Mannschaft zwar viele große Namen vereint, aber insgesamt nicht die Konstanz und Qualität hat, um die hohen Ziele des FC Bayern zu erreichen.

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Es war ein großes Risiko Robert Lewandowski im Sommer nicht zu ersetzen, sondern daraufzusetzen, dass die Mannschaft ohne echten Neuner und nur mit dem einstigen Edeljoker Eric Maxim Choupo-Moting erfolgreich sein kann. Sie konnte es in Phasen. Aber nicht konstant. 30 bis 40 Tore, die Lewandowski allein in der Bundesliga Jahr für Jahr lieferte, im Kollektiv zu ersetzen, war ein hehres Ziel. Es klappte in einzelnen Spielen, wie bei den starken Auftritten gegen Paris im Achtelfinale. Aber auf eine ganze Saison gesehen, ist dieses Experiment gescheitert.

Kader des FC Bayern nicht ausgewogen

Klar ist jedoch auch, dass es nicht ausreicht, alles auf den fehlenden Mittelstürmer zu schieben. Die Probleme in der Defensive (Upamecano, Sommer, Davies). Die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor (Sané, Gnabry, Tel). Die fehlende Konstanz im Mittelfeldzentrum (Kimmich, Goretzka). Die Schwierigkeiten des FC Bayern haben viele Gesichter.

Der Kader ist gut und in der Breite stärker als fast alle europäischen Konkurrenten. Er kann auf hohem Niveau mithalten, wie die Spiele gegen City gezeigt haben, die taktisch und spielerisch auf Augenhöhe verliefen. Aber er wirkt nicht austariert. Er ergänzt sich nicht optimal. Die Verantwortung für die Kaderzusammenstellung trägt Sportvorstand Salihamidzic.

Es fehlt ein spielstarker Außenverteidiger. Es fehlt ein zweikampfstarker Arbeiter im Mittelfeldzentrum, der Kimmich auch mal entlasten kann. Es fehlt ein wenig Kreativität neben Musiala. Und es fehlt eben ein Mittelstürmer. Stattdessen herrscht zum Beispiel ein Überangebot auf dem Flügel. Der Top-Transfer Mané ging bisher nicht auf. Auch zu viele Fehler in der Innenverteidigung verbauten am Ende den Weg zu einer richtig guten Saison.

Die Spieler wirken oft zu brav

Die Bosse des FC Bayern sind gut beraten, in den verbleibenden Wochen der Bundesliga den Druck auf die Mannschaft eher zu erhöhen. Oliver Kahn hat damit rund um das City-Rückspiel bereits begonnen. Die kommenden sechs Spiele in der Bundesliga werden zeigen, auf wen sich Thomas Tuchel für die neue Saison verlassen kann und auf wen nicht.

Es braucht sicher keinen kompletten Neuaufbau, aber es braucht schon eine klare Vorstellung, mit welcher Achse und vor allem, mit welchem Fußball der FC Bayern mit Thomas Tuchel in die Zukunft gehen will. Es ist dabei auch hilfreich, gezielt nach hungrigen Spielern zu suchen, die noch etwas zu beweisen haben und angreifen wollen. Der Kader wirkt – jenseits von peinlichen Kabinenprügeleien – auch zu oft brav und zufrieden.

So muss man nach dem Ausscheiden gegen Manchester City festhalten: Der FC Bayern hat eine gute, aber keine große Mannschaft. Der Klub muss im Sommer seine Konsequenzen daraus ziehen.

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