Ende der Faschingszeit bedeutet in Bayern traditionell Beginn des verbalen Abwatschens. Alle großen Parteien teilen am Politischen Aschermittwoch gegeneinander aus. Den größten Zulauf hat – auch ganz Bayern – die CSU.

Eine Reportage
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Eindrücke und Einschätzungen von Thomas Eldersch. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Nebel liegt über der Stadt, in der Ilz, Inn und Donau zusammentreffen. Während im restlichen Land die Menschen noch ihren Faschingsrausch ausschlafen oder ihre Kamelle zählen, herrscht früh am Morgen Trubel in Passau. Für mehrere hundert Menschen beginnt erst heute das Highlight der fünften Jahreszeit. Die CSU hat zum Politischen Aschermittwoch in die Dreiländerhalle geladen.

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Politischer Aschermittwoch der CSU zwischen Bierzeltatmosphäre und Ampel-Bashing

Dicht gedrängt scharen sich Frauen im Dirndl und Männer im Trachtenjanker, CSU-Schal und Franz-Josef-Strauß-Button am Revers vor der Halle im Süden der Stadt. Volksfeststimmung. Ganz am Rand – hinter einer Straßensperre der Polizei versteckt – haben sich ein paar Landwirte mit ihren Traktoren versammelt. Die Ampel muss weg, steht auf den Schildern. Da sind sich Bauern und CSU-Fans einig.

Nach der Sicherheitskontrolle geht es weiter mit der bayerischen Gemütlichkeit. Eine Bierbank reiht sich an die andere. Blasmusik begrüßt die hereinströmenden Gäste. Zwischen den Reihen zieht ein Mann seine Kreise. Er trägt ein Schild vor sich her, wie ein Messdiener das Kreuz in der Kirche. Seine Botschaft: "Ampel = Deindustrialisierung + Wohlstandsverlust muss weg!" Wohlgesonnen wird ihm zugenickt. Andere kramen selbst Schilder hervor, um ihrerseits Kritik an der Regierung in Berlin zu üben.

Die Veranstaltung platzt förmlich vor Tradition und bayerischer Kultur. Erfunden hat die CSU den Politischen Aschermittwoch zwar nicht. Laut dem historischen Lexikon Bayern fand der erste bereits 1919 statt. Aber jeder im Saal würde wohl behaupten, so richtig los ging es erst 1953 mit Franz-Josef-Strauß. Seine Rededuelle mit der damals noch vergleichsweise starken Bayernpartei (BP) gelten als legendär.

Ohnehin ist Strauß in der Dreiländerhalle allgegenwärtig. Neben den bereits erwähnten Buttons mit dem Konterfei des CSU-Granden – an Söders Janker prangt er übrigens auch – findet man sein Gesicht auf Jacken, T-Shirts und Taschen. In einem kurzen Video zu Beginn der Veranstaltung, in dem es um die Geschichte des Politischen Aschermittwochs geht, ist die CSU-Lichtgestalt ständig zu sehen.

Mann mit Franz-Josef Strauß auf der Jacke
Die CSU-Ikone Franz-Josef Strauß war auf dem politischen Aschermittwoch der CSU überall zu finden. © picture alliance/SVEN SIMON/Frank Hoermann

Mit seinen Redeschlachten mit seinem politischen Widersacher Josef Baumgartner (BP) im etwa 20 Kilometer entfernten Vilshofen an der Donau legte er den Grundstein des heutigen Politischen Aschermittwochs. Aber erst der Umzug der CSU nach Passau, in die inzwischen abgerissene Nibelungenhalle, machte aus der Veranstaltung ein politisches Event. Den freigewordenen Platz in Vilshofen übernahm die SPD, die, wie es im Lexikon heißt, "sich seither als Wahrerin der ursprünglichen Aschermittwochs-Tradition" versteht.

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Gespanntes Warten auf den CSU-Chef Markus Söder

Zurück in der Dreiländerhalle läuten Tanja Schorer-Dremel, stellvertretende CSU-Generalsekretärin und TV-Moderator Ralf Exel mit einer Stimmungsabfrage die Veranstaltung ein. Fans aus den bayerischen Regierungsbezirken werden aufgefordert, lautstark ihre Anwesenheit kundzutun. Als das Herzland der CSU, Niederbayern, aufgerufen wird, wackeln die Wände. Anschließend klappern Schorer-Dremel und Exel die politische Prominenz im Saal ab. In einem knappen Statement kontert CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek indirekt die SPD-Aussage aus dem Lexikon. "Das Original des Politischen Aschermittwochs gibt es von Strauß bis Söder nur von der CSU."

Nach ihrer Runde erscheint ein Countdown auf der Leinwand, die mittig über der ebenfalls mit Biertischen voll gestellten Bühne, angebracht wurde. Als die Uhr auf null springt, setzt Marschmusik ein. Über ein aufbrandendes Klatschen und Grölen schreit Moderator Exel noch: „Und hier ist er, Dr. Markus Söder!“ Umringt von zahlreichen Fans, denen der bayerische Ministerpräsident fleißig die Hände schüttelt, bahnt er sich seinen Weg zur Bühne, wie ein Boxer vor seinem großen Kampf.

Politischer Aschermittwoch der CSU
Viele Gäste des politischen Aschermittwochs der CSU zeigten auf Schildern deutlich ihren Unmut über die Ampel-Regierung. © picture alliance/dpa/Peter Kneffel

Auftaktredner ist allerdings CSU-Generalsekretär Martin Huber. Er eröffnet den "größten Stammtisch der Welt“ und spart nicht an Seitenhieben gegen die anderen Parteien, die ebenfalls in Niederbayern ihren Politischen Aschermittwoch abhalten. Dort fänden nur "Stuhlkreise und Selbsthilfegruppen" statt, blafft Huber. Besonders laut wird es, als er auf die Grünen zu sprechen kommt, die sich in der Bezirkshauptstadt Landshut aufhalten. Söder wird später noch ihre Einwohner bemitleiden, dass sie es mit den Grünen aushalten müssen. Aber zuvor teilt Huber noch gegen die AfD aus. Die Halle bebt. Nur getoppt wird die Lautstärke, als der Chef selbst die Bühne betritt.

Lässig aufs Rednerpult gestützt, begrüßt der bayerische Ministerpräsident die "Ampel- und Wokeness-freie-Zone" in Passau und fordert unter lautstarkem Beifall Neuwahlen. Nur um danach noch einmal klar festzuhalten, dass es in Bayern und im Bund kein Schwarz-Grün geben wird. Anders klang das noch vor einigen Tagen, vom Chef der Schwesterpartei CDU, Friedrich Merz. Dass die Union im Bund wohl kaum allein regieren kann, spielt heute hier in Passau keine Rolle.

Grundsätzlich entsteht an diesem grauen Februartag leicht der Eindruck, Bayern gehöre gar nicht wirklich zu Deutschland, nach dem Motto, Bayern ohne Deutschland geht, andersrum ist nicht. Beispielsweise ziehe es die Menschen nur deshalb zum Oktoberfest, weil sie sich einmal als Bayer fühlen wollen, mutmaßt Söder. Der Landeschef träumt sogar von einer bayerischen Flagge auf dem Mond – "nicht einer deutschen", wie er betont. Söders Worte sind Balsam für die bayerischen Seelen im Saal oder wie es häufig auf dem Aschermittwoch heißt, Balsam für die "bayerische DNA".

Dem Publikum ist es auch egal, ob Söder Unwahrheiten über angebliche Fleischverbote und Genderzwänge postuliert, er schwimmt auf einer Woge der Zustimmung. Die "Südkurve der CSU", wie die Veranstaltung auch genannt wird, feiert ihn wie einen Popstar. Besonders laut knallen die Bierkrüge gegeneinander, als Söder ein drogenfreies Bayern propagiert. Ironie kann man in Bayern.

Rund eine dreiviertel Stunde dauert der Rundumschlag gegen Ampel, Freie Wähler, AfD und Co. Traditionell endet die Rede des Ministerpräsidenten mit dem heiligen Mantra: "Gott schütze Bayern, Gott schütze die CSU." Und unter "Oh, wie ist das schön"-Gesängen verlässt Söder die Bühne, ohne nicht noch vorher ein Selfie mit grölender Menge im Hintergrund zu machen – ganz nach dem CSU-Motto "Näher am Menschen".

Politischer Aschermittwoch CSU
CSU Anhänger feiern Markus Söder nach seiner Rede und schwenken Schals. © picture alliance/SVEN SIMON/Frank Hoermann

Die CSU will auch in Europa eine größere Rolle spielen

Als nach ihm Manfred Weber, der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), die Bühne betritt, nutzen viele leicht angetrunkene CSU-Anhänger die Gelegenheit, um Platz für neues Bier zu schaffen. So viel zur Fastenzeit.

Derweil wird Weber ernst. Spricht von Klimawandel, Krieg in der Ukraine und Rechtsradikalismus. Die aufgeheizte Bierzeltstimmung kühlt etwas ab, der Beifall ist dennoch groß. Denn Weber prophezeit, dass es nach der Europawahl im Juni, mehr als fünf von 705 Abgeordnete aus Bayern im EU-Parlament geben wird. Auch auf EU-Ebene sieht Weber die Zeit gekommen, dass die EVP, sprich die Union, das Sagen hat. "Vielleicht findet vor der EU-Wahl auch noch eine Bundestagswahl statt", setzt er noch den obligatorischen Stich ins Ampelherz.

Zum Schluss versammeln sich noch einmal alle Redner auf der Bühne. Wie Schauspieler nach einem Stück wird die Darbietung mit Klatschen und stehenden Ovationen belohnt. Und während die ersten CSU-Anhänger zufrieden den Saal verlassen, bildet sich bereits eine Menschentraube vor der Bühne. Autogramm- und Selfie-Jäger kommen jetzt zum Zug.

Nach knapp zweieinhalb Stunden ist Schluss. Die CSU-Politprominenz macht sich wieder auf den Weg in die bayerische Landeshauptstadt. Zurück bleiben befriedigte Christsoziale. Für sie ist klar, in zwei Jahren regiert in Berlin wieder schwarz und bayerische Interessen werden dann auch wieder gehört. Sollte man sich dann jedoch die Grünen mit ins Boot holen müssen, wird der Empfang für Markus Söder in Passau sicher nicht mehr so herzlich sein.

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