Statt wie gefordert seine Kampagne gegen den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu beenden, kündigt Viktor Orban in einem Interview weitere Anti-Brüssel-Plakate an – diesmal mit einem neuen "Bösewicht". Kritiker in seiner eigenen europäischen Parteienfamilie, die Orbans Fidesz deshalb aus dem Verbund ausschließen möchten, bezeichnet der ungarische Regierungschef unterdessen als "nützliche Idioten".

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Ungarns rechts-nationale Regierung will ihre umstrittene Plakat-Kampagne gegen den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker "wie geplant" am 15. März beenden - und eine neue gegen dessen Vize, den Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten Frans Timmermans, starten.

"In der nächsten Phase des Wahlkampfs [...] werden Sie einen weiteren Akteur auf den Plakaten sehen: Herrn Timmermans", erklärte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban in einem Interview mit der "Welt am Sonntag".

Seit anderthalb Wochen hängen in ganz Ungarn Plakate, auf denen Juncker und der liberale US-Milliardär ungarischer Herkunft, George Soros, unvorteilhaft abgebildet sind.

Darunter stehen Behauptungen, die suggerieren, die beiden wollten illegale Migration nach Europa fördern. Die EU-Kommission hatte diese Behauptungen mehrfach Punkt für Punkt widerlegt.

Bislang war offiziell nicht bekannt, dass die Budapester Anti-Juncker-Kampagne bis zum 15. März dauern soll. Das Datum war erstmals erwähnt worden, nachdem CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am vergangenen Dienstag den Fidesz-Vizechef und Orban-Vertrauten Gergely Gulyas in Berlin zu einem informellen Gespräch empfangen hatte.

Kritiker in der EVP sind für Orban "nützliche Idioten"

Die Kampagne hatte vor allem in der Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) Empörung ausgelöst. Ihr gehören neben der Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban auch die Unionsparteien CDU und CSU an.

Juncker war als Spitzenkandidat der EVP zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. An die zehn EVP-Mitgliedsparteien verlangen den Ausschluss von Fidesz aus der EVP.

Kramp-Karrenbauer und EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatten die Plakataktion gleichfalls scharf verurteilt, sich aber den Rufen nach einem Fidesz-Ausschluss aus der EVP bisher nicht angeschlossen.

Weber, der nach der Europawahl im Mai Nachfolger von Juncker werden möchte, hatte am Freitag dem "Spiegel" gesagt, dass der Fidesz-Ausschluss als "Option auf dem Tisch" liege.

Seine Gegner in der EVP bezeichnete Orban als "nützliche Idioten" der Linken, die lediglich das Geschäft der Schwächung des konservativen Parteienverbundes betreiben würden. "In Wirklichkeit kommt der Angriff von links, nicht um uns, sondern um die EVP zu schwächen", sagte der rechtskonservative Regierungschef.

Den eventuellen Ausschluss aus der EVP bezeichnete er als "keine rationale Alternative". Ein solcher würde nur den Interessen ihrer Gegner dienen.

Auch Timmermans soll mit Soros abgebildet werden

Der Niederländer Timmermans, den Orban zum nächsten Ziel einer ungarischen Plakat-Kampagne auserkoren hat, ist Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) für den Posten des Kommissionspräsidenten.

In der "Welt am Sonntag" sagte Orban, dass wie Juncker zuvor auch Timmermans auf den Plakaten zusammen mit George Soros abgebildet sein wird, der in Ungarn mittlerweile den Rang eines Staatsfeindes innehat.

Auf den aktuellen Darstellungen mit Juncker wirkt der aus Ungarn stammende Holocaust-Überlebende Soros wie ein dämonischer Einflüsterer des EU-Kommissionschefs.

"Die Rolle von Soros für die europäische Politik kann nicht übergangen werden, und ein jeder hat das Recht darauf zu erfahren, dass Timmermans eingestandenerweise sein Verbündeter ist", behauptete Orban weiter.

Timmermans ist Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für Rechtsstaatlichkeit. Im September hatte das Europaparlament ein Strafverfahren gegen Ungarn wegen der Verletzung von Grundwerten eingeleitet.

Die Abgeordneten kritisierten dabei Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Medienfreiheit und der Rechte von Minderheiten sowie das Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen. (jwo/dpa/afp)  © dpa

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