Bis Ende März trainierte Julian Nagelsmann noch den FC Bayern München, nun steht er vor seinem Debüt als Bundestrainer. Für mehrere Bayern-Stars dürfte das eine vorteilhafte Konstellation sein – für einen allerdings nicht.

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Julian Nagelsmann trifft als Bundestrainer auf viele vertraute Gesichter. In Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Leroy Sane und Thomas Müller stehen fünf Spieler im aktuellen Aufgebot, die er bis Ende März noch beim FC Bayern trainierte. Hätte sich Serge Gnabry nicht Ende September verletzt, hätte er wohl ebenfalls im Kader gestanden.

Nagelsmann blickte dem Wiedersehen positiv entgegen. "Ich habe unglaublich gerne mit den Spielern gearbeitet", sagte er. Es habe ihm wehgetan, die Akteure des FC Bayern nach seiner Freistellung nur noch im Fernsehen sehen zu können. Und zwar "weil man die Jungs lange hatte und einen engen Draht hatte. Ich freue mich darauf, die Spieler des FC Bayern wiederzutreffen."

Zwar freue er sich auch darauf, viele andere Spieler beim DFB zu begrüßen. Dennoch dürfte seine Vergangenheit beim FC Bayern einen gewissen Einfluss auf die Nationalmannschaft (Samstag, 14 Uhr gegen USA, live auf RTL) haben. Denn eines wurde zuletzt deutlich: Trotz seiner Freistellung genießt Nagelsmann noch immer hohes Ansehen beim deutschen Rekordmeister.

Hoeneß lobt Nagelsmann: "Er ist frisch, er ist jung"

Uli Hoeneß, der Ehrenpräsident des FC Bayern München, ist von Nagelsmann überzeugt. "Wir waren uns beim FC Bayern einig, dass er jetzt für diese Situation genau der Richtige ist", sagte er im Interview mit RTL/ntv.

"Er ist frisch, er ist jung. Er ist jetzt total erholt, hat nach dem Verlassen des FC Bayern ja viel Urlaub gemacht. Und er hat sehr viel Elan. Ich bin überzeugt, dass er viel Kraft getankt hat. Und jetzt braucht die Nationalmannschaft Optimismus. Sie braucht Aufbruchstimmung und ich denke, dafür ist Julian genau der Richtige."

Hoeneß scheint sogar zu bedauern, dass Nagelsmann beim FC Bayern freigestellt wurde. Rückblickend bezeichnet er die damalige Entscheidung als "nicht unbedingt klug".

Goretzka und Kimmich hatten ein enges Verhältnis zu Nagelsmann

Durch seine Zeit beim FC Bayern hat Nagelsmann viele enge Verbindungen zu seinen Ex-Spielern, die er nun bei der Nationalmannschaft trainiert. Insbesondere Goretzka und Kimmich gelten als große Nagelsmann-Befürworter.

Als der Trainer vom FC Bayern freigestellt wurde, bezeichnete Goretzka dies als einen "Schock für uns alle". Per Instagram hatte sich Goretzke damals noch einmal bedankt für "eine Zusammenarbeit, die jederzeit von Vertrauen, Spaß und gegenseitiger Wertschätzung geprägt war". Auch Kimmich stellte damals öffentlich klar: "Julian Nagelsmann ist ein überragender Trainer. Ich hatte schon sehr viele Toptrainer, trotzdem würde ich sagen, dass er in den Top 3 meiner Trainer ist."

Unter Nagelsmann waren Kimmich und Goretzka als defensives Mittelfeld-Duo gesetzt. Sollte er nun auch als Bundestrainer auf diese Doppel-Sechs vertrauen, müsste Ilkay Gündogan auf eine offensivere Position ausweichen – oder auf der Bank Platz nehmen. Zwar wäre es auch eine Option, Kimmich als Rechtsverteidiger spielen zu lassen. Allerdings hat Nagelsmann von dieser Möglichkeit beim FC Bayern nahezu nie Gebrauch gemacht.

Sane hatte unter Nagelsmann Formschwankungen

In einer herausragenden Form befindet sich momentan Sane, der in den ersten elf Pflichtspielen in dieser Saison bereits sieben Tore für den FC Bayern erzielte. Unter Nagelsmann hatte der Flügelspieler nie diese Konstanz. Gute und schlechte Phasen wechselten sich verlässlich ab.

Nagelsmann fand damals keine richtige Erklärung dafür. "Ich kann nicht zu 100 Prozent, nicht einmal zu 15 Prozent, beantworten, warum er nicht immer an seine Leistungsgrenze kommt. Ich weiß es nicht genau", gab er im vergangenen Jahr zu. Umso spannender wird zu beobachten sein, ob Sane nun auch unter Nagelsmann verlässlich funktioniert.

Müller und Musiala waren unter Nagelsmann Schlüsselspieler

Müller könnte von Nagelsmann profitieren und wieder eine größere Rolle in der Nationalmannschaft einnehmen. Ist er derzeit beim FC Bayern unter Thomas Tuchel vielfach nur Reservist, so war er unter Nagelsmann als Stammspieler fast durchgängig gesetzt. Kein Wunder also, dass Müller an die Qualitäten von Nagelsmann als Bundestrainer glaubt: "Julian hat sehr viele Pläne in der Schublade und ich glaube, dass er da auch einen passenden finden wird für diese Mannschaft."

Für Musiala dürfte sich durch den Bundestrainer-Wechsel nicht viel verändern, weil er sowohl mit Hansi Flick als auch mit Nagelsmann eine positive Vergangenheit beim FC Bayern verbindet. Flick war sein erster Förderer, der ihm zum Bundesliga-Debüt verhalf und zum Nationalspieler formte. Unter der Führung von Nagelsmann erlangte Musiala internationales Top-Niveau.

Die Personalie Neuer könnte zu einem Problem werden

Die spannendste Personalie dürfte Manuel Neuer sein, der nach seiner langwierigen Verletzung kurz vor dem Comeback steht. Das Verhältnis zwischen Nagelsmann und dem Torwart war offenbar zerrüttet, seitdem der FC Bayern den Torwarttrainer Toni Tapalovic freistellte, der ein enger Vertrauter von Neuer war.

Neuer gab daraufhin ein Interview und kritisierte den Verein dafür. Über die zukünftige Zusammenarbeit mit Nagelsmann sagte er damals, "dass ich professionell mit ihm zusammenarbeite". Das dürfte bedeutet haben: Das Verhältnis zwischen Nagelsmann und Neuer war unterkühlt.

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Der frühere Weltmeister Bastian Schweinsteiger deutete bei der "Sportschau" an, dass diese Vorgeschichte Einfluss auf die Nationalmannschaft haben könnte: "Wenn das Thema vielleicht nicht ausgeräumt ist, was ich hoffe, dass es schon ist, dann könnte das natürlich belastend sein."

Möglicherweise freuen sich also nicht alle Bayern-Spieler darüber, Ex-Trainer Nagelsmann als Bundestrainer wiederzusehen.

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