Caren Miosga diskutierte am Sonntagabend (9. Juni) unter anderem mit Kevin Kühnert (SPD) und Jens Spahn (CDU) die Wahlergebnisse bei der Europawahl. Während Spahn harte Worte für die Ampel fand und sich an einer Stelle sicher war: "Das lässt sich nicht mehr retten", blieb Kühnert in puncto Neuwahlen auf dem Standpunkt: "Dafür sehe ich keinen Anlass". Dennoch benannte er ein Problem, das zu sehr unter dem Radar läuft.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Europawahl ist gelaufen: Die EVP geht als Siegerin hervor, Grüne und Liberale verzeichnen spürbare Verluste. Rechte bis rechtsnationale Parteien gewinnen dazu. In Deutschland steht die SPD mit knapp 14 Prozent der Stimmen vor einer historischen Wahlschlappe, auch die Zustimmung der Grünen bricht ein. Gleichzeitig wird die AfD in Ostdeutschland mit Abstand stärkste Kraft. Was bedeuten die Ergebnisse?

Mehr aktuelle News

Das ist das Thema bei "Caren Miosga"

"Caren Miosga" lieferte im Anschluss an die Europawahl eine erste Analyse und Einordnung der Hochrechnungen. "Wie weit ist Europa bei dieser Wahl nach rechts gerückt?" und "Welche Signale senden die Wahlergebnisse an die deutsche Innenpolitik?". Mit Kühnert als Gast stand die SPD dabei im Fokus – auch als es um die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen und Verfehlungen im Wahlkampf ging.

Das sind die Gäste

  • Kevin Kühnert (SPD): "Das ist deutlich entfernt von dem, was unser Anspruch ist", kommentierte der SPD-Generalsekretär das Wahlergebnis. "Wir haben wirklich was aufzuarbeiten", gab er zu. Er habe noch keine abschließende Erklärung für das schlechte Ergebnis, sondern offene Fragen. "Eine Partei, die nicht darauf reagiert, wenn sie bei einer bundesweiten Wahl als Kanzlerpartei 14 Prozent einfährt, die hat wirklich ein ganz großes Problem", meinte Kühnert.
  • Jens Spahn (CDU): "Der Kanzler hat die Verbindung zu seinem Volk irreparabel verloren. Das lässt sich nicht mehr retten", meinte der Fraktionsvorsitzende. Die SPD müsse sich fragen, ob es mit diesem Kanzler weitergehen könne. "Ich glaube nicht, dass er nach allem, was an Vertrauen verloren gegangen ist, dieses Ding nochmal drehen kann", so Spahn. Die Ampel mache Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung.
  • Jürgen Trittin (Grüne): "Es ist keine Niederlage, die einen mutlos machen sollte", meinte der Grünen-Politiker zum Ergebnis seiner Partei. Sie sollte eher anstacheln, Dinge anders anzugehen. "Ich gehe davon aus, dass die Ampel – gerade nach diesem Ergebnis – bis 2025 regieren wird", so Trittin. Es klinge paradox, doch das Ergebnis sorge für inneren Zusammenhalt.
  • Melanie Amann: Die stellvertretende Chefredakteurin des "Spiegel" kommentierte: "Mit der Plakatierung von Olaf Scholz hat die SPD die Wahl zu einem Votum über die Ampel-Politik gemacht." Unter dem Strich sei die Bilanz für die Ampel verheerend. "Man bekommt von Olaf Scholz immer wieder gespiegelt, dass das Thema nicht an ihn rankommt", kritisierte Amann. Wenn der Friedenskanzler den Frieden nicht in der eigenen Koalition herbeiführen könne, würden die Menschen nicht verstehen, warum die Ampel so weitermacht.

Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"

Miosga wollte von SPD-Generalsekretär Kühnert wissen: "Ist die Vertrauensfrage eine Option?" Der reagierte ablehnend: "Das würde bedeuten, der Kanzler hat das Vertrauen im gewählten Parlament nicht mehr. Dafür sehe ich keinen Anlass." Die Ampel sei handlungsfähig. Wenn man immer dann Neuwahlen fordere, wenn die regierenden Parteien gerade bei einer Sonntagsfrage schlecht dastehen würden, bekäme man bald Verhältnisse wie in Israel, wo ständig neu gewählt würde.

Kevin Kühnert über die historische Wahlschlappe der SPD

"Wir haben wirklich was aufzuarbeiten", gibt Kevin Kühnert bei Carmen Misoga zu. Eine Erklärung habe er noch nicht für das schlechte Ergebnis - sondern im Moment vor allem offene Fragen.

Kühnert gab zu: "Die Appelle, in der Ampel müsse sich kulturell ganz viel ändern – das wird nicht mehr passieren." Die Blicke im Studio waren sichtlich irritiert. Das habe zum einen mit den handelnden Akteuren zu tun, zum anderen aber mit den immer weiter zersplitternden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, erklärte Kühnert.

"Nur weil ein bestimmter Kanzler weg wäre, sind für bestimmte Probleme nicht plötzlich Mehrheiten da", sagte Kühnert und nannte als Beispiel das 30-Milliarden Loch, welches gestopft werden muss.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Meinungsverschiedenheit gab es, nachdem Miosga von Spahn wissen wollte: "Wollen Sie ernsthaft mit Postfaschisten zusammenarbeiten?" Hintergrund: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die im Amt bleiben möchte, hat der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Meloni ist Vorsitzende der Partei "Fratelli d’Italia", die als rechtsextrem gilt.

Spahn entgegnete: "Wir wollen, dass Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin bleibt." Kanzler Scholz selbst arbeite fast täglich mit Meloni zusammen und sage, dass er die Zusammenarbeit schätze. Da schritt Kühnert ein. Die Menschen in Deutschland würden erwarten, dass Scholz mit den Staatspräsidenten anderer Länder spreche, beispielsweise auch mit Chinas Xi Jinping.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Er erinnerte Spahn: "Konservative, Sozialdemokraten und Liberale haben eine Mehrheit. Wenn wir die Grünen noch dazunehmen, sind wir über 100 Stimmen über den Durst." Es gebe keine Notwendigkeit, sich nach Meloni umzugucken – die Sozialdemokraten würden von der Leyen aber nicht bedingungslos unterstützten. Das hänge von den Inhalten ab, etwa in der Klimapolitik.

Jens Spahn im Tal von Caren Miosga: "Der Kanzler hat die Themen gesetzt"

Der Kanzler habe die Verbindung zu seinem Volk irreparabel verloren, ist sich Jens Spahn sicher: "Das lässt sich nicht mehr retten."

So hat sich Caren Miosga geschlagen

Miosga gelang eine kompetente Moderation, die genau den passenden Ton traf. Es war ihr nicht daran gelegen, die historische Wahlschlappe der SPD zu zerfleischen, dennoch ließ sie Kühnert nicht mit einfachen Analysen davonkommen.

Als der mit einem breiteren Parteienspektrum als Erklärung um die Ecke kam, sagte sie: "14 Prozent kann man jetzt nicht nur auf sowas schieben". Sie stellte die Fragen, die auf der Hand lagen: "Welche Konsequenzen wird es geben?", "Wie beschädigt sind SPD und Kanzler?" und "Ist es nicht besser, den Stecker zu ziehen?"

Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"

Die Zuschauer erlebten einen sichtlich angefassten Kevin Kühnert. Er räumte mit Blick auf die Ampel ein: "Es gibt Teile des Landes, da haben wir kulturell den Anschluss an die Bevölkerungsmehrheit vor Ort verloren". Später hielt er einen wichtigen Punkt fest: "Wir übersehen einen Elefanten im Raum." Es gäbe in wichtigen Fragen wie beispielsweise dem wirtschaftlichen Wachstum oder dem Ukraine-Kurs keine denkbaren Koalitionen, die eine Mehrheit hätten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © NDR/Thomas Ernst