In Thüringen sorgt ein politischer Paukenschlag für einen Regierungswechsel. In Erfurt geht es drunter und drüber. Viele empören sich über den wachsenden Einfluss der AfD. Doch die Abwahl Bodo Ramelows hat er in Wahrheit selber zu verantworten.

Dr. Wolfram Weimer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Wolfram Weimer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bei der Empörung über den neuen FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich und die parlamentarischen Hintergründe seiner Wahl gerät der eigentliche Verursacher der Chaos-Tage von Erfurt beinahe aus dem Blick: Bodo Ramelow von den Linken.

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Der Ex-Ministerpräsident hatte Thüringen fünf Jahre lang mit einer rot-rot-grünen Mehrheit geführt. Das fand eine Mehrheit der Thüringer offenbar nicht überzeugend. Denn am 27. Oktober entzogen die Wähler dieser Regierung das Vertrauen. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen wurde abgewählt, die Parlamentsmehrheit war weg, die SPD sackte gar auf einen historischen Tiefstand von 8,2 Prozent, die Grünen schafften es mit Mühe (5,2 Prozent) überhaupt ins Parlament.

Bodo Ramelow hat Wählerstimmen nicht respektiert

Bodo Ramelow hätte diesen Wählerwillen respektieren müssen, zurücktreten oder zumindest eine völlig neue Regierung bilden sollen. Er aber pokerte, um sich und seine rot-rot-grüne Truppe unbedingt an der Macht zu halten. In den vergangenen Tagen verbreitete er siegesgewiss sogar die Kabinettsliste seiner neuen Minderheitsregierung, und die las sich - bis auf die neue Justizministerkandidatin Anne Lücke von den Grünen - ganz wie die alte.

Ramelow setzte darauf, dass die AfD-Stimmen im Parlament einfach unter den Tisch zu fallen hätten. Doch es waren 23,4 Prozent der Wähler, die AfD wurde zweitstärkste Partei - wenn also so viele Menschen in einer Demokratie Protest üben, dann hätte ein ausgleichender Landesvater neue Wege zum Regieren gesucht.

Ramelow hätte der SPD und ihrem ebenso populären wie integren Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee das Ministerpräsidenten-Amt anbieten können. FDP und CDU hätten sich dem kaum entziehen können. Er hätte ein überparteiliches Kabinett aus anerkannten Fachleuten berufen können, er hätte geschäftsführend im Amt bleiben können oder mit der CDU und den Parteien der Mitte eine israelische Lösung mit Amtswechsel zur Mitte der Legislaturperiode vereinbaren können. Doch Ramelow wollte nur eines - krampfhaft mit just diesen abgewählten Genossen im Amt bleiben.

Und so ist die Empörung über den Einfluss der AfD bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich nur die eine Seite der Medaille. Die andere liegt bei Ramelow und seiner Linkspartei, die den Wählerwillen der Thüringer einfach nicht akzeptieren wollten. Das ist vor allem deswegen für Ostdeutsche von großer psychologischer Bedeutung, weil die Linkspartei der unmittelbare Rechtsnachfolger der DDR-SED ist und damit das Stasi-Regime direkt beerbt hat.

Thüringer CDU begrüßt Ramelows Abwahl

So ist es kein Wunder, dass aus der Werte-Union der CDU die Presse-Erklärung kommt, man bewerte es positiv, "dass nun wieder ein Landesvater aus dem freiheitlich-demokratischen Spektrum das Bundesland regiert". Die CDU-Gruppierung "begrüßt es ausdrücklich, dass Bodo Ramelow abgewählt wurde“. Die anhaltenden Versuche, Kemmerichs linksradikalen Gegenkandidaten Bodo Ramelow als 'moderat' oder sogar 'bürgerlich' darzustellen, weise man zurück.

Aus Sicht der Werte-Union handele es sich bei der Linkspartei "nicht nur um die umbenannte SED, sondern darüber hinaus um das derzeit gefährlichste parteipolitische Sammelbecken für Linksextreme". "Die Mauermörderpartei, die mehrfach unbenannte SED, die 40 Jahre lang Menschen unterdrückt, eingesperrt, bespitzelt und ermordet hat, stellt in Deutschland keinen Ministerpräsidenten mehr. Das sollten alle Demokraten in unserem Land freuen", sagte CDU-Werte-Union-Sprecher Ralf Höcker.

Was Höcker nicht sagt, ist, dass auch die CDU sich nicht mit Ruhm bekleckert hat, wenn man sich an Seite der AfD klammheimlich zum Steigbügelhalter für einen FDP-Ministerpräsidenten macht. Auch die FDP fühlt sich gar nicht wohl dabei, ausgerechnet von Gnaden der radikalen Höcke-AfD zur Macht gelangt zu sein.

Und so wirken in dieser Woche alle Parteien der alten Bundesrepublik wie Verlierer der Thüringer Verhältnisse. Das eigentliche Problem liegt freilich darin, dass die beiden extremen Parteien (AfD und Linkspartei) bei der Landtagswahl zusammen 54,4 Prozent der Stimmen erreicht und also eine Mehrheit haben. Die bürgerliche Mitte ist in Thüringen am 27. Oktober 2019 kollabiert - das war das Ergebnis nach fünf Jahren Rot-rot-grün und der Regierung Ramelow. Das parlamentarische Trauer-Nachspiel erleben wir jetzt.

Lesen Sie hier: "Das ist Demokratie!" - die Reaktionen zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen


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