Vom Titelrennen sollten sich die Fans vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison keine besonders große Spannung erwarten. Aber wenigstens im Keller und im Kampf um Europa könnte es wieder hoch hergehen. Und vielleicht vollziehen einige Klubs ja sogar die Wende zu einer ganz anderen Art des Fußballs.

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"Fußball ist keine Mathematik." Diesen Satz haute Karl-Heinz Rummenigge einst dem damaligen FC-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld um die Ohren, einem gelernten Mathematiklehrer. Der hatte es gewagt, in einem Europapokalspiel sehr konservativ aufzustellen, die Bayern spielten nur remis. Gegen die Bolton Wanderers wohlgemerkt, ein Mittelklasseteam aus England.

Es war das letzte Mal, dass der FC Bayern sich in solchen Sphären bewegen musste, im "Cup der Verlierer", wie es Franz Beckenbauer mal verächtlich formuliert hat. In den Monaten davor hatten es die Münchener nicht geschafft, in der Bundesliga Platz drei zu erreichen und mussten als Vierter der Abschlusstabelle in der kleinen Schwester der Champions League ran.

Das ist eine gefühlte Ewigkeit her, in Wirklichkeit sind es elf Jahre. Seitdem haben die Bayern acht von elf möglichen Meisterschaften geholt, die letzten sechs davon in Folge. Im Schnitt haben sie dabei unglaubliche 86 Punkte pro Saison eingefahren, bei ihren sechs Titeln davor seit der Jahrtausendwende waren es im Schnitt "nur" 73 Punkte.

Lediglich Borussia Dortmund auf der Höhe seines Schaffens im Sommer 2012 war es gelungen, als eine andere Mannschaft außer den Bayern überhaupt die 80-Punkte-Marke in der Bundesliga zu knacken. In der abgelaufenen Saison war Vizemeister Schalke mit 63 Punkten ins Ziel eingelaufen und hatte damit 21 Zähler weniger als die Bayern.

"Nur Bayern entscheidet über die Spannung"

Ein bisschen Mathematik muss jedoch auch im Fußball erlaubt sein, um die frappierende Dominanz der Münchener greifbar zu machen. Für die am Freitag beginnende neue Saison sind das keine besonders guten Aussichten. Die Fans der Bundesliga sollten sich am besten keine großen Hoffnungen darauf machen, dass es wieder so etwas wie einen echten Titelkampf geben könnte.

"Nur Bayern München entscheidet über die Spannung in der Liga. Wenn die irgendwann mal wieder Lust haben, eine Meisterschaft richtig zu feiern, weil es am Ende spannend sein sollte, geht das nur, wenn ein Playoff-Modus eingeführt wird. Bis dahin werden sie weiter dominant sein und die besten Spieler der Konkurrenz kaufen." Das sagt Michael Reschke, mit dem VfB Stuttgart ein Mitbewerber in der Bundesliga, im Interview mit der "Welt".

Reschkes Einschätzung ist ebenso realistisch wie ernüchternd und sie vergisst sogar noch einen wichtigen Aspekt: Selbst wenn die Bayern in einer Saison so ziemlich alles falsch machen, was sie nur falsch machen könnten, müsste es auch mindestens einen klaren Mitstreiter oder Konkurrenten geben, der diese Phase überhaupt ausnutzen kann.

Es ist keiner da, der lauert

Der Rest der Liga schwimmt aber schon seit Jahren in seiner eigenen Suppe, die paar ambitionierten Klubs machen es sich mit dem Saisonziel Champions-League-Qualifikation gemütlich und versuchen irgendwie, der Beste vom Rest zu werden. Den Anspruch der Meisterschaft formuliert schon lange niemand mehr außerhalb Münchens.

Leipzig galt dank der Mateschitz-Millionen mal als veritabler Gegner, der BVB hatte eine starke Ausgangslage, Bayer 04 Leverkusen kann immer mal einen Glückstreffer landen, Schalke hat mit pragmatischem Fußball 16 andere Mannschaften abgehängt. Und doch sind sie alle Lichtjahre von den Bayern entfernt. Leipzig hat zudem jetzt den Trainer gewechselt und steuert vor dem Einstieg von Julian Nagelsmann ein Übergangsjahr an.

Der BVB hat ebenfalls einen neuen Trainer an der Seitenlinie und muss nach einem total verkorksten Jahr wieder einigermaßen in die Spur finden.

Immerhin Bayer Leverkusen hat eigentlich ganz gute Voraussetzungen, eine frische, junge Mannschaft und einen Trainer, der in seinem ersten Jahr in der Bundesliga durchaus zu überzeugen wusste. Bayer ist einiges zuzutrauen, ebenso wie 1899 Hoffenheim.

Im letzten Jahr mit Nagelsmann bringen die Kraichgauer das beste Gesamtpaket mit aus einer eingespielten Mannschaft, einem überragenden Tainer und der nötigen Ruhe im Klub. Aber: Hoffenheim hat mit Serge Gnabry und Mark Uth wichtige Leistungsträger verloren und muss mit der Dreifachbelastung inklusive der ersten Champions-League-Teilnahme klarkommen.

Immerhin darf man sich bei Spielen mit Hoffenheimer Beteiligung auf aktiven, offensiven Fußball freuen, was in der Pressing- und Konterliga Bundesliga schon ein bemerkenswerter Ansatz ist.

Werder könnte positiv überraschen - Frankfurt muss aufpassen

Und sonst? Werder Bremen hat eine spannende Mannschaft und mit Florian Kohfeldt einen Trainer, der daraus auch einiges basteln kann. In Bremen wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand von Europa gesprochen, in Gladbach dürfte das Ziel ähnlich formuliert werden.

Auch der VfB Stuttgart hat eine interessante Mischung in seinem Kader und das Potenzial, positiv zu überraschen. Der VfB hat sich wie Werder und die Borussia gezielt, sinnvoll und vor allen Dingen frühzeitig genug verstärkt, um nach der langen Vorbereitung einigermaßen eingespielt in die Saison zu starten.

Weniger gut verlief die Sommerpause dagegen für Pokalsieger Eintracht Frankfurt. Nicht nur, dass einige wichtige Spieler nicht mehr da sind und Trainer Niko Kovac jetzt mit den Bayern arbeitet lassen Zweifel an der Stärke der Eintracht aufkommen.

Durch das Aus im Pokal gegen Viertligist Ulm sowie die deftige Schlappe im Supercup gegen die Bayern baut sich schon vor dem ersten Spieltag großer Druck auf Trainer Adi Hütter auf. Das Beispiel des 1. FC Köln, der an vielen falschen Personalentscheidungen und der Belastung durch den Europapokal förmlich zerschellte, sollte ein mahnendes sein.

Spannung im Abstiegskampf?

Auch Hannover 96 steht wohl vor einer schwierigen Saison. Die Aufsteiger dürften es ebenfalls traditionell schwer haben.

Vermutlich wird sich das bisschen Spannung in der Liga wieder auf die internationalen Plätze und den Abstiegskampf konzentrieren. Ganz oben ist die Lzft für 17 Klubs ja offenbar viel zu dünn. Aber vielleicht kann die Bundesliga ja inhaltlich mal wieder überraschen: Es wird Zeit für einen Sinneswandel, die Jahre das Dauerpressings und schnellen Umschaltens haben die Liga ausgemergelt.

Dortmund mit Lucien Favre, Hoffenheim, Leverkusen, Gladbach, Werder und vielleicht sogar der VfB wollen offenbar einen anderen, aktiveren und mutigeren Weg gegen und echten Angriffsfußball spielen. Das wäre - ganz unabhängig vom vermutlich wieder langweiligen Titelrennen - doch wenigstens mal ein Ansatz der Besserung.


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