Borussia Dortmund hat gegen RB Leipzig erstmals nach mehr als zwei Jahren ein Bundesliga-Heimspiel verloren - und das durchaus verdient. Reflexartig wird deshalb über Trainer Peter Bosz' System debattiert. Zu Recht?

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Es hatte etwas Schonungsloses, wie RB Leipzig den Tabellenführer in dessen eigenen Stadion beherrschte.

Borussia Dortmund war bis vergangenen Samstag durch die Bundesliga gepflügt, hatte sich bis dato lediglich ein Remis beim SC Freiburg erlaubt und ansonsten beinahe ein Schützenfest nach dem anderen abgebrannt.

Erste Anzeichen dafür, dass es auch in der heimischen Liga nicht immer nur nach Belieben laufen würde, zeigte schon die Partie der Borussia beim FC Augsburg.

Daran konnten oder mochten sich die wenigsten noch erinnern, immerhin siegte der BVB ja trotzdem. Außerdem war das wegen der Länderspielpause ja auch schon wieder zwei Wochen her.

Wie sehr eine Mannschaft, die sich gut auf Dortmunds Fußball einlassen kann und sich entsprechend selbst wappnet, dem BVB aber weh tun kann, zeigte der FCA besonders in der zweiten Halbzeit.

Da dominierte Augsburg - und es war am Ende der individuellen Klasse und einer gehörigen Portion Glück zu verdanken, dass Dortmund nicht schon dort auf die Nase gefallen ist.

Das Original schlägt die Kopie

Die Partie gegen Leipzig versprach im Vorfeld so etwas wie die des Originals gegen die Kopie - wobei in diesem Sinne nicht der BVB das Original darstellte, sondern Leipzig.

In den Red-Bull-Akademien wurde der Pressing-Überfall-Fußball auf ein neues Niveau gehoben und in Leipzig unter Ralph Hasenhüttl nochmals neu kultiviert.

Borussia Dortmund hat seit ein paar Wochen auch so eine Art Hasenhüttl. Peter Bosz hat aus Amsterdam eine neue Philosophie mitgebracht und lässt nach seinen Paradigmen spielen, die sehr viele Anleihen vom Pressing-Gegenpressing-Fußball der Marke RB aufweisen.

Unter Thomas Tuchel spielte die Mannschaft weniger archaisch, etwas gepflegter mit dem Ball und nicht so draufgängerisch im Spiel ohne den Ball.

Das hat Bosz geändert. Er will totale Dominanz, selbst wenn seine Mannschaft den Ball nicht hat. Dann soll der Gegner so gelenkt und in Zonen geleitet werden, wo der Zugriff erfolgen und die Ballrückeroberung binnen weniger Sekunden realisierbar sein kann.

Gegen die meisten Mannschaften aus der Bundesliga reicht dieses Defensivkonzept ganz wunderbar. Weil die Spieler der meisten Teams schlicht nicht in der Lage sind, sich aus diesem permanenten Druck so zu befreien, dass selbst ein geordneter Angriff dabei herausspringen könnte. Sondern in der Mehrzahl der Fälle der Ball tatsächlich schnell wieder weg ist und Dortmund den nächsten Angriff fahren kann.

Drei starke Gegner, drei Niederlagen

Gegen bessere Gegner oder solche, die eine ordentliche Portion Mut mitbringen, wackelt das System Bosz aber immer noch bedenklich.

In den drei Spielen dieser immer noch jungen Saison gegen starke oder sogar Weltklassemannschaften setzte es drei Niederlagen mit jeweils drei Gegentoren.

Das kann ein Zufall sein, riecht aber eher nach fast folgerichtigen Konsequenz aus dem brutal offensiven Abwehrverhalten der Mannschaft.

Gegen Tottenham und Real in der Champions League und nun auch gegen RB Leipzig in der Bundesliga gingen Bosz' Konzepte nur zum Teil auf.

Die Besetzung einzelner Position mit weniger geeigneten Spielern aufgrund von Verletzungen wichtiger Akteure ist dabei ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Aber der BVB rannte gegen Leipzig jetzt auch schon zum dritten Mal vergleichsweise naiv in jene Fallen, die der Gegner ihm stellte.

Und, fast noch schlimmer: Gegen die Spurs und Real fand Bosz keine probaten Gegenmittel. Gegen Leipzig hatte er ein paar mehr Ideen - scheiterte am Ende aber dennoch verdient.

Anschauungsunterricht für die Liga

Die Partie gegen Hasenhüttls Mannschaft kann als Anschauungsunterricht für den Rest der Bundesliga durchgehen, die zweite Halbzeit gegen Augsburg mit Abstrichen auch.

Der totale Überraschungseffekt der ersten Spiele ist weg. Man weiß mittlerweile, was einen im Spiel gegen den BVB erwartet und kann sich entsprechend darauf einstellen.

Das muss nicht heißen, dass Dortmund nicht mehr zu den drei besten Mannschaften der Bundesliga zählt. Aber diese heftige Dominanz ist aufzubrechen - und das nicht nur von individuell stark besetzen Teams, wie nicht zuletzt Augsburg gezeigt hat.

Das System Bosz ist noch nicht so gut, wie es die ersten Spieltage suggeriert hatten. Das ist nur zu verständlich, immerhin muss sich eine komplette Mannschaft darauf einlassen und es fehlt schließlich immer noch fast eine komplette Mannschaft verletzt.

Der BVB befindet sich mittendrin in seinem Erneuerungsprozess, der wohl noch ein paar Monate anhalten wird. Insofern ist der Start mit 19 Punkten aus acht Spielen inklusive der Tabellenführung immer noch überragend.

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