Lange stand Edin Terzic bei Borussia Dortmund in der Kritik, gewann aber auch einen Pokal und beinahe Meisterschaft und Champions League. Jetzt ist er von sich aus zurückgetreten. Wie ist seine Zeit beim BVB einzuordnen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Dass Edin Terzic am Ende überhaupt die Möglichkeit hatte, von sich aus zu gehen, war vor nicht allzu langer Zeit gar nicht so sicher. Nicht nur einmal in seiner Amtszeit wurde der Dortmunder Trainer bereits aus dem Amt geschrieben, konnte seinen Kopf dann aber doch immer wieder aus der Schlinge ziehen. Mit beeindruckenden Siegen, von denen keiner so richtig wusste, wie sie zustande gekommen waren. "Terzic Black Magic" sei das, scherzten die Fans in den sozialen Medien irgendwann.

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Jetzt verlässt der 41-Jährige den BVB. Zwar mit einer Bundesligaplatzierung, die die schlechteste in neun Jahren ist, aber auch mit einem denkwürdigen Champions-League-Finale, bei dem der BVB dem Titel fast noch näher war als bei seinem letzten Versuch 2013. Die Frage ist: Was bleibt von der Ära Terzic beim BVB? Hat der Trainer den Verein weitergebracht oder eine notwendige Entwicklung doch nur aufgehalten?

Viele Jahre hatten sich die Dortmunder nach 2015 schwer damit getan, einen geeigneten Nachfolger für Jürgen Klopp zu finden. Der ideale Trainer für den BVB musste nämlich nicht nur erfolgreich sein und gut anzuschauenden Fußball spielen lassen, sondern auch die Emotionalität der Dortmunder Fanszene widerspiegeln. Woran Thomas Tuchel, Lucien Favre, Peter Bosz, Peter Stöger und Marco Rose scheiterten, das gelang schließlich Terzic, der selbst in früheren Jahren noch in der Dortmunder Kurve gestanden hatte. Vom Charakter kam niemand dem Idealtypus des Dortmunder Trainers wieder so nahe wie Terzic.

Auch sportlich liest sich die Amtszeit des scheidenden BVB-Trainers mehr als passabel. Mit Terzic war der BVB so nah an der Meisterschaft wie seit Klopps Zeiten nicht mehr, er kam auch in der Champions League so weit wie vor ihm nur der verehrte Vorgänger. Dazu kommt ein DFB-Pokal-Titel, den Terzic bereits in seiner ersten Amtszeit als Interimstrainer holte, einen von nur zwei Titeln seit 2012. Ein erfolgreicher Trainer, der sich mit dem Verein identifiziert - besser kann es eigentlich nicht laufen.

BVB erstarkte im Januar 2023

Gerade in der Rückrunde der Saison 2022/23 zeigte sich, wie weit es mit dieser Kombination gehen konnte. Nach einer schwierigen Hinrunde wirkte der BVB im Januar und Februar 2023 kaum zu schlagen. Erst als der FC Bayern tabellarisch greifbar nahe war, bekamen es die Dortmunder mit der Angst zu tun. Eigentlich schon fast an der Ziellinie, scheiterte der Klub am Ende aber vor allem an sich selbst.

In der Saison darauf blieb der BVB unter seinen Erwartungen, erreichte mit Platz fünf in der Liga die schlechteste Platzierung seit 2014/15. Festhalten muss man dabei aber auch, dass Terzic nicht nur die psychologisch schwierige Aufgabe hatte, sein Team nach der verlorenen Meisterschaft wieder aufzubauen, sondern auch den Abgang von Schlüsselspieler Jude Bellingham verkraften musste. Die Dortmunder Sommertransfers gingen kräftig in die Hose. Durchschnittliche Bundesligaspieler wie Ramy Bensebaini und Felix Nmecha gaben nicht im Ansatz die wichtigen Impulse, um vorne angreifen zu können - von einem adäquaten Ersatz für Bellingham ganz zu schweigen.

Gerade spielerisch war der BVB unter Terzic aber selten visionär, in der Saison 2023/24 sogar oft deutlich unterlegen. Statt dem langjährigen Verfolger aus Dortmund waren es schließlich Bayer 04 Leverkusen und der VfB Stuttgart, die dem FC Bayern erstmals nach elf Jahren wieder die Meisterschaft entrissen. Der BVB rannte der Spitzengruppe nur hinterher, duellierte sich mit RB Leipzig zwischenzeitlich um den vierten Platz, der am Ende aber nicht mehr ausschlaggebend für die Champions-League-Qualifikation war.

Zu oft gab der BVB dabei einfache Spiele aus der Hand. Sinnbildlich stand dafür bereits das 2:2 daheim gegen den 1. FC Heidenheim am dritten Spieltag. Der BVB hatte bereits nach 15 Minuten mit 2:0 geführt. Auch die Verantwortlichen trauten Terzic nach der Hinrunde nicht mehr ganz, stellten ihm Nuri Şahin und Sven Bender als Co-Trainer zur Seite. Retten konnte der Trainer seinen Job dabei vor allem dank der Champions- League-Auftritte. International sorgte der BVB gegen Newcastle, Milan, Atlético Madrid und Paris Saint-Germain für besagte, magische Nächte in Schwarz-Gelb.

Mats Hummels stellte Terzic zur Rede

Nach der Niederlage im DFB-Pokal-Achtelfinale beim VfB Stuttgart am 6. Dezember 2023 machte sich auch unter den Spielern Kritik breit. Mit der taktischen Ausrichtung war besonders ein wichtiger Spieler nicht mehr einverstanden. "Ich habe mich in meiner Ehre gekränkt gefühlt, so in diesem Trikot auf dem Platz zu stehen. So unterwürfig, so fußballerisch unterlegen", erinnerte sich Mats Hummels, dessen Probleme mit dem Trainer in den letzten Tagen immer offensichtlicher wurden, im Interview mit der "Sport Bild". Auch andere Spieler hinterfragten Terzics Spielweise zu diesem Zeitpunkt offen.

Schon zuletzt mehrten sich die Gerüchte, dass Hummels nur ohne Terzic beim BVB verlängern würde. Dass es mit so großen Differenzen, die von Vereinsseite auch nicht zurückgewiesen wurden, nur schwer hätte weitergehen können, ist da fast schon klar. Aus diesem Blickwinkel wirkt der Rücktritt von Terzic wenig überraschend. Nun liegt es an seinem voraussichtlichen Nachfolger Şahin, ebenfalls ein BVB-Urgestein, die Mannschaft wieder zusammenzubringen. Am besten ohne schwarze Magie.

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