Ob Donald Trump Präsident der USA bleibt oder sein Konkurrent Joe Biden das Rennen macht, wird sich in den sogenannten "swing states" entscheiden. Einer der wichtigsten ist Florida. Wer im Sonnenstaat zwischen Atlantik und Golf von Mexico siegt, der gewinnt im ganzen Staat, sagen Beobachter. Doch ganz so sicher ist das nicht.

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Florida gehört zu den klassischen "swing states" der USA. Gemeint sind damit jene Bundesstaaten, deren Bevölkerung weder traditionell republikanisch noch traditionell demokratisch wählt – in denen es also oft bis zum Schluss auf Messers Schneide steht, welcher Kandidat den Sieg davontragen wird.

Die amerikanische Präsidentschaftswahl funktionieren nach dem Prinzip "the winner takes it all" – der Sieger erhält alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates, selbst wenn er nur mit minimaler Überlegenheit gewonnen hat. Die Wahlmänner, deren Abstimmungsverhalten an den Ausgang der Wahl gebunden ist, bestimmen am Ende den Präsidenten.

Prägnantes Beispiel aus der nahen Vergangenheit: Für George Bush jr. kamen im Jahr 2000 entscheidende 25 Wahlmännerstimmen aus Florida – er wurde letztlich Präsident, weil er dort mit einer Mehrheit von 537 Stimmen gesiegt hatte. Auch bei der Präsidentschaftswahl am 3. November könnte das Ergebnis knapp werden – vor allem kommt es für die Kandidaten auf jeden einzelnen der "swing states" an.

Durchschnittsbevölkerung mit Ausnahmen

Florida liegt mit dem Bundesstaat New York nach Kalifornien (55 Wahlmänner) und Texas (39) an dritter Stelle der Staaten mit den höchsten Wahlmännern-Zahlen – im November geht es hier für Trump und Biden um 29 Wahlmännerstimmen. Und, wie gesagt: Der Sieger bekommt sie alle.

Interessant ist Florida für Wahlforscher und Wahlprognosen auch deshalb, weil die Zusammensetzung seiner Bevölkerung relativ genau dem amerikanischen Durchschnitt entspricht. Mit zwei Ausnahmen: Im Sonnen­staat leben mehr Hispanics (Wähler, die aus Mittel- und Südamerika zugezogen sind) und mehr Rentner.

Während bundesweit in den USA 18,5 Prozent der Bevölkerung Hispanics sind, sind es in Florida 26 Prozent. Hispanics wählen traditionell eher demokratisch – ein strukturelles Problem mit Sprengkraft für die Republikaner, weil der Bevölkerungsanteil der Hispanics schneller wächst als der anderer Wählerschichten.

Doch in Florida sind die Hispanics anders: Während 2016 zum Beispiel in Kalifornien 71 Prozent der Hispanics für Hillary Clinton stimmten und nur 21 Prozent für Donald Trump, konnte Trump in Florida 35 Prozent der Hispanics-Wähler für sich mobilisieren – ganze 14 Prozent mehr. Nur 62 Prozent stimmten hier für Clinton.

Grund dafür ist vor allem der traditionell konservative Anteil der kubastämmigen Wähler unter den Hispanics, der sich seit jeher hauptsächlich in Florida ansiedelt. Von Key West sind es nur knapp hundert Meilen bis zur kubanischen Küste – Cubanos können sich hier ihrer Heimat nahe fühlen.

Auch bei Exil-Kubanern hat Trump Sympathien eingebüßt

Aber auch in dieser Wählerschicht gebe es "eine Abwendung von Donald Trump und den Republikanern", sagt US-Experte Christoph Haas von der Universität Freiburg im Gespräch mit unserer Redaktion. In der Community habe es viel Streit um Barack Obamas Politik gegeben, der mit einer Normalisierung der Beziehungen zum lange isolierten, sozialistisch regierten Kuba begonnen hatte. Trumps radikaler Bruch mit dieser Politik könnte ihm weitere Sympathien in einer Bevölkerungsschicht gekostet haben, deren Mehrheit ohnehin traditionell demokratisch wählt.

Besser sieht es für Trump bei den Rentnern in Florida aus. Während bundesweit 16,5 Prozent der Menschen älter als 65 sind, leben in Florida knapp 21 Prozent Ältere. Diese zeichnen sich laut Haas vor allem dadurch aus, "dass sie zuverlässig zur Wahl gehen" und dass 2016 bundesweit 52 Prozent, in Florida aber sogar 57 Prozent von ihnen republikanisch gewählt haben. Diese fünf Prozent mehr Trump-Wähler könnten die sinkenden Zahlen bei den Hispanics ausgleichen – und dadurch das Rennen in Florida unter Spannung halten.

Ebenfalls gut für Trump sind die großen ländlichen Gebiete Floridas. Vor allem der ländlich geprägte Nordwest-Zipfel des Staates, wegen seines Aussehens auf der Landkarte "panhandle" (Pfannenstiel) genannt, ist laut Haas "klassisches Republikaner-Gebiet".

Neuer Wahlkreiszuschnitt zum Vorteil der Republikaner

Eine wichtige Rolle für den Ausgang der Wahl könnte auch der Zuschnitt der Wahlkreise spielen. Florida wird seit 2019 von Gouverneur Ron DeSantis regiert, der, wie Experte Haas es formuliert, "an den Rockschößen von Donald Trump ins Amt gekommen" ist. Auch im amerikanischen Senat wird Florida von zwei Republikanern vertreten, seit 2019 von Rick Scott und schon seit 2011 von Marco Rubio.

Das hat unter anderem dazu geführt, dass Florida mit der Covid-19-Epidemie ähnlich umging wie Donald Trump – und mittlerweile als Corona-Hotspot mit hohen Infektionszahlen zu kämpfen hat. Die republikanische Mehrheit hat es außerdem geschafft, in den letzten Jahren Floridas Wahlkreise in ihrem Sinn neu zuzuschneiden.

Eine geschickte Mischung aus Land- und Stadtbevölkerung in einzelnen Wahlkreisen könnte dafür sorgen, dass die – eher demokratisch orientierten – Stadtwähler das Nachsehen im Vergleich zur Landbevölkerung haben, die mehrheitlich Trump wählt. Denn wie im gesamten Land gilt die Devise "the winner takes it all" auch in jedem einzelnen Wahlkreis: Stimmenmehrheit bedeutet immer, dass alle Stimmen dem Sieger zufallen.

Eine Menge Gründe also, den Prognosen für den 3. November mit Vorsicht zu begegnen. Zwar sind nach aktuellen Umfragen die Chancen von Joe Biden weiter gestiegen – doch gerade in "swing states" wie Florida ist der Abstand zwischen Trump und Biden zu knapp, als dass sich daraus zuverlässige Ergebnisse ablesen ließen. "Ohne Florida geht kaum etwas", sagt US-Experte Christoph Haas.

Zweimal hat der Staat Barack Obama mit wichtigen Mehrheiten versorgt – und kippte doch bei der letzten Präsidentenwahl auf die Trump-Seite.

Über den Experten: Der USA-Experte Christoph Haas ist Akademischer Oberrat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
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