Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstagabend, 9. November, um die Beschlüsse zur Migrationsfrage auf dem Bund-Länder-Gipfel. Ist das die Wende und tatsächlich ein "historischer Moment"? Während Journalistin Quadbeck einen Entschluss als "harte Entscheidung" beschrieb, erkannte Migrationsexpertin Rietig, wo am Ende in Deutschland immer das Problem liegt.

Eine Kritik
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Der Bund-Länder-Gipfel zur Migrationsfrage ist vorüber, beschlossen sind zum Beispiel schnellere Asylverfahren, Leistungskürzungen und ein neues Finanzierungssystem für die Kommunen. Olaf Scholz nannte das einen "sehr historischer Moment". Hat er recht damit und welche Auswirkungen haben die Beschlüsse auf die Zahlen von bis zu 1.000 Menschen, die pro Tag illegal in Deutschland ankommen? Nur eine von vielen Fragen bei Maybrit Illner.

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Das ist das Thema bei "Illner"

Illner überschrieb ihre Sendung mit der Frage: "Historisch oder halbherzig – was bringt der Ampel-Asyl-Plan?" Neben der Rolle der EU, Belastungsgrenzen der Kommunen und der Frage nach sicheren Herkunftsländern ging es dabei auch um das Überleben der zerstrittenen Ampel-Regierung.

Das sind die Gäste

  • Cem Özdemir (Grüne): "Wir müssen das Vertrauen zurückgewinnen", sagte der Bundeslandwirtschaftsminister. Dabei gebe es zwei Punkte. "Das ist zum einen, dass wir der Bevölkerung vermitteln: Wir meinen es ernst, wir wissen, wer zu uns kommt, wir kontrollieren und steuern das, sorgen auch dafür, dass es vor Ort Anreize gibt, zu bleiben", sagte Özdemir. Auf der anderen Seite müsse man sich um die Frage der Integration kümmern. "Beides gehört zusammen. Bei beiden Stellschrauben müssen wir besser werden", erklärte er.
  • Stephan Weil (SPD): "Das Entscheidende ist, dass wir jetzt auch wirklich praktisch vorankommen und das haben wir uns sehr fest vorgenommen", sagte der Ministerpräsident von Niedersachsen. Die Ausländerbehörden müssten auf einen guten digitalen Stand gebracht werden. Man werde nur im großen Stil abschieben können, wenn man vorher mehr Rücknahmeabkommen habe. Rückführungen würden oft daran scheitern, dass Herkunftsstaaten nicht bereit seien, die Menschen zurückzunehmen. "Dann ist jede Ausländerbehörde am Ende ihres Lateins", sagte er.
  • Carsten Linnemann (CDU): Der Generalsekretär sagte: "Wir wollten ein Stoppschild für die illegale Migration. Jeder weiß, dass es nicht funktioniert, dass wir weiterhin illegale Migration nach Deutschland sehen." Es brauche einen Kurswechsel. "Dieses Papier ist kein Kurswechsel", urteilte Linnemann.
  • Victoria Rietig: Die Migrationsforscherin sagte: "Es ist ein Evergreen – eigentlich reden wir seit den 1990er-Jahren über diese Idee, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern." Der Sinn und Unsinn des jetzt Beschlossenen stehe und falle mit der Umsetzung. "Das ist am Ende in Deutschland immer das Problem", meinte sie. Ineffiziente Prozesse und Arbeitsteilung zwischen den Bundesländern würden oft dazu führen, dass uneinheitlich umgesetzt werde.
  • Eva Quadbeck: "Ziel ist, dass es eine ähnliche Wirkung gibt wie beim EU-Türkei-Abkommen. Dass die Menschen sehen, sie kommen nicht weiter, es ist quasi eine Sackgasse, wenn sie sich jetzt nach Deutschland aufmachen", sagte die Chefredakteurin vom "RedaktionsNetzwerk Deutschland" über den Vorschlag von Asylverfahren in Drittstaaten. Über die bereits beschlossenen Entscheidungen sagte sie: "Ich kann mir schon vorstellen, dass sie in der Zusammenschau eine Wirkung entfalten."

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Illner wollte von Journalistin Quadbeck wissen, wie sie die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels einschätzt. Diese griff die Leistungskürzungen für Asylbewerber auf. "Das hat natürlich eine Signalwirkung und es ist auch in Ordnung, dass Deutschland sich durchaus ein wenig anpasst an das europäische Niveau, was die Flüchtlingsversorgung angeht", sagte sie.

Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass das Wohlstandsniveau in Deutschland in den letzten Jahren gesunken sei. Die Sozialkassen seien nicht mehr so voll, wie sie es einst waren. "Dass dann der Staat sagt, wir können die Flüchtlinge nicht mehr in diesem Umfang und auf diesem Niveau versorgen, wie wir das bisher konnten, das hat seine Berechtigung – auch wenn es eine harte Entscheidung ist", sagte Quadbeck.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Özdemir sprach über Abkommen mit Herkunftsländern und beschrieb die Angebote, die Deutschland aus seiner Sicht machen könne. Er zählte auf: "Indem man sagt, wir geben euch ein Angebot, dass wir euch bei der dualen Ausbildung helfen, wir geben euch die Möglichkeit, dass eure Studierenden bei uns an den Universitäten studieren können, wirtschaftliche Zusammenarbeit, legale Einwanderungsmöglichkeiten."

Wenig später kritisierte ihn Rietig: "Sie haben gerade einen Migrationsmythos perpetuiert! Oft gehört, aber trotzdem falsch – nämlich, dass wir zu den Ländern gehen müssen mit Anreizen oder auch mit Sanktionsmöglichkeiten, bisschen Druck ausüben müssen und dann machen diese Länder schon mit."

Die Forschung habe gezeigt, dass es zwar wichtig sei, ein Anreizpaket zu schnüren. "Aber Vorsicht", warnte Rietig, das funktioniere nur bei Ländern, die ohnehin ein Stück weit von uns abhängig seien und bei denen wir keine anderen geopolitischen Interessen hätten. "Bei den Ländern, die migrationspolitisch wirklich wichtig für uns sind, haben unsere positiven Anreize oftmals wenig Effekt", sagte die Expertin und nannte als Beispiele die Türkei, Marokko und Tunesien. "Das Zuckerbrot ist da nicht wirklich süß genug", beschrieb sie.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner musste nicht viel Input geben, die Sendung kam auch so in Fahrt. Dazu trug vermutlich die hochkarätige Besetzung bei, unter der sowohl Regierungsmitglieder als auch Opposition vertreten waren. Illner gelang in dieser Runde eine gute Mischung aus kleinen Sticheleien ("Wer hat Merz den Deutschlandpakt versaut?" oder "Meint die SPD dieses Prüfen ernst?") und sachgerechten Fragen ("Ist das eine inhaltliche Wende?" oder "Wie groß ist der politische Druck?").

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Die Runde wärmte viele Dauerbrenner in der Asyldebatte wieder auf, beispielsweise die schlechten Bilanzen bei Abschiebungen oder die Versäumnisse bei der Digitalisierung der Ausländerbehörden. Nicht nur einmal hörte man an diesem Abend "Wir müssen ins Tun kommen". Linnemann beschrieb außerdem eine Kernfrage, mit der sich die Ampel auseinandersetzen muss: "Wie schaffen wir es, dass nur noch Menschen zu uns kommen, die einen positiven Asylbescheid haben?"

Verwendete Quellen:

  • ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 09.11.2023
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