Fünfmal in zwei Spielen hat Borussia Dortmund bis jetzt einen Ball auch auf das gegnerische Tor bekommen. Reichlich wenig gegen Mannschaften wie den 1. FC Köln und den VfL Bochum. Der expected-goals-Wert (xG) ist für beide Spiele zusammen offiziell mit 2,27 errechnet und damit sehr weit weg von dem, was der BVB eigentlich zu leisten imstande sein sollte gegen Gegner dieser Art.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zum Vergleich: Die Bayern führen in dieser Kategorie mit 5,55 xG, gefolgt von Bayer Leverkusen (4,55) und RB Leipzig (4,04). Selbst die sonst so effizienten Berliner vom FC Union stehen schon bei 3,43 – und das, obwohl die Partie in Darmstadt zuletzt über 70 Minuten lang in Unterzahl zu bestreiten war.

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Die Münchener (16 Torschüsse aufs Tor) schossen wie Bayer (17) und Leipzig (17) schon mehr als dreimal so oft auf das gegnerische Tor wie der BVB, für Union sind immerhin auch schon 13 Schüsse notiert. Nur folgerichtig stehen diese Mannschaften bei acht (Union), sieben (Bayern, Leipzig) und sechs (Leverkusen) Saisontoren. Borussia Dortmund steht bei zwei.

Es sollte also niemanden verwundern, dass diese potenziellen Kontrahenten um die Meisterschaft oder einen Platz in der Champions League Mannschaften in der Offensive schon heiß laufen – während der BVB immer noch nach geeigneten Mitteln und Wegen fahndet, die Wucht der letzten Rückrunde wieder zu erreichen. Aber warum eigentlich?

Probleme in der Struktur

Die Frage allein mit den Abgängen von Jude Bellingham und Raphael Guerreiro zu beantworten, greift zu kurz. Natürlich war Bellingham ein Spieler, der die Offensive mit seiner bisweilen unorthodoxen Spielweise und seinem Einzelkönnen getragen hat, der wettbewerbsübergreifend auf 14 Tore und sieben Vorlagen kam. Und Guerreiro mit allein zwölf Assists in der Liga ein herausragender Vorbereiter.

Und auch Sebastian Kehls Hinweis auf einige im Sommer verletzte Spieler, die nun nach und nach zurückkommen und der Mannschaft schon bald helfen werden, ist legitim.

In der Vorbereitung war aber mit dem üppig gefüllten Kader genug Zeit, sich mit neuen Spielern und angepassten Ideen auf die veränderten Umstände vorzubereiten. An den viel zitierten Abläufen zu feilen, das Offensivspiel sauber zu unterteilen in geplante Auslösemomente, den Übergang im Mittelfeld und dann die Vorbereitung der Abschlussaktion im letzten Drittel.

Gegen Köln und Bochum war davon allenfalls in Nuancen etwas zu erkennen. Stattdessen gab es einige strukturelle und auch handwerkliche Fehler, die in ihrer Ausprägung und Fülle diesen Stotter-Start in der Offensive erklären.

Wenig gelungene Dribblings am Flügel

Das von Edin Terzic bemängelte Abkippen von Emre Can in einen Dreieraufbau war gegen Bochum schon besser im Timing, die Probleme damit aber nicht gelöst. Der BVB versucht immer noch, zu schnell über die Außenverteidiger anzuspielen und dann am Flügel nach vorne zu kommen.

An sich ein probates Mittel, nur verliert das ohne starke Dribbler an den Seitenlinien an Wert. Donyell Malen kann solche Spielsituationen am Flügel auflösen, Julian Brandt – der gegen Köln und Bochum auf der linken Seite beginnen durfte – hat aber den Drang, mit dem ersten Kontakt zur Mitte zu ziehen. Die oft sehr mannorientierte Verteidigung der Gegner ist schwer aufzubrechen ohne eine individuelle Einzelleistung am Flügel.

Dazu fehlen die Tiefenläufe, wenn der BVB sich am Flügel doch kurz einmal in eine Überzahlposition gespielt hat. Die Mitspieler verpassen dann das Anlaufen der Schnittstellen oder im Rücken des Gegners, der Ballführende muss abdrehen und den Ball wieder quer oder zurück spielen.

Kein Zentrum, keine Halbräume

Das größte aller Probleme ist aber immer noch die schlecht angepasste Struktur im zentralen Mittelfeld. Über das Zentrum oder die Halbräume kommt das Dortmunder Spiel bisher fast komplett zum Erliegen. Halten die Gegner das Zentrum mit viel Personal so gut es geht geschlossen, spielt Dortmunds Mannschaft fast nur noch drumherum.

Da fehlt es dann an Mut und Überzeugung, sich in diesem knappen Raum als Anspielstation zu zeigen und – wenn Can tatsächlich tief herauskippt für den Dreieraufbau – auch an einer dringend notwendigen zusätzlichen Anspielstation, die eigentlich die beiden Sechser in diesem Raum bieten sollten.

Stattdessen geht Can eine Linie tiefer, wo die Borussia mit den beiden Innenverteidigern und Torhüter Gregor Kobel eine Überzahl gegen die in der Regel mit zwei Spielern anlaufenden Gegner ausspielen könnte – um dann zumindest die Option zu haben, Can oder Marcel Sabitzer im Zentrum zu finden und über die den Angriff zu entwickeln.

Weil das bisher kaum funktioniert, verlaufen Dortmunder Angriffsbemühungen noch zu oft im Sand. Und bekommen Dortmunds Angreifer kaum die Gelegenheit, ihre Stärken auszuspielen. Sebastien Haller jedenfalls hat bisher ganze drei Mal einen Ball in Richtung gegnerisches Tor abgefeuert.

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