Der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Industrie- und Handelskammertag fordern die Parteien auf, nach der Wahl zügig eine stabile Koalition zu schmieden. Ob das gelingt, ist fraglich. Womöglich steht Deutschland vor einer besonders komplizierten Regierungsbildung.
Kurz vor der Bundestagswahl haben Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften vor Verzögerungen bei der Regierungsbildung gewarnt. "Ich erwarte von den demokratischen Parteien der politischen Mitte, verantwortungsvolle und konstruktive Lösungen zu finden – es gilt, zügig eine stabile Regierung zu bilden", sagte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, dem Nachrichtenportal Politico (Freitag) mit Blick auf die Bundestagswahl am Sonntag. Dabei müssten "die Inhalte in den Mittelpunkt der Debatte".
"Unser Land braucht einen Befreiungsschlag zur Modernisierung des Landes", betonte die DGB-Chefin. Weiter sagte Fahimi sagte, die neue Bundesregierung müsse im Eiltempo eine Investitionsoffensive starten, damit Deutschland in den Bereichen Infrastruktur, Bildung, bezahlbaren Wohnraum und Digitalisierung endlich wieder zukunftsfest werde.
"Darüber hinaus brauchen wir das Versprechen einer sicheren Rente und einen handlungsfähigen Sozialstaat", forderte die DGB-Chefin.
DIHK: Deutschland braucht "handlungsfähige Regierung"
Auch die Wirtschaft setzt auf rasche Gespräche nach der Wahl über eine Koalition. "Wir brauchen nach der Wahl schnell Klarheit", sagte die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Helena Melnikov, dem Portal.
Angesichts der "tiefen strukturellen Krise" der deutschen Wirtschaft sei "eine sattelfeste und handlungsfähige Regierung" gefordert. "Wir können uns deshalb keine lange Hängepartie erlauben", mahnte Melnikov. Das Interesse des Landes müsse "über Parteiinteressen stehen".
Union will Regierung bis Ostern
Auch die Partei mit den besten Chancen auf den Wahlsieg will die Regierungsbildung schnell abschließen: Bei CDU und CSU lautet das Ziel, bis Ostern solle eine neue Bundesregierung geschmiedet sein. Die Feiertage fallen dieses Jahr auf das vorletzte April-Wochenende. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich.
Denn Deutschland steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die SPD als möglicher Koalitionspartner von CDU und CSU steht vor internen Diskussionen, wenn das Ergebnis am Sonntag sehr schlecht ausfallen sollte. Die Sozialdemokraten haben in den vergangenen 27 Jahren nur vier Jahre lang nicht mitregiert, bei manchen von ihnen ist die Sehnsucht nach der Opposition groß.
Außerdem stehen viele in der SPD einem Bundeskanzler Friedrich Merz misstrauisch gegenüber. Verschiedene Sozialdemokraten fordern einen Mitgliederentscheid, sollte sich die SPD wieder für eine Koalition mit der Union entscheiden.
Sollte es auf eine Koalition von CDU/CSU mit den Grünen hinauslaufen, dürften nicht nur die Verhandlungen über die Migrationspolitik schwierig werden. Merz müsste dann vor allem seine eigene Partei von so einem Bündnis überzeugen, das an der Unionsbasis höchst unbeliebt ist.
Kurz vor der Wahl weisen die Umfragen aber auch darauf hin, dass eine schwarz-rote oder schwarz-grüne Koalition vielleicht gar keine Mehrheit im Bundestag hätte. Dann müsste die Parteien eine Dreier-Koalition bilden. Und das dürfte besonders kompliziert werden. (afp/fab)