Fast noch brutaler als das Wahlergebnis in Bayern fällt die Nachbesprechung bei "Maischberger" für Union und SPD aus. Ein SPD-Linker zählt Andrea Nahles an, ein ARD-Urgestein sieht Merkel schon zu Plan B greifen.
Alte Schulhofregel: Man tritt niemanden, der eh schon am Boden liegt. Im "
Munter diskutierte die Runde über die Parallelen zwischen dem "ewigen Jogi"
Das war das Thema bei Sandra Maischberger
Wer nicht ganz pünktlich eingeschaltet hatte, muss sich in der "Sportschau" gewähnt haben: Da dozierte Sky-Moderatorin Jessica Libbertz plötzlich ausführlich über die Konsequenzen, die der Schweizer Fußballverband aus der "Doppeladler"-Affäre gezogen hat. Wie bitte? Ja, und es hatte Hand und Fuß, wenn auch trotz, nicht wegen der Gesprächsführung der Gastgeberin.
"Watschn für die Volksparteien: Wer braucht noch Union und SPD?" – dieses Thema wollte Sandra Maischberger eigentlich diskutieren. Weil die Redaktion aber "interessante Parallelen" zwischen Joachim Löw, Angela Merkel und
Wenn der Gedanke wenigstens originell gewesen wäre, aber spätestens nach dem WM-Aus kam kein Abgesang auf Löw ohne einen Verweis auf die Kanzlerin aus. Maischberger selbst schien erleichtert, als sie den Ausflug auf den grünen Rasen abrupt beendete: "So, jetzt mache ich den Schwenk zu Seehofer."
Diese Gäste diskutierten mit Sandra Maischberger
Immerhin landete dank des Querschlägers zu Joachim Löw wenigstens eine Frau im Studio. Sky-Moderatorin Jessica Libbertz vermisst im Fußball wie in der Politik die Konsequenz – in den "Jogi raus"-Chor wollte sie aber nicht einstimmen, bei der knappen Niederlage gegen Weltmeister Frankreich habe er gezeigt, dass er sich ändern könne. "Er hat jetzt Zeit gewonnen, schauen wir mal ob es ein Neuanfang war oder ein Weiterwurschten."
Der Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen hat die Parallelen zu Angela Merkel im Sommer in einem Löw-Portrait mit dem Titel "Bundestrainerpräsident" bemüht. Beide hätten eine Ära begründet, beide hätten es leider verpasst, auf dem Höhepunkt abzutreten – und müssten nun ihr Erfolgsrezept ändern, wollen sich sich noch halten. Wer ganz sicher zurücktreten müsse, sei Horst Seehofer, mindestens mal als Innenminister: "Das Amt ist ihm zu groß."
Da nickte Sigmund Gottlieb ganz heftig, der ehemalige Chefredakteur des Bayrischen Rundfunks, der voraussagte, dass in der CSU ganz sicher noch personelle Änderungen anstehen, aber sicher nicht in unmittelbarer Zukunft – auch weil sich derzeit kein logischer Nachfolger für Seehofer anbiete. Und noch eine Prognose wagte der altgediente Journalist: Angela Merkel werde bei einer Niederlage der CDU in anderthalb Wochen in Hessen Plan B zücken – Rückzug von der Parteispitze und Inthronisierung ihrer Vertrauten Annegret Kramp-Karrenbauer.
Eine Personaldebatte würde auch Rudolf Dreßler gern in seiner SPD führen. Der 78-Jährige vom linken Flügel sieht seine Partei unter
Geradezu rührend verteidigte dagegen CDU-Nachwuchsmann
Muss aber, entgegnete Kabarettist
Das war der Schlagabtausch des Abends
Mit Amthor saß nur ein einziger aktiver Politiker im Studio, und siehe da: Es ging gesittet zu. Aber dafür musste der Punchingball der Runde einen Tiefschlag nach dem anderen einstecken: die SPD. Schwer zu sagen, wer den härtesten Treffer landete. Die Nominierten:
- SPD-Mann Dreßler für die schmerzhafte Selbsterkenntnis: vom Status als Volkspartei können sich die Genossen verabschieden. "Wer mir mit unter zehn Prozent in Bayern noch was von Volkspartei erzählen will, hat den Schuss nicht gehört."
- Markus Feldenkirchen mit seiner Antwort auf die Frage, wer die nächste Kanzlerkandidat oder der nächste Kanzlerkandidat der SPD werde. "Egal wer, man sollte ihn oder sie jedenfalls nicht mehr Kanzlerkandidat nennen."
- Jessica Libbertz, die bekannte, in ihrer Familie sei immer rot gewählt worden. Aber bei der Bayern-Wahl konnte sie sich nicht dazu durchringen. "Ich wollte meine Stimme nicht verschenken."
Und als sei das alles noch nicht Prügel genug für alle, die es mit der SPD halten, fand sich nur ein einziger Gast, der die Genossen verteidigen wollte: Philipp Amthor von der CDU. Und selbst der scheint mit seiner Geduld am Ende. "Anstatt immer nur zu jammer, sollen sie an der Agenda 2020 arbeiten, oder Agenda 2030. Aber es ist nicht zu verstehen mit dieser SPD."
So hat sich Sandra Maischberger geschlagen
Ihren ehemaligen Kollegen Sigmund Gottlieb, der sich zu Anfang der Sendung ganz in Silberrücken-Manier in die Diskussion drängte, erzog sie mit ein paar spitzen Bemerkungen – Problem gelöst.
Ihre gewohnt flapsigen Bemerkungen passten an diesem Abend perfekt in die eher lockere Atmosphäre: Als Kabarettist Florian Schroeder eine Suada gegen Horst Seehofer anstimmte, in der er dem "unbegleiteten Reisenden aus einem autoritären Gottestaat" einen "Rachefeldzug gegen Merkel" unterstellte, fing er sich damit einen Ordnungsruf von Sigmund Gottlieb ein. "Das ist eine kabarettistische Sichtweise, die ich amüsant finde, aber...", setzte Gottlieb an. Maischberger unterbrach: "Kann man über Seehofer anders reden?"
Das sind die Erkenntnisse
"Die Zeit der Volksparteien ist endgültig vorbei", sagte der Freiburger Politikwissenschaftler Sebastian Jäckle im Gespräch mit unserem Portal nach den Wahlen am Sonntag in Bayern. Dieser Abend bei Maischberger schien die These zu bestätigen, Spiegel-Reporter Markus Feldenkirchen wählte einen originellen Vergleich: Vielleicht sei es einfach wie mit dem Ende von "Wetten, dass ..?", das in Zeiten von Netflix nicht mehr funktionieren konnte?
Als "letztes Lagerfeuer der Nation" wurden die Volksparteien in der Sendung oftmals bezeichnet – kann eine Partei noch so ein Sammelpunkt sein? Angela Merkel habe es versucht, erklärt Feldenkirchen, deswegen die Öffnung der CDU zu modernen, progressiveren Positionen. Ihr Ziel hat sie bisher erreicht, aber um welchen Preis? Die SPD in die Ecke gedrückt, die Konservativen entfremdet, den rechten Rand geöffnet. Und die Bindungskraft schwindet weiter.
Dazu kommen die "Ermüdungsbrüche" in der Groko, die Sigmund Gottlieb diagnostiziert. Wirkliche Leidenschaft bringen eher die Grünen rüber. "Die haben ein Anliegen, eine Vorstellung wie die Gesellschaft aussehen soll in fünf Jahren", ergänzt Feldenkirchen.
Um so eine Vorstellung zu bekommen, müsste die SPD "von vorn anfangen", statt Ausreden zu suchen, fordert Rudolf Dreßler unmissverständlich. "Die SPD-Führung hat behauptet, der Streit innerhalb der Union habe unserem Ergebnis geschadet. Für wie bescheuert muss man den Wähler halten?"
Markus Feldenkirchen will in der Partei eine "große Unzufriedenheit" mit Andrea Nahles ausgemacht haben. Schon jetzt sei die SPD auf dem Weg zur Kleinpartei: "Es kann nur heißen: Raus aus der Groko."
Das würde wohl Neuwahlen bedeuten – und noch einen Wahlkampf der CDU mit einer Spitzenkandidatin Angela Merkel? Ihre Macht schwindet, konstatiert Sandra Maischberger, und nicht mal der loyale Philipp Amthor wollte widersprechen. "Die Lage ist nicht einfach in der Union, das weiß sie auch. Aber die Alternative ist doch, dass wir sagen: Es funktioniert alles nicht. Dann sind wir so trist wie die SPD."
Ein Schlüsselsatz für Merkels Kanzlerschaft, ätzt Spiegel-Mann Feldenkirchen: "Was ist denn die Alternative? Dieses Denken in Alternativlosigkeit ist schwierig, ich frage mich: Warum redet denn da keiner mit Merkel?" Das werde schon gemacht, antwortet Amthor. "Die Kanzlerin lebt doch nicht auf dem Mond. Aber das machen wir nicht in einer Talkshow." Schade eigentlich.
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