Er stammt aus Ostfriesland, Zahlen und Bilanzen sind sein Geschäft: Jan-Christian Dreesen verzichtet vorerst auf seinen geplanten Ruhestand, um den Kahn beim FC Bayern München wieder in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Der Skepsis vieler Fans begegnet Dreesen mit klarer Kritik am Führungsstil seines Vorgängers.

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Weil Jan-Christian Dreesen passionierter Jäger ist, landet der Beobachter der Vorgänge beim FC Bayern München schnell bei dem Bild, der 55-Jährige hätte seinen Vorgänger Oliver Kahn "abgeschossen".

Fest steht, dass Dreesen und der unter unrühmlichen Umständen entlassene Vorstandsvorsitzende des deutschen Rekordmeisters keine Freunde waren. Unser Kolumnist und Sport1-Chefredakteur Pit Gottschalk benutzte im "Doppelpass" bei Sport1 am Tag nach der elften Bayern-Meisterschaft hintereinander für Dreesen den Begriff des "Erzfeindes" Kahns. "Oliver Kahn vermutet in Dreesen den Drahtzieher seiner Demission."

Während die Sendung lief, saßen in der Allianz Arena Dreesen und Vereinspräsident Herbert Hainer auf dem Podium und schilderten einen in der Bundesliga- und Klub-Geschichte bisher einmaligen Vorgang: den Ablauf der Entlassung Kahns und des Sportvorstands Hasan Salihamidzic. Sie wurde noch vor dem abschließenden Saisonspiel in Köln ausgesprochen und, wie sich anschließend herausstellte, trotz des Gewinns der 33. Meisterschaft.

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Ruhestand verschoben: Dreesen braucht das Geld als Bayern-CEO nicht mehr

Für Kahn war der Nachfolger rasch gefunden. Der vorherige Finanz-Vorstand Dreesen legte für seine neue Aufgabe, "die mein Herz berührt", sogar seine Pläne vorläufig ad acta, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Dies zeigt zweierlei: Dreesen muss seinen Posten beim FCB als 55-Jähriger nicht mehr des Geldes wegen bekleiden und er hat eine Liebe zum FC Bayern München entwickelt: "Ich bin Teil des FC Bayern geworden", wie er betonte.

Aufmerksamen Fans aber entging nicht, dass mit dem früheren Adidas-Boss Hainer und Dreesen nunmehr die Führungsmacht nicht mehr in den Händen zweier sportlicher Idole des Klubs liegt. Hainer sprach in seiner Begrüßung anlässlich der Vorstellungs-Pressekonferenz für Dreesen mehrfach vom "Unternehmen" und von der "Belegschaft" des FC Bayern.

Dreesen: "Mir ist Kommunikation wichtig"

Dieser technokratische Sprech stand jedoch der Empathie entgegen, die Dreesen in seine Sätze zum verlorenen "Füreinander und Miteinander" innerhalb des Vereins verpackte und das er nun wieder herstellen und betonen wolle. "Mir ist Kommunikation wichtig, und ein bisschen Freude sollte auch noch mit dabei sein."

Dies müsse im Verein "von oben" vorgelebt und "täglich bewiesen werden. Dann kommen die Mitarbeiter auch mit." Was auf dem Platz stattfinde, sei "Ausdruck dafür, wie es im Klub und im Unternehmen ausschaut." Wenn sich jeder nur noch egoistisch selbst darstelle, "dann bist du im Team einfach schlechter", führte Dreesen weiter aus.

Sätze, die Pfeile in Richtung Kahn waren und die draußen wie eine indirekte Abrechnung mit dem Vorgänger ankamen. "Wenn die Leute Spaß an ihrer Arbeit haben, wenn man sich vertraut, dann bist du viel erfolgreicher", unterstrich Dreesen. Das gelte sowohl für die Mannschaft als auch für die Mitarbeiter.

Jan-Christian Dreesen kommt aus der Welt der Banken

Dreesen kommt zwar nach mehr als zehn Jahren als Finanzchef des Klubs nicht gänzlich ohne Stallgeruch daher und betonte, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle an der Säbener Straße ihn kennen.

Aber weder geografisch - Dreesen ist im ostfriesischen Aurich geboren - noch sportlich kann Dreesen auf Verwurzelung mit dem FC Bayern zurückblicken. Der "neue Alte", wie er seine Vorstellung nach der Beförderung selbst umschrieb, hat eine erfolgreiche Karriere bei mehreren Banken hinter sich. Unter anderem gehörte er dem Vorstand der HypoVereinsbank an. Das Unternehmen ist Teil der UniCredit Bank AG und unterstützt den FC Bayern München seit 2003 als Sponsor.

Kein Dankeschön an Kahn und Salihamidzic

Dreesen war noch ein Punkt wichtig: mehr Nähe zu den Fans. Diese habe für ihn einen sehr großen Wert und mache ihm auch Spaß: "Ich begegne Menschen offen."

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Gerade die Fans aber schauen in Anbetracht der turbulenten Rückrunde des FC Bayern und der Art und Weise der Entlassungen von Trainer Julian Nagelsmann und von Kahn und Salihamidzic wahlweise geschockt, verstört oder skeptisch auf Geschehenes und Kommendes. Vor allem vermissten sie am Tag nach dem emotionalen Meisterschaftsgewinn in Köln echte Freude über den Titel und Worte des Dankes an Kahn und Salihamidzic. Diese kamen weder von Hainer noch von Dreesen.

Dessen Vertrag als Vorstandsvorsitzender ist auf zwei Jahre festgesetzt. "Da waren beide Seiten sehr happy damit", sagt Hainer. Dreesen versicherte, ihm sei die Laufzeit "nicht wirklich wichtig" gewesen. Er habe sich aber diese Chance nicht entgehen lassen können. "Wenn Sie das noch als gebürtiger Ostfriese angeboten bekommen, dann brauchte ich da gar nicht so lange überlegen."

Zuvor war Dreesen auch als neuer Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga gehandelt worden. Dazu habe er in den vergangenen Tagen "wirklich gute Gespräche" mit DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke geführt, sagte er. Als er nun aber vom FC Bayern gefragt wurde, sei ihm "diese Entscheidung leichter gefallen, als ich mir es gedacht habe".

Verwendete Quelle:

  • dpa
  • "Doppelpass" von Sport1 vom 28. Mai 2023
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