Es gab Zeiten im deutschen Fußball, da war die Meisterschaft am letzten Spieltag noch völlig offen. Manchmal fiel die Entscheidung erst in den letzten Minuten. In der jüngeren Vergangenheit hingegen war der Titelkampf ein echter Langweiler. Diesmal aber besteht Hoffnung auf mehr Spannung.

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Die letzte Meisterschaft, die am 34. Spieltag wirklich noch völlig offen war, ereignete sich in der Saison 2008/2009.

Felix Magath führte damals den VfL Wolfsburg zum Titel. Der Sturm des Vize-Meisters FC Bayern München bestand noch aus Luca Toni und Lukas Podolski. Lang ist es her.

In den vergangenen fünf Jahren stellte sich nicht die Frage, wer Deutscher Meister wird. Es ging lediglich darum, wie groß der Vorsprung des FC Bayern München diesmal sein würde.

25, 19, 10, 10 und zuletzt 15 Punkte - so groß war zum Saisonende jeweils der Abstand auf den Zweitplatzierten. Spannung sieht anders aus.

Beim Blick auf die Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Bayern die Liga seit 2012 dominiert. "Bayern ist uns wirtschaftlich um Lichtjahre voraus", stöhnte Dortmund-Boss Hans-Joachim Watzke bereits damals.

Bayern schweben in anderen Sphären

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der FC Bayern hatte in der Saison 2015/2016 einen Umsatz von 626,8 Millionen Euro. Borussia Dortmund kam im gleichen Zeitraum auf 376 Millionen.

Das wirkt sich auf den Kader aus. Der Marktwert aller Bayern-Spieler beträgt laut "transfermarkt.de" 603,4 Millionen Euro.

Die Verfolger Borussia Dortmund (406,5), Bayer Leverkusen (211,3) Schalke 04 (185,55) oder RB Leipzig (180,1) sind weit davon entfernt.

Und doch besteht die Chance, dass der Meisterschaftskampf diesmal etwas spannender wird.

Schwache Vorbereitung beim FC Bayern

Während ihrer Asien-Reise und des Audi-Cups in München verloren die Bayern fünf ihrer sechs Testspiele.

Überhaupt war die Saisonvorbereitung in Asien eher eine Marketing-Tour als ein Trainingslager. Der glückliche Supercup-Gewinn konnte über die Probleme kaum hinwegtäuschen.

Viele Verletzungsausfälle verhinderten, dass sich die Bayern richtig einspielten.

Auch beim Bundesliga-Start heute Abend gegen Bayer 04 Leverkusen (20:30 Uhr LIVE bei uns im Ticker) werden in Thiago, Javi Martinez, Jerome Boateng, Juan Bernat, Manuel Neuer und Neuzugang James Rodriguez wichtige Spieler ausfallen.

Schon gibt es die ersten Experten, die dem Rekordmeister eine schwierige Saison prognostizieren. "Ich glaube, die Bayern werden dieses Jahr nicht Meister", sagte Thomas Strunz in der "Bild am Sonntag". "Man sieht, dass mit Lahm und Alonso zwei wichtige Stützen weg sind."

Überhaupt sieht der Ex-Profi zum Saisonstart noch einige Fragezeichen: "Einzelne Spieler sind körperlich nicht in guter Verfassung, es fehlten Automatismen. Dazu kommen Fremdkörper im Spiel wie Sanches, der wirkt, als sei er vorgestern erst zur Mannschaft gestoßen. Dabei ist er schon eine Saison da."

Wird der BVB den Bayern wieder gefährlich?

Auch Stefan Effenberg warnt die Bayern im Gespräch mit "t-online.de": "Das war eine schlechte Vorbereitung, die Ergebnisse waren schlecht - und sind zum Teil krass ausgefallen. Die Alarmglocken sollten leise angehen, damit der Saisonstart nicht in die Hose geht."

Sport1-Doppelpass Moderator Thomas Helmer und Leverkusen-Trainer Heiko Herrlich haben sich auf Borussia Dortmund als Meistertipp festgelegt.

Auf dem Papier sieht der Kader von Borussia Dortmund tatsächlich meisterschaftswürdig aus.

Doch ist Torschützenkönig Pierre-Emerick Aubameyang nach seinen gescheiterten Wechselabsichten noch einmal richtig motiviert? Findet der BVB einen gleichwertigen Ersatz, sollte Ousmane Dembélé wirklich gehen? Nur wenn beide Fragen mit einem Ja beantwortet werden, kann Dortmund den Bayern wohl Paroli bieten.

Vize-Meister RB Leipzig hat keine Leistungsträger verloren. Fraglich ist nur, ob er die Mehrfachbelastung durch die Champions League gut verarbeitet.

Was dafür spricht: Mit einem Durchschnittsalster von 23,9 Jahren haben die "Roten Bullen" die jüngste Mannschaft der Liga. So lassen sich die körperlichen Strapazen besser wegstecken.

Leverkusen, Schalke, Gladbach - gut genug für den Angriff?

Bayer 04 Leverkusen, der FC Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach müssen (oder dürfen) sich darüber keine Gedanken machen. Anders als in den vergangenen Jahren spielen diese drei Mannschaften diesmal nicht im Europapokal.

Sie können sich voll auf die Bundesliga konzentrieren – und dadurch vielleicht sogar den Bayern gefährlich werden?

Gladbach hat sich mit Nationalverteidiger Matthias Ginter, Mittelfeldspieler Denis Zakaria und dem Offensivspieler Vincenzo Grifo gut verstärkt.

Schalke und Leverkusen hoffen wiederum mit ihren neuen Trainern Domenico Tedesco bzw. Heiko Herrlich auf einen Hallo-Wach-Effekt.

All das ändert nichts daran, dass Bayern weiter als Meisterschaftsfavorit gilt. Auch für Peter Stöger sind die Münchner gesetzt.

Und doch bleibt bei dem Köln-Trainer ein Fünkchen Hoffnung auf eine spannende Meisterschaft.

Seine Erklärung: "Wenn Usain Bolt einen 100-m-Lauf verliert, kann vielleicht in Deutschland auch mal ein anderer deutscher Meister werden."

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