Aufgeheizte Stimmung hier, Vorfreude da: Die EM steckt in den Startlöchern. Manche erhoffen sich, sie könne ein Sommermärchen 2.0 werden und das gespaltene Land einen. Wie viel darf man wirklich von der EM erwarten und wie stehen die Chancen für das deutsche Team? Louis Klamroth fand mit seinen Gästen darauf vergleichsweise klare Antworten.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nur noch knapp zwei Wochen, dann ist es so weit: Am Freitag, 14. Juni, startet die Fußball-EM in Deutschland. In seiner ersten Partie stellt sich Deutschland der schottischen Mannschaft, danach warten Ungarn und die Schweiz. Bei der WM in Katar 2022 war Deutschland bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Kann jetzt das Fußball-Wunder gelingen?

Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

Die WM 2006 ist in Deutschland als Sommermärchen in die Geschichte eingegangen. Zwar holte Deutschland damals nicht den Titel, doch für kurze Zeit gelang es, die Gesellschaft zusammenzuführen und hinter dem deutschen Team zu versammeln. Kann so ein Sommermärchen noch einmal gelingen? Was braucht es dafür? Und: Wie stehen die Chancen für das deutsche Team? Darüber diskutierte Louis Klamroth am Montag mit seinen Gästen.

Das sind die Gäste

  • Lars Klingbeil (SPD): "Die Deutschlandflagge gehört Jonathan Tah, Jamal Musiala und Thomas Müller und sie gehört nicht der AfD oder anderen Rechtsextremen", stellte der Parteichef klar. Man müsse sich selbstbewusst hinter die Mannschaft stellen. Man brauche keinen stumpfen Patriotismus, der sich über andere erhebe. "Mein Deutschlandbild wird durch diese Mannschaft repräsentiert", sagte Klingbeil.
  • Lena Cassel: Die Sportjournalistin kommentierte: "Vielleicht schauen wir mal, wie die Leitkultur von Julian Nagelsmann aussieht. Er hat klar gesagt: Für mich geht es nicht nur darum, die 11 besten Spieler zu haben, sondern die 11, die am besten zusammenpassen." Die Mannschaft wirke transparent und nahbar.
  • Fredi Bobic: "Der Sport bringt immer die Menschen zusammen und baut die Brücken, die wir brauchen und vielleicht gerade in der Gesellschaft so nicht bauen können", sagte der Europameister und Fußball-Manager. Die Kabine im Fußball sei immer schon weiter gewesen als die Gesellschaft. "Es wurde nie darüber diskutiert, wer von wo ist", sagt er. Der Fußball würde an dieser Stelle für ein gesellschaftliches Problem missbraucht.
  • Fatmire Alushi: Die Welt- und Europameisterin sagte: "Wir können froh sein, dass wir die Spieler mit Migrationshintergrund überhaupt haben. Sie würden uns enorm fehlen, wenn sie nicht für unser Land spielen würden. Wir können froh sein, dass sie für unser Land spielen und nicht für andere Länder."
  • Tim Bendzko: "Ich habe das Gefühl, dass die Entscheidungen, die Nagelsmann vor den letzten beiden Länderspielen getroffen, sehr schlau waren. Seitdem strahlt die Mannschaft etwas anderes aus, das hat sich auf das ganze Land übertragen", sagte der Sänger mit Blick auf die Personalien Mats Hummels und Leon Goretzka. Er war zuversichtlich: "Ich glaube nicht, dass wir ins Halbfinale kommen, wir gewinnen das."
  • Philipp Awounou: Der Journalist und Filmemacher befand: "Wenn man Sätze liest wie 'Ich fände es besser, wenn wieder mehr Weiße für die Nationalmannschaft spielen', da wünsche ich mir, dass Menschen sich empören. Da habe ich selbst Bauchschmerzen dabei, das ist ein rassistischer Satz."

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

"Vielleicht kann das Turnier als Energieladestation dienen", sagte Journalistin Lena Cassel. Es gäbe mannigfaltige Krisenherde auf der Welt und in der Gesellschaft. "Das ist wahnsinnig anstrengend", so Cassel. "Vielleicht kann vier Wochen einfach Fußball-Euphorie und Leichtigkeit wie so ein kleines Ladekabel fungieren, wo wir uns alle nochmal aufladen und danach die Herausforderungen mit der Bundestagswahl und so weiter meistern können", hoffte sie. Der Applaus, der dann folgte, war mehr als verheißungsvoll.

Das ist das Rede-Duell des Abends

"Wir dürfen die EM nicht überladen", so Parteichef Klingbeil. Deutschland solle ein guter Gastgeber sein, der sich offen präsentiere. Man könne aber nicht planen, dass das Turnier das Land eine. "Dann überfordern wir die Mannschaft. Dann projizieren wir in die Mannschaft etwas hinein, wo sie sich am Ende gar nicht aufs Fußballspielen konzentriert, sondern Erwartungen der Gesellschaft erfüllen muss."

"Ich habe gar nicht das Gefühl, dass die Mannschaft gerade so überladen wird", sagte Bendzko. Im Gegenteil sei die Erwartungshaltung eigentlich recht niedrig, weil die Mannschaft zuletzt so schlecht gespielt hätte. "Man hat so ein bisschen das Gefühl, wir sind Geheimfavorit und es könnte sich was entwickeln", so Bendzko.

Diskutierten bei "Hart aber fair" (v.l.): Fredi Bobic, Fatmire Alushi, Lars Klingbeil, Louis Klamroth, Tim Bendzko, Lena Cassel und Philipp Awounou. © WDR/Oliver Ziebe

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Klamroth gelang eine lockere und empathische Moderation. Er traf den richtigen Ton, als er zutiefst rassistische Beleidigungen wiedergab, vergaß dabei aber auch nicht die humorvollen Fragen ("Was ist leichter, Nationalmannschaft zusammenzustellen oder SPD-Parteivorstand zusammenzuhalten?"). Woran es jedoch klar mangelte, waren Rede-Duelle und Kontroversen. Hier hätte Klamroth die Debatte stellenweise gerne stärker anheizen dürfen.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Die Runde war sich einig: Auf Knopfdruck kann ein Sommermärchen nicht wiederholt werden. Doch das Potenzial wäre da. Gleichzeitig dürfe man nicht vergessen, dass Erfolg nicht vor Rassismus schützt – und die äußeren Ränder besonders laut sind. Die Mitte selbst muss lauter werden und darf nicht zulassen, dass der Fußball für gesellschaftspolitische Fragen instrumentalisiert wird.

Joshua Kimmich zeigt klare Kante gegen Rassismus

Joshua Kimmich hat sich für Vielfalt in der deutschen Nationalmannschaft ausgesprochen und klare Kante gegen Rassismus gezeigt. Der Bayern-Spieler äußerte sich zu einer Umfrage, in der jeder Fünfte (21 Prozent) angab, dass er es besser wäre, wenn wieder mehr weiße Spieler in der Nationalmannschaft spielen würden.
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