Joe Biden wird der neue Präsident der USA sein. Zeit also für die Frage: Was würde sich unter dem Demokraten zuerst ändern? Als Anti-Trump-Kandidat in den Wahlkampf gegangen, will der 77-Jährige einige Scherben seines Vorgängers aufsammeln. Aber seine Pläne reichen weiter - wenngleich einige Streitthemen auch unter Biden bleiben werden.

Mehr zur US-Wahl 2020

Die Entscheidung ist gefallen: Joe Biden wird neuer Präsident der USA.

Für das Präsidentenamt konnte Donald Trumps Herausforderer vor allem ein Argument in den Ring werfen: Er ist nicht Trump. Denn von einem Machtwechsel an der Spitze der Vereinigten Staaten erhoffen sich die meisten Biden-Wähler wohl vor allem eins: Schluss mit Twitter-Tiraden, Fake News, fragwürdigen Auftritten auf internationaler Bühne und emotionsgesteuerter Politik.

Trumps Schaden nach US-Wahl reparieren

Als nahezu ausgeschlossen dürfte etwa gelten, dass Joe Biden Kanzlerin Angela Merkel den Handschlag verweigert, fortwährend mit dem Austritt aus internationalen Bündnissen droht oder sich mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un Wortgefechte über Atomknöpfe liefert. Auch das Wort "great" – für Trump in beinahe jedem Satz über sich selbst, seine Politik oder die USA brauchbar – werden die Amerikaner von Biden wohl seltener hören.

Was aber wird Anti-Trump-Kandidat Biden darüber hinaus zuerst ändern, wenn er ins Weiße Haus einzieht? Auf einer Wahlkampfveranstaltung bezeichnete er es als "riesige Aufgabe, den Schaden zu reparieren, den Trump angerichtet hat". Seine Pläne dafür sind ambitioniert.

Plan zur Pandemie-Bekämpfung

Oberster Punkt auf Bidens To-do-Liste ist die Bekämpfung der Corona-Pandemie. In den USA gibt es mehr als 9,7 Millionen Fälle, mehr als 235.000 Amerikaner sind bereits im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Die Pandemie ist in den USA weiter völlig außer Kontrolle. Zuletzt meldeten die Behörden dort im Schnitt rund 100.000 Neuinfektionen pro Tag. Daten der Universität Johns Hopkins zufolge gab es in den USA seit Beginn der Pandemie 9,8 Millionen bestätigte Infektionen und mehr als 236.000 damit zusammenhängende Todesfälle.

Präsident Trump hatte die Gefahr durch die Pandemie immer wieder kleingeredet, sich über Maskenträger amüsiert und im Wahlkampf Massenveranstaltungen besucht.

Der frisch gewählte US-Präsident Biden will US-Medienberichten zufolge schon am Montag einen Expertenrat zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie vorstellen. Die Einrichtung des Gremiums noch vor der Bekanntgabe der Personalwahl für erste Kabinettsposten unterstreiche, welche Bedeutung Biden dem Kampf gegen die Pandemie einzuräumen plane, berichtete am Samstag die Nachrichtenseite "Axios". Dem Sender CNN zufolge soll es sich um ein zwölfköpfiges beratendes Expertengremium handeln.

In der zweiten TV-Debatte hatte Biden bereits den amtierenden Präsidenten dafür angegriffen: "Wer für so viele Tote verantwortlich ist, sollte nicht Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben", sagte Biden. Der Präsident habe immer noch "keinen Plan" für den Kampf gegen die Pandemie, während ein "dunkler Winter" drohe. Seine eigene nationale Strategie zur Eindämmung des Virus sieht derweil eine Maskenpflicht, sowie umfangreiche und kostenlose Corona-Tests vor.

Ein Gesundheits-Korps von 100.000 Amerikanern soll unter anderem bei Kontakt-Rückverfolgung von Infizierten helfen. Auch eine künftige Impfung soll kostenfrei durchgeführt werden, Wissenschaftler wie der Chef-Immunologe Anthony Fauci wieder mehr Gehör finden. Ein Corona-Hilfspaket will Biden durch mehr Steuern von Superreichen und Konzernen finanzieren.

Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen

Nicht nur Klimaschützer hatte Trump 2017 schockiert, als er das Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigte. Die Rückkehr zum Klimaabkommen ist für Biden deshalb bereits beschlossene Sache: "Das erste, was ich tun werde, ist, dem Pariser Abkommen wieder beizutreten", hatte der Demokrat im TV-Duell gegen Trump angekündigt. Der Demokrat, für den Klimaschutz ein Kernthema ist, plant zudem einen Weltklimagipfel in Washington.

Bis 2050 sollen die USA klimaneutral wirtschaften – die Treibhausgasemissionen also auf netto-null sinken. Dazu will Biden Trumps Lockerungen beim Umweltschutz rückgängig machen. Außerdem: Investitionen in klimagerechte Infrastruktur, Fördermaßnahmen für die Ölindustrie einschränken und mehr erneuerbare Energien.

Stärkeres Engagement der USA

In Sachen Außenpolitik dürfte der Transatlantiker Biden die Politik seines Vorgängers vor allem in ihrem Stil deutlich umkrempeln: Denn durch Beleidigungen und rüpelhaftes Verhalten hat Trump an einigen Stellen verbrannte Erde hinterlassen.

"Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und erklären, Sie können auf uns zählen", sagte Biden kurz vor der Wahl. "Ich werde unseren Verbündeten und Freunden zur Seite stehen." Deren Zweifel an der Verlässlichkeit der USA sind nämlich berechtigt: Beinahe alle Verpflichtungen in internationalen Bündnissen hatte Trump infrage gestellt.

Streitthemen, die auch unter Biden bleiben

Bildungsorganisation "Unesco", Weltgesundheitsorganisation (WHO), UN-Menschenrechtsrat, Klimarahmenvertrag der UN, und Rüstungskontrollvereinbarung "Open Skies" – geht es nach Biden, engagiert sich die USA hier wieder stärker, hält Verpflichtungen ein und leistet Zahlungen. Dass die USA wieder zum Weltpolizisten avancieren, hinter deren Rücken sich die Europäer verstecken können, ist damit nicht gesagt.

Denn mit einem Kuschelkurs in der NATO kann vor allem Deutschland auch unter Biden nicht rechnen. Die Forderung, dass Deutschland sein Verteidigungsbudget gemäß den Richtlinien erhöht, dürfte auch von Biden kommen. Auch Nord Stream 2 wird ein Streitthema bleiben, das Atomabkommen mit dem Iran ebenso wie der START-Vertrag zur nuklearen Abrüstung wieder auf den Tisch kommen.

Mehr Verlässlichkeit für die Wirtschaft

In der Wirtschaft dürfte sich unter Biden vor allem eins ändern: Es käme wieder mehr Verlässlichkeit in die Handelspolitik. Verrücktspielende Börsenkurse nach morgendlichen Tweets hätten Anleger unter einem Präsident Biden weniger zu befürchten.

Dass Biden die Trump’sche Politik der Strafzölle ganz abwickelt, ist nicht zu erwarten. Auch die Demokraten sind in Sachen Wirtschaft eher protektionistisch eingestellt. Dass Auto- und Stahlzölle bald vom Tisch sind, ist daher unwahrscheinlich.

Härtere Gangart gegenüber Russland

Generell wird Biden China nicht vom Haken lassen, denn eine gewisse Härte wünscht sich die Mehrheit der Amerikaner, um Chinas Vormachtstreben zu bremsen. Biden dürfte das aber weniger im Alleingang mit Strafzöllen angehen, als vielmehr gemeinsam mit europäischen Bündnispartnern in einer "Koalition der Demokratien". Auch Russland muss mit härteren Tönen rechnen. Im TV-Duell hatte Biden bereits angekündigt: "Einmischung in US-Wahlen wird bestraft."

Erfolg von Mehrheiten abhängig

Bidens ambitionierte Pläne reichen weiter: Dazu zählen etwa ein Mindestlohn von 15 Dollar, die Ausweitung von Obamacare und eine liberalere Einwanderungspolitik. In den ersten 100 Tagen wird all das kaum machbar sein. Abgesehen davon wird Biden nicht alles rückgängig machen können, was sich unter Trump geändert hat: Denn die Zusammensetzung der anderen Regierungsorgane – also Repräsentantenhaus und Senat – spielt für die meisten Vorhaben eine entscheidende Rolle.

Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten zwar die Mehrheit, haben aber Sitze verloren. Im Senat konnten sie einen Sitz dazugewinnen – hätten für eine Mehrheit aber drei benötigt. Noch hinzu kommt eine große Aufgabe, die sich kaum wie ein Punkt auf einer To-do-Liste wird abhaken lassen: Die Spaltung der Amerikaner überwinden.

Verwendete Quellen:

  • JoeBiden.com: Joe's Vision
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.