Bei "Hart aber Fair" ging es am Montagabend um den Stand im Ukraine-Krieg und die Aussichten auf Frieden. Wie stehen die Chancen für diplomatische Bemühungen und wie weit eskaliert der Krieg noch? Während einige Informationen hinter den Kulissen bleiben mussten, sorgte die Antwort einer Ukrainerin auf die Frage: "Ist ein Frieden mit Russland möglich?" für spürbar bedrückte Gesichter im Studio.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Noch ist nicht geklärt, wie es zu der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine kam. Fest steht aber bereits: Die militärischen Folgen sind weitreichend: Große Gebiete sind überschwemmt, es besteht Seuchengefahr, die Ukrainer müssen militärisch umplanen. Spezialeinheiten mussten ihre Stellungen aufgeben.

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Das war das Thema

Für die Ukraine ist klar: Russland hat den Kachowka-Staudamm in einem Sabotageakt zerstört. Der Kreml leugnet die Verantwortung. Auch, wenn es noch keine Beweise gibt, wird deutlich: Der Krieg kann immer noch schlimmer werden. Kanzler Scholz sprach von einer "neuen Dimension des Krieges". Ist die Aussicht auf einen Frieden damit in weitere Ferne gerückt? Oder bringt die ukrainische Offensive die Wende? Louis Klamroth debattierte mit seinen Gästen über die vermeintliche Stärke Russlands an der Front und in der Heimat.

Das waren die Gäste

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Die Verteidigungspolitikerin sah die Gefahr, der Ukraine eine zu große Erwartungshaltung entgegenzubringen. Man sollte öffentlich nur begrenzt darüber sprechen, wann wo eine Offensive erfolge. "Es hören ja auch andere zu", erinnerte sie. Als Klamroth sie fragte, warum sie sich so sicher sei, dass Russland hinter der Damm-Zerstörung stecke, sagte sie: "Warum sollte die Ukraine ihr eigenes Land fluten?". Die Öffentlichkeit hierzulande solle verwirrt werden.
  • Ralf Stegner (SPD): Das Mitglied im Auswärtigen Ausschuss kritisierte: "Mir sind manche Militärüberlegungen zu technokratisch." Sie führten davon weg, dass es um Menschen gehe. "Diplomatie funktioniert immer nur hinter verschlossenen Türen", so Stegner. Man müsse versuchen, beispielsweise China und südamerikanische Staaten dazu zu bewegen, Einfluss auf Russland zu nehmen.
  • Alexander Rodnyansky: "Es war ein Angriff der Russen, um unsere Offensive zu verlangsamen", war sich der ukrainische Präsidentenberater Alexander Rodnyansky mit Blick auf die Dammzerstörung sicher. Das Leben in der Region sei stark beeinträchtigt. Die Russen würden auch Rettungsboote beschießen. "Unmoralischer vorzugehen, kann man sich gar nicht vorstellen", sagte er. Die Gegenoffensive zeige erste Erfolge. "Man darf aber nicht erwarten, binnen weniger Tage würden tausende Quadratkilometer Gebiet freigekämpft", sagte Rodnyansky.
  • Sönke Neitzel: Der Militärhistoriker analysierte: "Die Staudammsprengung ist eine weitere Eskalation in diesem Krieg." So etwas habe man erwarten müssen. "Russland wird jetzt alles tun, um diese Gegenoffensive zurückzuschlagen und damit die Ukraine politisch unter Druck zu setzen", meinte er. Die Aufgabe, die die Ukrainer militärisch hätten, sei extrem schwierig. Man dürfe Russland nicht unterschätzen.
  • Katja Gloger: Die Journalistin erklärte, der ursprüngliche Plan von Putin, Kiew innerhalb weniger Tage einzunehmen und eine Marionettenregierung zu installieren, sei gescheitert. Nun gehöre es zu Putins Taktik, die Infrastruktur zu zerstören. "Man hofft darauf, dass die Menschen zermürbt werden und aufgeben", analysierte sie. Man hoffe auch, dass die Unterstützung im Westen nachlasse.
  • Hanna Bovhyria: Die Ukrainerin sagte: "Dieser Krieg hat keinen Sinn. Meiner Meinung nach gibt es keine Diplomatie mehr. Es gibt keine Grenzen für Russland." Die ganze Welt habe Russland in der Vergangenheit alles erlaubt. "Wenn wir Russland jetzt nicht stoppen, geht Russland noch weiter", warnte sie.
  • Ina Ruck: Die Russland-Korrespondentin berichtete, die Drohnenangriffe auf Wohnhäuser in Moskau hätten die Leute geschockt. "Es war dann auch sehr schnell so etwas da wie: Wir müssen eben noch härter in der Ukraine zuschlagen", berichtete Ruck. In den Medien sei verbreitet worden, die Flugabwehr habe toll funktioniert. "Das haben die Leute so geschluckt", sagte sie. Niemand habe gefragt, wie es überhaupt passieren könne, dass eine Drohne so weit fliegen kann. Man könne in Russland sehr gut steuern, wie die Menschen reagieren würden. "Das erschreckt und schockt mich jedes Mal", gab sie zu.

Das war der Moment des Abends

Berichte, die den Zuschauer sentimental stimmten: Die Ukrainerin Hanna Bovhyria war gleich zu Beginn der Sendung zu Gast. Sie war kurz nach Ausbruch des Krieges mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen. Ihr Ehemann, beruflich bei der Luftwaffe, war in der Ukraine geblieben. "Wenn er mir schreibt, weiß ich, dass er am Leben ist", berichtete die Ukrainerin. Die Menschen würden zunehmend die Hoffnung verlieren.

"Junge Menschen sterben, Kinder bleiben ohne Väter", sagte sie betroffen. Als Klamroth sie fragte, ob sie bereits die Hoffnung verloren habe, sagte sie: "Ich darf nicht, ich habe zwei Kinder." Der Moment der Sendung war dann gekommen, als Klamroth sie fragte, ob es einen Frieden mit Russland geben könne. Bovhyria entgegnete: "Es gibt keinen Frieden mit Russland. Nie." Stille im Studio.

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Das war das Rededuell des Abends

Ein klassisches Rededuell gab es am Montagabend nicht. Wohl aber eine beherzte Gegenrede in Bezug auf den Kommentar eines Zuschauers. Roland Rötinger hatte über diplomatische Bemühungen geschrieben: "In dem Stadium, in dem sich dieser Krieg befindet, würden beide Seiten ihr Gesicht verlieren. Hätte auch nur einer von beiden den Mut, den ganzen Wahnsinn zu beenden, dann wäre das längst passiert."

Strack-Zimmermann dazu: "Er setzt in dem Moment die Ukraine und Russland auf eine Ebene. Russland hat die Ukraine angegriffen. Und der Täter kann so etwas sofort beenden, aber nicht das Opfer." Wenn die Ukraine sich heute zurückziehe, sei sie weg von der Landkarte. Der Westen würde sich in ein paar Jahren die Augen reiben, wenn man Russland Zeit gebe, aufzurüsten und noch weiter als die Ukraine zu gehen.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Louis Klamroth gelang eine gute Moderation. Er traf die richtige Mischung aus emotionalen und persönlichen sowie politischen und analytischen Fragen. Dazu zählte zum Beispiel: "Können Sie sich vorstellen, dass jemals ein Friede mit Russland möglich ist?" und "Gelingt es den Russen, die Gegenoffensive auszubremsen?", ebenso wie "Was passiert, wenn diese Offensive keinen Erfolg hat?" und "Warum kann Prigoschin die russische Führung so beleidigen?".

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Auch, wenn es die Zuschauer vermutlich brennend interessiert hätte: Bei der Debatte über die Gegenoffensive galt und gilt es, sich besser mit Informationen in der Öffentlichkeit zurückzuhalten. Dementsprechend kam von Präsidentenberater Rodnyansky mehrfach die Aussage: "Ich werde das jetzt so nicht bestätigen." Zu den Ergebnissen zählte aber auch, dass Putins Strategie des "Teilen und Herrschens" bei Wagner-Chef Prigoschin bald an seine Grenzen stoßen könnte. Außerdem sollte das Thema "Sicherheitsgarantien nach dem Krieg" mit Blick auf ein Kriegsende debattiert werden.

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