- Die Misere der deutschen Industriepolitik sorgte bei "Markus Lanz" für ernste Debatten unter den Gästen.
- Am Donnerstagabend überraschte vor allem Jürgen Trittin.
- Der Grünen-Politiker kritisierte seine Parteikollegin Katrin Göring-Eckardt offen wegen eines Panzer-Tweets.
Die Abwanderung großer deutscher Firmen stellt die Zukunft unserer Wirtschaft vor riesige Probleme. In China wurden bereits Milliardenbeträge investiert, in den USA eröffnen immer mehr deutsche Firmen Standorte.
Was das für den Industriestandort Deutschland bedeutet, diskutierte
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie abhängig einige Länder - allen voran Deutschland - von russischen Energie-Exporten waren und immer noch sind. Auch China, der nächste globale "Big Player", wird aktuell streng unter die Lupe genommen. Und das nicht nur, weil China Russlands Aggression gegen die Ukraine nicht sanktioniert.
Im Gespräch mit ZDF-Moderator Markus Lanz diskutierten die Gäste am Donnerstagabend offen über die Risiken, die für Deutschland in China liegen. Gleichzeitig wurde der aktuelle Zustand des Industriestandorts Deutschland von Experten wie Ursula Weidenfeld und Joe Kaeser analysiert.
Besonders hitzig wurde die Debatte zwischen Jürgen Trittin und Markus Lanz, als es um dessen Parteikolleginnen
Das sind die Gäste
- Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen, sagt: "Wir müssen anfangen, realistisch einzuschätzen, welche Risiken in China liegen."
- Joe Kaeser, Ex-Siemens-Vorstandschef, fordert: "Wir müssen eine Standortpolitik machen, die innovationsgetrieben sein muss"
- Ursula Weidenfeld, Journalistin und Wirtschaftsredakteurin ("Der Spiegel"), erkennt einen Widerspruch bei den Grünen: "Man kann nicht mit
Luisa Neubauer am Tisch sitzen und gleichzeitig alle Industrie-Jobs retten wollen." - Janka Oertel, Sinologin und China-Expertin der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations", meint: "Unternehmensinteressen sind nicht deckungsgleich mit den Interessen Deutschlands."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Einen Großteil der Sendung nahm die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Vergleich zu jenen aus den USA und China ein. Dazu erklärte China-Expertin Janka Oertel mit kritischem Blick, dass nicht außer Acht gelassen werden dürfe, in welcher Beziehung Russland und China zueinander stehen: "Der Handel hat während des Krieges in der Ukraine um 40 Prozent zugenommen zwischen den beiden Ländern. Haben wir da eine rote Linie, was das angeht? Ab wann werden wir hier Sanktionen verkünden? Das ist ein Bereich, an den wir uns herantasten müssen. Das wird noch ganz kompliziert."
Grünen-Politiker Jürgen Trittin stimmte zu und ergänzte: "Wir müssen anfangen, realistisch einzuschätzen, welche Risiken in China liegen."
Ex-Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser, der Russlands Präsident Wladimir Putin über sieben Jahre immer wieder getroffen hat, fügte mit ernster Miene hinzu: "Beim Thema Russland haben wir versagt. Da gibt es auch kein Vertun. Aber jeder wusste, dass wir abhängig sind. Aus diesem Fehler müssen wir jetzt lernen und weiterdenken."
ZDF-Moderator Markus Lanz merkte daraufhin an, dass große Firmen wie BASF und Bosch zweistellige Milliardenbeträge in China investieren: "Was ist das für ein deutscher Konzern, der in China produziert und in den USA entwickelt?"
Ein Fakt, der bei Wirtschaftsredakteurin Ursula Weidenfeld offenbar für Bauchschmerzen sorgt. Sie merkte an: "Alles, was energieintensiv ist, fährt in Deutschland momentan auf Verschleiß." Auch Janka Oertel sagte am Donnerstagabend: "Ich weiß noch nicht, wie das am Ende für Deutschland aussieht. Wir brauchen uns auf jeden Fall keine Illusionen darüber zu machen, dass langfristig noch Geld gescheffelt werden kann. Wir verlieren die ganze Zeit schon Know-How. Wir sind heute in einer anderen Welt angekommen."
Während Joe Kaeser die Runde ermahnte und sagte: "Wir sollten von Branche zu Branche unterscheiden", versuchte Politiker Jürgen Trittin, die Fehler in der deutschen Industriepolitik zu analysieren. "Das ist eine der Lehren, die wir aus der Entwicklung ziehen müssen. Deutschland ist mit zehn Jahren Verspätung auf den Zug der batteriebetriebenen Autos aufgesprungen. Wir stehen vor einer sehr komplexen Aufgabe, den Prozess der Industriepolitik im Wettbewerb mit China und den USA neu zu gestalten."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Die größte Auseinandersetzung gab es zu Beginn der Sendung, als Markus Lanz und Jürgen Trittin über den deutschen Umgang mit dem Angriffskrieg in der Ukraine debattierten. Der ZDF-Moderator fragte seinen Gast, wie der die kürzlich getätigte Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auffasse. Baerbock hatte in einer Parlamentsbefragung des Europarats gesagt: "Wir führen einen Krieg mit Russland."
Trittin nahm ohne Zögern seine Parteikollegin in Schutz und erklärte: "Sie hat damit vielen aus der Seele gesprochen. Sie hat nicht gesagt, wir wären Kriegspartei. Ich glaube aber, sie ist jetzt selbst nicht wirklich glücklich über diesen Satz."
Markus Lanz hakte kritisch nach und stellte fest: "Sie ist die Außenministerin. Es geht um jedes einzelne Wort!" Jürgen Trittin ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und antwortete nüchtern: "Ich glaube, die meisten Menschen haben verstanden, was sie damit gemeint hat."
Lanz stichelte weiter: "Wer macht gerade die deutsche Außenpolitik? Man hat das Gefühl, da arbeiten zwei - das Kanzleramt und das Außenministerium - nicht miteinander." Der Grünen-Politiker lachte angespannt: "Nein, ich habe eher das Gefühl, dass die beiden sich gut ergänzen. Wir hatten viel zu lange Außenminister, die kein eigenes Profil gezeigt haben."
Ein Argument, das dem ZDF-Moderator nicht genügte. Er ließ nicht locker und fragte erneut: "Nicht ablenken! Noch mal die Frage: Wer macht gerade die Außenpolitik?" Als Jürgen Trittin immer noch nicht darauf eingehen wollte, wurde Markus Lanz noch direkter und fragte den Politiker nach seiner Meinung zum kürzlich veröffentlichten Tweet von Katrin Göring-Eckardt, in dem sie über die Lieferung des Kampfpanzers "Leopard 2" scherzte: "The Leopard's freed!" (übersetzt: "Der Leopard ist befreit").
Über den Satz seiner Parteikollegin war auch Trittin nicht glücklich und erklärte: "Ich habe so einen Tweet nicht abgesetzt. Das hat mir nicht gefallen und der Sound war nicht richtig. Dass man über solche Dinge nicht so leichte Sprüche macht, das sollte selbstverständlich sein."
Die hitzige Debatte zwischen Lanz und Trittin war damit jedoch noch längst nicht beendet. Der ZDF-Moderator fragte seinen Gast unter anderem auch: "Kampfjets - ja oder nein?" Eine Frage, die Jürgen Trittin zu umgehen versuchte: "Wir haben drei Kriterien. Wir tun das, was möglich ist, dass die Ukraine nicht überrannt wird. Wir tun das, ohne selbst zur Kriegspartei zu werden. Und wir tun das nicht alleine. Und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Grund, Kampfjets zu liefern."
Markus Lanz hakte erneut nach: "Zum jetzigen Zeitpunkt?" Daraufhin wurde der Grünen-Politiker augenscheinlich sauer und stellte klar: "Darauf will ich mich nicht einlassen. Sie versuchen etwas zu konstruieren, das nicht gegeben ist!"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Lanz ließ seinen Gästen genügend Raum, sich zu den komplexen industriepolitischen Themen zu äußern. Der Moderator schaffte es auch, komplizierte Sachverhalte vereinfacht zu erklären und für den Zuschauer sowie die anwesenden Talk-Gäste darzustellen.
Ein roter Faden lief dennoch nur bedingt durch die Sendung, da zunächst die Beziehung zwischen Russland und China im Mittelpunkt stand und weniger auf die Industrie- und Energiepolitik der Ampelkoalition sowie die EU-Pläne eingegangen wurde. Zu viele Themengebiete wurden angerissen, sodass ein Großteil der Diskussionen aufgrund von Zeitmangel im Sand verlief oder nicht konkret analysiert wurde.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Während sich die Mehrheit der Gäste bei Themen wie Fehlern im Umgang mit Russland und China sowie der deutschen Industriemisere einig waren, zeigte sich vor allem Jürgen Trittin im Austausch mit ZDF-Moderator Markus Lanz streitlustig, als es um die Debatte um Kampfjet-Lieferungen an die Ukraine ging.
Ein klares Dementi gab es von dem Grünen-Politiker, wie auch schon von einigen seiner Partei-Kollegen zuvor, nicht wirklich. Dies zeigt, dass das Thema in den kommenden Wochen sicherlich noch häufiger angesprochen werden wird. Markus Lanz beendete die Sendung trotz der teils schwerwiegenden Themen mit einer überraschenden Leichtigkeit und entließ seine Gäste mit dem Satz: "Das war in vielerlei Hinsicht sehr erkenntnisreich." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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