Die Krise in Venezuela nimmt bedrohliche Züge an: Staatschef Nicolás Maduro schert sich nicht um ein Ultimatum Deutschlands und weiterer EU-Länder, die Neuwahlen fordern. Unterdessen haben mehrere EU-Länder - darunter Deutschland und Österreich - Oppositionsführer Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt.
Im Kampf um die Macht in Venezuela wollen Deutschland und mehrere andere EU-Länder den Parlamentschef
Zuvor war ein Ultimatum von acht EU-Mitgliedsländern verstrichen: Sie hatten den umstrittenen Staatschef Nicolás Maduro aufgefordert, bis zum Wochenende eine faire und freie Neuwahl des Präsidenten anzusetzen.
Deutschland, Spanien, Großbritannien und Österreich anerkennen Guaidó
Nach Spanien, Großbritannien, Österreich und Schweden sowie Frankreich und Dänemark hat auch Deutschland Guaidó als Interimspräsidenten des krisengeschüttelten Landes anerkannt. Das teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Martina Fietz, am Montag in Berlin mit. Berlin hatte zuvor bereits erwogen, den Oppositionsführer zu unterstützen.
Guaidó könne nun als "verantwortlicher Präsident" das Verfahren für die Präsidentenwahl in Gang bringen, schrieb der französische Staatschef Emmanuel Macron am Montag auf Twitter.
"Die Venezolaner haben das Recht, sich frei und demokratisch auszudrücken", erklärte Macron. Frankreich unterstütze in der Übergangsphase die Kontaktgruppe, die gemeinsam mit der EU geschaffen worden sei.
Der dänische Außenminister Anders Samuelsen twitterte, sein Land erkenne Guaidó solange als Übergangspräsidenten an, "bis es eine freie und demokratische Neuwahl gibt".
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte in Madrid, nach dem Ablauf des Ultimatums habe die spanische Regierung den Oppositionsführer nun "offiziell" als Übergangspräsidenten anerkannt. Er forderte Guaidó auf, schnell Neuwahlen auszurufen.
Der britische Außenminister Jeremy Hunt schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, Guaidó solle so lange im Amt bleiben, "bis glaubwürdige Wahlen abgehalten werden können". Österreichs Kanzler Sebastian Kurz schrieb auf Spanisch bei Twitter, sein Land sehe Guaidó ab sofort als legitimen Übergangspräsidenten in Übereinstimmung mit Venezuelas Verfassung an.
Maduro: Ultimatum "eine Frechheit"
Maduro hatte das Ultimatum als "Frechheit" zurückgewiesen. Nur das von der Opposition dominierte Parlament könne neu gewählt werden, meinte er. "Uns interessiert nicht, was Europa sagt", sagte Maduro in dem bereits vor Tagen geführten Interview, das auf dem Sender Antena 3 am Sonntag ausgestrahlt wurde. Der vom Militär protegierte Staatschef wird unter anderem von Russland und China unterstützt.
Venezuela wird seit langem von einer schweren Wirtschaftskrise geplagt - und ist politisch tief gespalten. Am Samstag untermauerten Maduro und Guaidó mit zwei Großkundgebungen in der Hauptstadt Caracas ihren Machtanspruch. "Wir bleiben auf den Straßen, bis es Freiheit, eine Übergangsregierung und Neuwahlen gibt", sagte der selbsternannte Interimspräsident Guaidó unter dem Jubel der Menge. Maduro antwortete vor seinen Anhängern, er denke gar nicht ans Aufgeben. "Ich bin der wahre Präsident Venezuelas. Und wir werden weiter regieren", rief er. Die Militärführung und der Sicherheitsapparat stehen zu ihm - auch wenn ein General am Wochenende überlief.
Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos
Obwohl Venezuela über die größten bekannten Erdölreserven weltweit verfügt, fehlen inzwischen Lebensmittel und Medikamente. Hyperinflation macht Bargeld faktisch wertlos. Etwa drei Millionen Menschen sind bereits ins Ausland geflüchtet. Regierungskritiker werden inhaftiert, Korruption ist weit verbreitet, Gewaltkriminalität grassiert. Die krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich destabilisieren Staat und Gesellschaft zusätzlich.
US-Präsident Donald Trump bekräftigte erneut, ein militärisches Eingreifen der USA in Venezuela sei nicht auszuschließen. Auf die Frage, was passieren müsste, damit die USA in Venezuela militärisch aktiv würden, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des Senders CBS: "Ich möchte das nicht sagen. Aber es ist sicherlich etwas, das auf dem - es ist eine Option." Trump und Mitglieder seiner Regierung hatten zuvor mehrfach erklärt, "alle Optionen" lägen auf dem Tisch.
Maduro warnte vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Zuvor hatte er mit Blick auf die USA auch von einem möglichen "Vietnam"-Szenario in Südamerika gesprochen. "Alles hängt vom Grad der Verrücktheit und der Aggressivität des Imperiums des Nordens und von dessen westlichen Verbündeten ab", sagte er in einem Interview des spanischen Fernsehsenders La Sexta.
Noch keine einheitliche Linie der EU
Guaidó ist der Präsident des von der Opposition kontrollierten, aber von Maduro entmachteten Parlaments. Er erklärte sich am 23. Januar zum Übergangsstaatschef und argumentiert, Maduros Wiederwahl im vergangenen Mai habe demokratischen Standards nicht genügt. Dieser Meinung sind auch die deutsche und zahlreiche anderen Regierungen.
Die EU hat bisher keine einheitliche Linie zu Venezuela. Doch wurde die Gründung einer Kontaktgruppe angekündigt. Diese soll helfen, die Krise durch freie Wahlen zu beenden. Kommenden Donnerstag werde die Gruppe erstmals in Uruguay mit lateinamerikanischen Ländern beraten, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag mit. (hub/szu/ank/dpa/afp)
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