Bisweilen hat es den Anschein, als stünde der Präsidentschaftswahlkampf in den USA stellvertretend für das apokalyptische Ringen zwischen Gut und Böse. Hier die demokratische Lichtgestalt Hillary Clinton, dort der Fürst der Finsternis, Donald Trump. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass Clintons Kandidatur selbst dunkle Schatten wirft.

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Die Zweifel an einem US-Präsidenten Donald Trump sind berechtigt. Die Argumente dafür wurden in den vergangenen Monaten auf beiden Seiten des Atlantiks, sowohl in den USA als auch in Europa, zur Genüge dargelegt - und regelmäßig mit neuen Eskapaden, Entgleisungen, Affronts und Skandalen durch Trump selbst befeuert.

In der Sorge vor einem Wahlsieg des rüpelhaften Republikaners wird Hillary Clinton regelrecht als Heilsbringerin glorifiziert, die die Welt vielleicht nicht gleich von allem Übel befreit, so aber doch vor Donald Trump bewahrt. Vor diesem Hintergrund wurde Clintons pikanter Email-Affäre in der Öffentlichkeit auch nicht jene kritische Aufmerksamkeit geschenkt, die sich Trump gerne gewünscht hätte, weil Trump mit einer Art Fettnäpfchen-Bingo viel zu oft selbst davon ablenkte.

Clintons Faible für militärische Muskelspiele

Andererseits ist Clintons Umgang mit sensiblen Mails wohl von Natur aus kein Thema, das in Deutschland die Massen mobilisiert und die Gemüter beunruhigt. Das sollte allerdings für ihren außenpolitischen Kompass durchaus gelten. Zwar wird eine mögliche Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten als wirtschaftlicher und diplomatischer GAU gehandelt. Doch Clintons Nähe zu Militär und Rüstungsindustrie sowie ihr Plädoyer für außenpolitische Muskelspiele, sollten nachdenklich machen.

So viel interventionistische Zurückhaltung und "Appeasement" - also Annäherung statt Aggression - mit der Barack Obama seine Amtszeit prägte, wird es unter Hillary Clinton aller Voraussicht nach nicht mehr geben. Wo Obama auf Basis geheimdienstlicher Informationen den Drohnen-Krieg eskalieren ließ, dürfte Clinton wieder auf eher konventionelle Machtdemonstrationen der USA vor allem im Nahen Osten setzen.

Während ihrer Zeit als Außenministerin unter Barack Obama stand ihr Vali Nasr als Berater für Pakistan und Afghanistan zur Seite. Laut Mark Landler von der "New York Times" nannte Nasr Clinton in einem Atemzug mit den Ex-Präsidenten John F. Kennedy und Ronald Reagan, die ebenfalls auf "die Notwendigkeit des Militärs" setzten, um "Amerikas Interessen in der Welt zu verteidigen".

Neben einer wirren und realitätsfernen Atomkriegsrhetorik, deutete Donald Trump im Wahlkampf an, Amerika und seine Soldaten von den Krisenregionen der Welt fernhalten zu wollen. In den USA werden Kritiker und Befürworter militärischer Interventionen als Tauben (doves) oder Falken (hawks) bezeichnet. "In einem bombastischen und testosterongeladenen Wahlkampf", meint Journalist Landler, "ist Hillary Clinton der einzig verbliebene wahre Falke."

Und das wird nicht ohne Folgen bleiben, wenn sie ins Weiße Haus einzieht, erklärt der Militärexperte Daniel L. Davis im ARD-Magazin "Monitor". Sollte dieser Fall eintreten, ist sich Davis sicher, "werden wir eine wesentliche aggressivere und militarisiertere Außenpolitik der Vereinigten Staaten erleben."

Obama ging Konflikten aus dem Weg, Clinton sucht sie

Wann immer möglich, vermied Obama die Entsendung amerikanischer Soldaten, um die USA von jenem verheerenden Image zu befreien, welches Georg W. Bush dem Land verpasst hatte. Stattdessen vollzog er die Annäherung an den Iran, was unter einer Präsidentin Hillary Clinton niemals denkbar gewesen wäre. Sie plädierte vielmehr für eine härtere Gangart gegenüber Teheran, für eine Verstärkung der Sanktionen, statt einer Lockerung.

Ursprünglich, meint Mark Landler von der "New York Times", habe sich Obama auch ganz aus Syrien heraushalten wollen, später aber zähneknirschend zumindest Waffenlieferungen an die Rebellen zugestimmt - auch auf Druck seiner Außenministerin hin: Hillary Clinton. In ihrer Autobiografie rechtfertigte sie 2014 ihre Haltung diesbezüglich mit den Worten: "Für vertrackte Probleme gibt es selten eine gute Lösung".

Ähnliche Meinungsverschiedenheiten mit Obama soll es auch zu Afghanistan gegeben haben. Obama wollte den vollständigen Abzug aller Truppen, Clinton die Entsendung von noch mehr US-Soldaten.

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Der Irak stürzt ins Chaos

Die völkerrechtswidrige Intervention im Irak 2002 hatte rund die Hälfte der Demokraten im Senat abgelehnt. Clinton hatte für den Einmarsch gestimmt, der den Irak ins Chaos stürzen und den Aufstieg des "Islamischen Staates" fördern würde. In ihrer Autobiografie bezeichnete Clinton ihre Zustimmung für den Irak-Krieg rückblickend als Fehler, aus dem sie ihre Lehren gezogen hätte.

Doch 2011 scheint sich die Geschichte in Libyen wiederholt zu haben. Während in dem nordafrikanischen Land ein Aufstand gegen Diktator Muammar al-Gaddafi tobte, forderte Clinton einmal mehr eine militärische Intervention der USA, was Obama zunächst ablehnte. Doch erneut übte sie erfolgreich Druck auf den Präsidenten aus. Am Ende griffen die USA ein.

Am ersten Tag der Luftoffensive, berichtet das Magazin "Monitor", schrieb Clintons außenpolitische Beraterin an ihre Chefin per Mail: "Den Präsidenten in dieser Frage umgedreht zu haben, ist ein großer Sieg für alles, wofür wir zusammen gearbeitet haben."

Als Ende Oktober 2011 die Bilder von Gaddafis blutiger Leiche um die Welt gingen, lachte Clinton bei einem Interview in die Kamera und sagte in Anspielung auf Julius Cäsars berühmtes Zitat 'Ich kam, ich sah, ich siegte': "Wir kamen, wir sahen, er starb."

Libyen wurde zu einem zweiten Irak. Bis heute regieren in dem Land unzählige Milizen und Warlords, es herrschen Chaos und Anarchie. Libyen gilt als Rückzugsgebiet und Brutstätte des islamistischen Terrors. Obama bezeichnet die amerikanische Intervention später folgerichtig als "größten Fehler meiner Amtszeit".

Clintons Weg führt ins Chaos

Zu dieser Erkenntnis kam Hillary Clinton bislang nicht, im Gegenteil: "Das Grundmuster der Außenpolitik von Hillary Clinton war immer, die Regime zu stürzen und auszuwechseln, die nicht im Interesse der USA agierten", meint Prof. Günter Meyer, Nahost-Experte der Universität Mainz, gegenüber "Monitor". Das sei im Irak der Fall gewesen und auch in Libyen. "Das Ergebnis ist in beiden Fällen ein gescheiterter Staat, Chaos und eine humanitäre Katastrophe", so Meyer.

Neben Überlegungen zu nötigen militärischen Operationen, will Clinton in der Region Regime stärken, von denen nicht wenige Experten behaupten, sie seien nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems - so etwa Saudi-Arabien, das im Jemen selbst Krieg führt und auch seine Interessen im Irak und Syrien mehr oder weniger verdeckt vertritt.

Ein Strategie-Papier mit dem Titel "Ausweitung des amerikanischen Machtbereichs", unterzeichnet von namhaften Clinton-Vertrauten, könnte einen Vorgeschmack darauf geben, was die Welt zu erwarten hat, sollte die Demokratin ins Weiße Haus einziehen.

Das Dossier wurde von der Denkfabrik "Center for a New American Security" erstellt, die nach eigenen Angaben maßgeblich von der US-Rüstungsindustrie finanziert wird.

Als Kernziel des Dossiers wird "die Ausweitung der amerikanischen Macht und der Führung in Asien, Europa und dem erweiterten Nahen Osten" ausgegeben. Dazu sei die "Erhöhung der nationalen Sicherheits- und Verteidigungsausgaben" zwingend notwendig.

Darüber hinaus müsse das Militär auch "neue Übersee-Strategien entwickeln, neue Stützpunkte errichten, um die vorhandenen Kräfte effektiver und langfristiger einsetzen zu können". In einer modernen Welt gebe es "viele Krisen, in denen Washington die Führung übernehmen muss, um den Erfolg zu gewährleisten", wird in dem 17 Seiten langen Dossier unter anderem gefordert.

Clinton-Vertraute verfassen brisantes Dossier

Im Fall von Syrien, heißt es, gebe es "keine politische Lösung". Deshalb müsse man "notwendige militärische Gewalt" anwenden sowie eine bedeutsame Oppositionsgruppe ausbilden und bewaffnen.

Politik-Experte Prof. Jeffrey D. Sachs erklärt, Clinton habe mit vielen der Autoren dieses außenpolitischen Strategie-Papiers zusammengearbeitet. "Sie alle unterstützen Clinton. Diese neokonservative, militarisierte Version von Amerika teilen viele derer, die sie umgeben. Sie wird von diesen Menschen beeinflusst. Und einige von ihnen werden voraussichtlich hochrangige Positionen in der Regierung erhalten."

Leon Panetta, ehemaliger Verteidigungsminister unter Barack Obama, erklärte im April in der "New York Times", Obama habe einige schwierige Entscheidungen getroffen, um Amerikas Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts neu zu definieren. Bislang sei das aber noch nicht wirklich geschehen.

Er hoffe, dass Obama das in seiner restlichen Amtszeit noch gelingen werde. Denn, erklärt Panetta, unter Clinton werde sich die Rolle Amerikas "mit Sicherheit" ändern.

Das mag zutreffen. Allerdings muss man auch "mit Sicherheit" davon ausgehen, dass diese Vision noch mehr für ein Amerika unter Donald Trump gelten wird.

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