- Die Nato ist zurück: Beim ersten Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden sendet die Militärallianz klare Botschaften in Richtung Russland und China.
- Hinter der Kulissen gibt es allerdings weiter viel Ärger.
Austrittsdrohungen, Alleingänge und verbale Angriffe auf Bündnispartner: Für die Nato waren die vergangenen vier Jahre eine Schreckenszeit. Wie nie jemand zuvor weckte US-Präsident Donald Trump Zweifel daran, ob das 1949 gegründete transatlantische Verteidigungsbündnis eine Zukunft hat. Ohne Rücksicht auf die Folgen stellte er beispielsweise in Frage, ob die USA im Ernstfall ihrer Verpflichtung zum militärischen Beistand nachkommen würden. Für ein Bündnis, das auf Abschreckung durch kollektive Verteidigung setzt, ein Super-Gau.
Beim ersten Gipfel mit Trumps Nachfolger
Biden: "Russland und China versuchen, einen Keil in unsere transatlantische Solidarität zu treiben"
Beide Botschaften richteten sich vor allem an die Adresse von Russland und China. Diese beiden Länder stellen neben dem internationalen Terrorismus aus Nato-Sicht derzeit die größte Bedrohung für die Sicherheit im euro-atlantischen Raum dar. Biden sagte in Brüssel: "Russland und China versuchen beide, einen Keil in unsere transatlantische Solidarität zu treiben."
Stoltenberg sagte nach dem Gipfel, die Staats- und Regierungschefs seien sich einig gewesen, dass die "transatlantische Familie" zusammenstehen müsse - ganz besonders in einer Zeit, "in der autoritäre Regime wie Russland und China die auf Regeln basierende internationale Ordnung herausfordern". Die Bündnispartner hätten die Beratungen mit Biden vor dessen Gipfel mit Kremlchef
Auch wenn Stoltenberg die Geschlossenheit der mittlerweile 30 Nato-Staaten betont: Weiterhin gibt es zahlreiche Streitigkeiten hinter den Kulissen und neue Alleingänge von Bündnispartnern. Biden unterstreicht zwar seit seinem Amtsantritt den Zusammenhalt mit den Verbündeten. Dass er im Zweifelsfall aber auch alleine und gegen eindringliche Warnungen von Bündnispartnern entscheidet, hat er im Fall des Afghanistan-Einsatzes bewiesen.
Im April verkündete Biden den bedingungslosen Abzug der US-Soldaten bis spätestens zum 11. September - wissend, dass das auch das Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan bedeuten würde. Die Bundesregierung wollte das Ende des Nato-Einsatzes eigentlich vom Erfolg der Friedensverhandlungen zwischen Taliban und Regierung in Kabul abhängig machen. Unklar ist, ob sich die afghanische Regierung nach dem Truppenabzug überhaupt halten kann - ein bitteres Ergebnis nach fast zwei Jahrzehnten militärischem Engagement.
Türkei bleibt Sorgernkind der Nato
Ein Sorgenkind der Nato bleibt die Türkei. Biden kam am Rande des Nato-Gipfels mit Präsident Recep Tayyip Erdogan zusammen. Hinter verschlossenen Türen sollte dabei auch um das russische S-400-Raketenabwehrsystem gehen, das Erdogan trotz vehementer Proteste der USA und der Nato beschafft hat. Aus Sicht Washingtons gefährdet der Einsatz des Systems die Sicherheit von US-Soldaten und von amerikanischer Militärtechnologie. Noch unter Trump schlossen die USA die Türkei wegen des Rüstungsdeals mit Moskau aus dem F-35-Kampfjet-Programm aus und verhängten Sanktionen.
Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sprach vor dem bilateralen Gespräch diplomatisch von "Herausforderungen in unserem Verhältnis, einschließlich Fragen der Menschenrechte". Noch als Kandidat hatte Biden einen härteren Kurs gegenüber Erdogan angekündigt. In einem Interview der "New York Times" nannte Biden den türkischen Präsidenten damals einen "Autokraten", der einen Preis für sein Verhalten zahlen werde.
Nicht nur die Türkei, auch Nato-Mitgliedstaaten wie Polen und Ungarn sind mit schweren Vorwürfen hinsichtlich der Einhaltung gemeinsamer Werte wie der Rechtsstaatlichkeit konfrontiert. Das Bündnis muss sich deshalb fragen, wie es von anderen Staaten die Einhaltung von Werten verlangen kann.
Das spielt gerade auch im Umgang mit China eine bedeutende Rolle. Gegenüber der Volksrepublik wird das Militärbündnis auf Druck der USA hin künftig einen deutlich härteren Kurs einschlagen. "Der wachsende Einfluss Chinas und seine internationale Politik können Herausforderungen bergen, die wir als Bündnis gemeinsam angehen müssen", heißt es in der Abschlusserklärung. Erstmals wird das Land auch von der Nato geschlossen aufgerufen, seine "internationalen Verpflichtungen einzuhalten" und der "Rolle als Großmacht" gerecht zu werden.
Niemand legt Veto gegen deutliche Verschärfung des Kurses gegen China ein
Viele europäische Bündnispartner sehen die verstärkte Konzentration des Militärbündnisses auf die Volksrepublik skeptisch - auch weil sie fürchten, dass dadurch die wichtigen wirtschaftlichen Beziehungen zu dem riesigen Land gefährdet werden könnten. Kanzlerin Angela Merkel warnte nach dem Gipfel davor, die Bedrohung durch China überzubewerten. "China ist Rivale in vielen Fragen. Und China ist gleichzeitig auch Partner für viele Fragen."
Am Ende wollte allerdings niemand ein Veto gegen eine deutliche Verschärfung des Kurses gegen China einlegen. Als Land, das jährlich immer noch mehr als doppelt so viel Geld für Verteidigung ausgibt wie alle anderen Bündnispartner zusammen, haben die Vereinigten Staaten in der Nato in der Regel das letzte Wort.
Für die meisten Bündnispartner dürfte allerdings gelten, dass sie erleichtert sind, dass das letzte Wort künftig nicht mehr von Trump kommt. Merkel sagte: "Es ist der erste Nato-Gipfel mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden und wir freuen uns natürlich auf unsere Zusammenarbeit." (Ansgar Haase/Can Merey/dpa/ash)
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