Sahra Wagenknecht nutzte den Auftritt bei Sandra Maischberger, um Werbung für ihre geplante Partei zu machen. Die Gastgeberin blieb dabei überraschend handzahm. Den größten Unterhaltungswert bot ein Journalist durch seine witzige Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

Bund und Länder wollen die irreguläre Migration nach Deutschland reduzieren. Aber kann der Kompromiss, den Bundeskanzler Olaf Scholz nach der großen Bund-Länder-Koalition am Wochenanfang verkündete, da wirklich weiterhelfen? Weiteres Thema bei Maischberger war der Krieg zwischen Israel und der Hamas. Zum einen ging es um das umstrittene Vorgehen Israels im Gazastreifen, dann berichtete eine Angehörige einer in den Gazastreifen entführten Geisel über das Schicksal ihrer Schwester. Am Ende der Sendung erklärte Sahra Wagenknecht ihre Pläne mit ihrer geplanten Partei, die noch ein Verein ist und derzeit den Namen "Bündnis Sahra Wagenknecht" trägt.

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Das waren die Gäste

  • Theo Koll: Der ZDF-Journalist sagte, dass der Asylkompromiss wahrscheinlich kaum Auswirkungen auf die Anzahl der Zuwanderer haben wird. Koll will zudem festgestellt haben, dass sich "die Grenze der Humanität" im Land immer weiter verschiebt. Das war seine Antwort auf eine Frage nach dem CDU-Politiker Jens Spahn. Der hatte kürzlich gesagt, dass "irreguläre Migrationsbewegungen" gegebenenfalls "mit physischer Gewalt" aufgehalten werden müssten - was auf scharfe Kritik gestoßen war.
    Im Gaza-Krieg sah Koll Israel in einem Dilemma. Eine humanitäre Waffenruhe würde der Hamas helfen, sich neu zu gruppieren. Es gebe daher "keine Chance, als Hamas jetzt zu bekämpfen".
  • Katharina Hamberger: Auch die Deutschlandfunk-Journalistin sagte, dass beim Asylkompromiss Dinge vereinbart worden seien, "die im Konkreten erstmal nichts bringen werden". Sie erwartet beispielsweise kaum mehr Abschiebungen als bisher. Die Zurückweisung an der Grenze sei nicht einfach so möglich, weil "die Leute Rechte haben" und das beinhalte auch bestimmte Verfahren. Kritik übte sie an einer Aussage in dem zuletzt viral gegangenen Video von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Darin hatte er Muslime proaktiv aufgefordert, sich vom Terror der Hamas zu distanzieren. Das ging in den Augen Hambergers zu weit, sie sah darin eine Art Generalverdacht von Muslimen als Terrorsympathisanten. Solche Distanzierungsforderungen würden bei vielen zu "Frust" führen, warnte sie.
  • Christoph Schwennicke: Der Journalist des Portals t-online war vom Asylkompromiss ebenfalls nicht ganz überzeugt. Die größere Aufgabe sei es, "das Vorher" zu regeln, also die Leute überhaupt erst von der Einreise nach Deutschland abzuhalten. Das geschieht durch die geplanten Asylzentren aber eher auf EU-Ebene, der deutsche Kompromiss regele eher das "Hinterher". Schwennicke fiel bei Maischberger durch seine pointierten Analysen auf. Er machte sich etwa über Scholz' Bezeichnung des Kompromisses als "sehr historisch" lustig. Überhaupt neige Scholz dazu, seine eigenen Leistungen sprachlich besonders hervorzuheben. Siehe Bazooka, Wumms und Doppel-Wumms. Später bescheinigte er den Grünen, "Dehnübungen" zu machen, weil die Parteispitze bei der Einwanderungsthematik teils von ihren alten linken Positionen abrücken musste.
  • Cem Özdemir: Der Bundeslandwirtschaftsminister (Grüne) lobte den Asylkompromiss zwischen Bund und Ländern. Er sei froh, dass in Deutschland keine amerikanischen Verhältnisse herrschen, wo die Menschen nicht mehr miteinander reden. Man müsse die Lage bei der Zuwanderung "wieder in den Griff bekommen", so der frühere Grünen-Chef. Deutschland sollte Einwanderern künftig deutlicher klarmachen, dass hier das Grundgesetz gilt und kein Parallelgesetz. Außerdem erwartet er, "dass man mit islamischen Dachverbänden nicht Hanni und Nanni macht", sondern sie stärker in die Pflicht nimmt, mehr für Integration zu tun. Aber auch Lehrer sollten beispielsweise bei antisemitischen Aussagen und Symbolen genauer hinsehen und Probleme klar benennen.
  • Sahra Wagenknecht: Die parteilose Bundestagsabgeordnete äußerte sich bei Maischberger zur Zukunft ihrer geplanten Parteineugründung. Wagenknecht will, "dass Vernunft in die Politik zurückkehrt". Sie strebt eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit an und vertritt einen harten Kurs in der Einwanderungsfrage. Sozialpolitisch eher links, in der Asylpolitik eher rechts.
    Zu ihrer Enttäuschung wurde beim Asylkompromiss der Regierung mit den Ländern viel zu wenig beschlossen, um die Zuwanderung konkret zu bremsen. "Dass man die Zahlen reduziert, da ist fast gar nichts passiert", kritisierte sie und wiederholte ihr Anti-Merkel-Zitat: "Wir schaffen das nicht".
    In einem rasanten Ritt durch ein mögliches Parteiprogramm bezog Wagenknecht Stellung, wo sie politisch steht: Unterstützung Israels, aber auch Kritik am Vorgehen in Gaza, kein Verbot der AfD (damit könne man rechte Positionen in der Gesellschaft nicht bekämpfen), kein Austritt aus EU und Nato. Weil man Institutionen, so Wagenknecht, besser von innen verändern könne. Auch beim Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen hob sie den Daumen, bei der Legalisierung von Cannabis kam das "ja" deutlich schneller. Genau wie die Ablehnung der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" ("kleines radikales Milieu").
    Schließlich hakte Maischberger nach, wie sie "Spinner und Extremisten", wie sie Wagenknecht selbst genannt hatte, vom Eintritt in ihr Bündnis abhalten wolle. Dafür gebe es im Parteienrecht Möglichkeiten, antwortete die langjährige Linken-Politikerin, blieb diesbezüglich aber eher vage. Forderungen, ihr Bundestagsmandat zurückzugeben, erteilte sie eine Absage.

Das war der Moment des Abends

Roni Romanns Schwester wurde in den Gazastreifen entführt. Ihr Schwager und sein Kind konnten gerade noch entkommen. Die 25 Jahre alte Israelin war live aus Tel Aviv zugeschaltet und berichtete mit bewegenden Worten vom Schicksal ihrer Angehörigen. Sie hat bisher "rein nichts von meiner Schwester gehört" und betet dafür, dass die israelische Regierung alles tut, um die Menschen lebend zurückzuholen. "Die Zeit rinnt uns nur so durch die Finger", sagte Romann, die deutsche Vorfahren hat, aber "meine Hoffnung lebt weiter".

Die Israelin appellierte an Deutschland, alles zu tun, um bei der Befreiung der Geiseln zu helfen – was ihr Regierungsmitglied Özdemir auch versicherte. Romann wird deswegen noch einmal nach Deutschland zurückkehren, um hier weiter auf das Schicksal der Verschleppten aufmerksam zu machen. Von der Hamas forderte sie, endlich ein Lebenszeichen der Geiseln zu senden. "Das ist das Mindeste", sagte die verzweifelte junge Frau.

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So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Die etwas heisere Gastgeberin musste ihre Stimme in einer an Aufregern armen Sendung nur bei Cem Özdemir etwas strapazieren. Sie wollte bei ihm eine Mitverantwortung der Grünen für Fehler in der Einwanderungspolitik herauskitzeln. Das wies der Schwabe verärgert zurück und fragte Maischberger, wie viele Jahre die Grünen auf Bundesebene mitregiert und wie viele sie den deutschen Innenminister gestellt hätten? Beim zweiten Punkt lautete die Antwort: null. "Ich verstehe, Sie haben nichts falsch gemacht", antwortete Maischberger mit einer Prise Sarkasmus.

Später leistete sie sich einen Patzer, als sie Theo Koll nach der ideologischen Ausrichtung der Wagenknecht-Partei fragte. Ob diese "national und sozialistisch" sei, wollte die Gastgeberin wissen. Das klang natürlich arg nach einer Anspielung auf die Hitler-Partei NSDAP, die nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands. Gut, dass Koll darauf nicht weiter einging.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Fazit

Der Dienstagstalk von Maischberger blieb ohne Höhepunkte oder die ganz großen Erkenntnisse. Allein Christoph Schwennicke sorgte durch seine unterhaltsame Kanzler-Kritik für ein paar rhetorische Highlights. Ansonsten waren die drei Kommentatoren (Schwennicke, Hamberger, Koll) bei vielen Themen ähnlicher Ansicht, was einer Talkshow selten guttut. Auch der Auftritt Sahra Wagenknechts blieb dieses Mal ohne Aufreger – Maischberger ging mit ihr so zahm um, wie es beim Talkkollegen Markus Lanz im ZDF unvorstellbar wäre.

Sogar der eher konservative Schwennicke lobte sie als eine "politische Ausnahmeerscheinung in Deutschland" und eine "Ausnahmepolitikerin". Er hat bei ihrem Projekt nur Bedenken, weil ihr die große integrative Kraft fehle, um eine Partei aufzubauen. Für das organisatorische Talent sollen ja auch andere sorgen, Wagenknecht sieht sich eher als Ideengeberin und Rampensau, die mit ihren Mitstreitern bei den Landtagswahlen im Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im kommenden Jahr antreten will. Und besonders der AfD viele Stimmen abnehmen könnte.

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