Unter dem Deckmantel der Satire kritisiert ein Video die deutsche Ukraine-Hilfe. Angeblich soll es von der AfD stammen, doch die Partei dementiert. Mehrere der Schauspieler sind aus Russland. Was steckt dahinter?

Es klingelt. Ein kleiner Junge mit Plüsch-Leopard unterm Arm macht die Tür auf. Draußen steht eine Gruppe Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Sie plündern das Haus, während im Hintergrund eine Rede von Olaf Scholz läuft. Nach getaner Arbeit hängt eine der Soldatinnen ein Porträt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an die Wand und ruft "Heil Selenskyj!" Mit breitem Grinsen nimmt sie dem Jungen anschließend sein Stofftier ab. Eingeblendet die Botschaft: "Mehr als 22 Milliarden Euro sind bereits seit Anfang 2022 aus dem deutschen Haushalt an die Ukraine geflossen."

Dieses Propagandavideo verbreitete sich Ende Juli und im August in sozialen Netzwerken. Es richtet sich gegen die Nato und Deutschlands Unterstützung für die Ukraine. In russischsprachigen Beiträgen dazu heißt es, das Video stamme von der AfD. Tatsächlich fällt die rechtspopulistische Partei immer wieder durch ihre Nähe zur russischen Regierung auf. Eine prorussische Desinformationskampagne bewarb außerdem Inhalte von AfD-Mitgliedern. Doch die Partei dementiert, Urheberin des Videos zu sein.

Hinweise aus dem Video deuten auf einen anderen Ursprung hin: Laut einem Journalisten könnte der Staatssender RT dafür verantwortlich sein.

Video ist nicht von der AfD

"Die Alternative für Deutschland ist nicht die Urheberin des Videos", schreibt uns die Pressestelle der Partei auf Nachfrage. Dafür, dass die Partei nichts mit dem Video zu tun hat, spricht auch, dass wir in verschiedenen sozialen Netzwerken kein AfD-Profil finden konnten, das das Video teilte. Russische Profile hingegen verbreiteten es von Anfang an.

Der früheste Beitrag mit dem Video, den wir finden konnten, stammt vom ehemaligen Leiter der russischen Raumfahrtorganisation Roskosmos, Dmitri Rogosin. Der Politiker und Putin-Vertraute teilte es auf dem russischen sozialen Netzwerk VKontake kurz nach Mitternacht am 26. Juli. Auch RT teilte es auf seinem offiziellen russischsprachigen Telegram-Kanal – der in Deutschland blockiert ist. Später teilte es unter anderem der Kanal "Ru News 24" mit der Behauptung, es stamme von der AfD.

Journalist Mark Krutov fand heraus, dass die Darstellenden im Video aus Russland stammen.
 Der Journalist Mark Krutov fand heraus, dass die Darstellenden im Video aus Russland stammen. © Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck

Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen zum Krieg in der Ukraine im Live-Ticker

Darstellende des Propagandavideos sind russisch

Mehrere Darstellerinnen und Darsteller im Video sind russisch, wie Radio Free Europe / Radio Liberty herausfand und wir unabhängig überprüfen konnten. Der Vater des Jungen im Video wird von Valentin Vorobyov, die Mutter von Julia Konyukhova gespielt – laut ihren Profilen auf einer Plattform für Schauspielende sprechen beide Deutsch und leben in Moskau.

Auch eine Soldatin und ein Soldat im Video werden von zwei russischen Darstellenden gespielt: Julia Mandryka und Igor Alekseyev. Letzterer war vor seiner Schauspieler-Karriere selbst Soldat – allerdings in der russischen Armee – wie auf seinem Instagram-Profil zu sehen ist.

Die Häuserreihe, die am Anfang des Videos zu sehen ist, zeigt außerdem dieselbe Szene wie ein Foto einer Bild-Agentur von 2017, wie Journalisten von T-Online berichteten. Es zeigt eine Straße in Rhodt unter Rietburg in Rheinland-Pfalz.

Der Faktenchecker Ilja Ber fand außerdem einen Instagram-Beitrag von Konyukhova mit dem Video, in dem sie schrieb, dass ihr Sohn darin mitgespielt habe und es sich um eine Produktion von RT handele. Der Beitrag ist nicht mehr abrufbar, deshalb konnten wir die Echtheit des Screenshots nicht unabhängig überprüfen.

Auch beim russischen Publikum scheint kein Zweifel darin zu bestehen, woher das Video stammt: "Ein Video […] verbreitet sich in rasantem Tempo. Super! Ich applaudiere unseren kreativen Propagandisten", heißt es in einem Blog-Beitrag auf Russisch. Ein anderer Nutzer schreibt im sozialen Netzwerk Vkontakte: "Das passiert, wenn Profis anfangen, Propaganda zu machen, ein tolles Video. Jetzt wäre es besser, es im deutschen Teil der sozialen Netzwerke zu verteilen."

Mehr News zum Krieg in der Ukraine

CORRECTIV ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und vielfach ausgezeichnetes Recherchezentrum. Die investigativen Journalisten recherchieren langfristig zu Missständen in der Gesellschaft, wie dem Cum-Ex-Steuerraub oder illegaler Parteifinanzierung.
Eine eigene Faktencheck-Redaktion - CORRECTIV.Faktencheck - überprüft irreführende Behauptungen und Gerüchte in den sozialen Medien. Die Faktenchecker erklären, wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschmeldungen schützen können.
Immer freitags erhalten Sie die neuesten Faktenchecks zu Gerüchten im Netz direkt in Ihr Postfach: Abonnieren Sie hier den CORRECTIV Newsletter.
Wenn Sie auf mögliche Falschmeldungen oder Gerüchte stoßen, können Sie diese CORRECTIV.Faktencheck zur Überprüfung schicken — entweder über den CrowdNewsroom oder über WhatsApp an die +49-151-17535184.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.