Wenn man sich schon über Schützenhilfe vom wenig geliebten 1. FC Köln freuen muss, weiß man in etwa, wie prekär die Lage bei Borussia Mönchengladbach mittlerweile ist.
Der späte Kölner Ausgleich im Abstiegskrimi in Mainz macht das Wochenende für die Gladbacher noch einigermaßen erträglich – weil wenigstens Mainz damit dann doch nicht enger an die Fohlen heranrücken konnte. Wolfsburg und Bremen haben sich mit ihren Siegen wohl endgültig aus dem Abstiegskampf verabschiedet, Bochum ist mit dem Dreier gegen Hoffenheim wieder an die Gladbacher herangerückt.
Andere Mannschaften sorgen derzeit für die kleinen Freuden der Borussia, was die Situation für die Mannschaft von Gerardo Seoane drei Spieltage vor Schluss bedrohlich macht. Die Frage ist nur, ob das jeder in Mönchengladbach mittlerweile auch realisiert hat.
Keine Entwicklung erkennbar
Noch beträgt der Vorsprung auf den Relegationsrang vier Punkte, dazu kommt auch ein deutlich besseres Torverhältnis. Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Von den verbliebenen vier Kandidaten, die mindestens Platz 15 erreichen wollen, um die Relegation zu vermeiden, erweckt die Borussia jedenfalls den schlechtesten Eindruck.
Das Heimspiel gegen Union Berlin hätte zu einem dringend nötigen Befreiungsschlag werden sollen, am Ende wurde es, wie so oft in dieser Saison, zu einem Rohrkrepierer. Das zusammenhanglose Spiel der Borussia hatte nicht mehr als die Nullnummer verdient, lediglich drei Torchancen in 90 Minuten vor den eigenen Fans in einem Spiel gegen einen direkten Kontrahenten sind der konkrete Beweis für eine Nicht-Entwicklung, die am Ende der Saison in den Abstieg münden könnte.
Da war die deutlich verbesserte Defensivleistung nach den vier Gegentoren der Vorwoche in Hoffenheim nur ein schwacher Trost. Es bleibt die Erkenntnis, dass der Mannschaft auch in der Schlussphase der Saison eine stringente Strategie fehlt, um Spiele zu gewinnen. Oder dass es in den wenigen durchdachten Momenten an der sauberen Umsetzung mangelt.
Wie eine Mannschaft in der Vorbereitung…
Die schlechte Defensivleistung zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison. 60 Gegentore nach 31 Spielen – nur Absteiger Darmstadt, Hoffenheim und Bochum haben mehr. Zwar funktionierte die Offensive auf dem Papier bisher gut, 53 erzielte Tore sind ein klarer Beleg dafür. Aber: Das Gros dieser Treffer geht auf die individuelle Qualität einzelner Spieler und ein paar gute Standards zurück.
Aus dem freien Spiel, im Ballbesitz- und Positionsspiel oder beim Umschalten, weist die Borussia teils eklatante Schwächen auf. Und verliert sich zusehends in immer noch mehr Experimenten, die sich letztlich als kaum zielführend erweisen.
Verantwortlich dafür sind Seoane und sein Trainerteam. Dem ist es bis jetzt nicht gelungen, eine nachvollziehbare und den Stärken und Schwächen des Kaders angemessene Strategie zu entwickeln, die als Basis für alle Abläufe in allen Spielphasen dienen kann. Stattdessen wird allerhand ausprobiert, die Grundordnungen wie die Spielausrichtung verändert – und das alles mit einer äußerst labilen Mannschaft, die auf diese Art kaum den nötigen Halt finden kann.
Heraus kommen dann Auftritte wie gegen Union, ohne Tempo und Leidenschaft, ohne einen erkennbaren Plan. Ausgeführt von einer Mannschaft, die eher den Eindruck erweckt, sie stünde noch in der Vorbereitung auf eine Saison denn mitten drin im Abstiegskampf.
Die Stimmung kippt
Zwölf Punkte aus 14 Spielen lautet die Bilanz in der Rückrunde, dazu kommt noch – quasi als Sahnehäubchen – das Ausscheiden im Pokal bei Drittligist Saarbrücken. Die Stimmung im Borussia Park ist längst gekippt, die Reaktionen der Fans beim und nach dem Spiel gegen Union sprechen Bände.
Auf jedes zarte Hoch folgte bisher stets ein neuer Tiefschlag, und jetzt, wo es in den letzten Spielen der Saison um alles geht, müsste da eine resiliente und verschworene Einheit auf dem Platz stehen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Die Mannschaft wirkt blockiert, verunsichert. Der vermeintliche Befreiungsschlag beim Auswärtssieg in Wolfsburg war nur eines jener kurzen Zwischenhochs und der einzige Pflichtspielsieg aus den letzten neun Spielen seit Anfang März. Seitdem hält die Angst wieder Einzug. Auch deshalb sind Auftritte wie jüngst der von Sportchef Roland Virkus wenig hilfreich. In guter Absicht wollte er die immer noch mögliche Entwicklung der Mannschaft – seiner Mannschaft – aufzeigen und wählte als Beispiel den Aufstieg des VfB Stuttgart binnen weniger Monate. Weder das Timing noch der Inhalt waren für die aktuelle Situation der Borussia angemessen.
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Mannschaft hat Probleme mit dem Druck
Lange Zeit hatten sie sich in Mönchengladbach das böse Wort vom Abstiegskampf verkniffen. Nun aber muss auch der Letzte verstehen, dass es unter diesen Voraussetzungen ganz eng werden könnte mit Erstliga-Fußball auch in der kommenden Saison. Noch erscheint die Ausgangslage vergleichsweise komfortabel. Aber die Konkurrenz punktet und zeigt sich vor allen Dingen in einem besseren Zustand als die Borussia.
Ein "Endspiel" am letzten Spieltag in Stuttgart wäre das Horrorszenario schlechthin, vermutlich wird die Borussia den einen, rettenden Sieg in Bremen oder zu Hause gegen Frankfurt holen müssen. Die Frage ist nur: Wie soll das gelingen?
Der Druck ist jetzt enorm, und unter Druck hat diese Mannschaft bisher kaum einmal verlässlich funktioniert. In Bochum, Berlin und in Mainz wissen alle, was Abstiegskampf bedeutet und was es dafür braucht. In Mönchengladbach scheint diese Erkenntnis erst spät zu reifen. Am Ende vielleicht zu spät.
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