Angela Merkel unter Zugzwang: Noch immer ringt die Bundeskanzlerin um eine Lösung der Flüchtlingssituation. Frank Plasberg zieht mit seinen Gästen Bilanz: Was hat Merkel erreicht? Und welche Möglichkeiten bleiben ihr noch, bevor sie zur "Kanzlerin der leeren Hände" wird?

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Rechts und links, Mitte und Extremismus, oben und unten: Gelten die alten politischen Landkarten noch? Die Sendung "Hart aber fair" zeigt, dass sich einiges verändert hat in Deutschland.

Da erhält die CDU-Kanzlerin Unterstützung von der SPD. Ein CSU-Mann spricht von "gelungener Integration". Und dann gibt es noch diejenigen, die sich für das Volk halten, aber einfach nur bösartig sind.

Von den jüngsten Vorfällen in Clausnitz und Bautzen zeigen sich alle Gäste von Frank Plasberg erschüttert. Die SPD-Politikerin Gesine Schwan hält jedoch nichts davon, den Tätern das Mensch-Sein abzusprechen, wie es Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) getan hat.

Auch wenn sie Verbrechen begangen haben, seien sie immer noch Menschen – mit allem, was dazu gehört. "Man muss bedenken, dass Menschen zu so etwas fähig sind", meint Schwan.

"Wir haben das, was man eine gelungene Integration nennt"

Linken-Vorsitzende Katja Kipping gibt zu bedenken, dass nicht nur Sachsen ein Problem mit Rechtsextremismus habe. Sie wirft aber der sächsischen CDU-Regierung vor, das Problem lange ignoriert zu haben.

"Die Polizeiführung in Clausnitz hat - wie auch in Heidenau - eklatant versagt", meint Kipping.

Wilfried Scharnagl war jahrzehntelang Chefredakteur beim CSU-Parteiblatt "Bayernkurier". Bei "Hart aber fair" wehrt er sich gegen Vorwürfe, die CSU habe die Stimmung angeheizt und sei deswegen mitverantwortlich für die Ausschreitungen. "Alle demokratischen Parteien sind gegen das, was da passiert", betont Scharnagl.

Erstaunlich ist seine Argumentation: Bayern sei sehr offen für Zuwanderer, das Zusammenleben funktioniere in den Städten mit sehr hohem Ausländeranteil. "Wir haben das, was man eine gelungene Integration nennt", sagt Scharnagl.

Das ist zwar richtig, hört man bei der CSU aber trotzdem selten.

Die Vorfälle in Sachsen seien ein größeres Krisensymptom, kein einzelnes Versagen der Polizei, meint Wolfram Weimer, Journalist beim "Handelsblatt". "Das Land gärt", glaubt er und sieht Anzeichen einer Staats- und Regierungskrise.

Solidarität hat ihren Preis

"Die Debatte polarisiert wie derzeit kein anderes Thema", findet CDU-Politiker Jens Spahn. Er glaubt auch den Grund dafür zu kennen: Es sei die erste Krise seit vielen Jahren, die die Deutschen selbst betreffe und nicht nur am Fernseher verfolge.

In der öffentlichen Debatte dürften aber diejenigen, die Fragen haben und die Flüchtlingspolitik kritisieren, nicht mit denjenigen in einen Topf geworfen werden, die zu Gewalt greifen oder klatschen, wenn Asylbewerberheime brennen.

Lange Jahre habe Deutschland Ruhe vor den Problemen der Welt gehabt, meint auch Schwan. Nun könne es sich nicht einfach davor verschließen.

"Merkel ist die Einzige, die deutlich sieht, was geschlossene Grenzen für Deutschland und Europa bedeuten", sagt Schwan. Auch beim Festhalten an einer europäischen Lösung ist die SPD-Politikerin mit der Kanzlerin einer Meinung.

Die EU-Partnerländer will sie mit Anreizen für eine freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen überzeugen. Auf Nachfrage von Plasberg erklärt sie offen: "Ich will Solidarität kaufen."

Journalist Weimer kann sich "Erdogan als Türsteher Europas" nur schwer vorstellen. Der Präsident ist selbst in den Konflikt in Syrien verstrickt und führt Krieg gegen die Kurden, die bisher am erfolgreichsten gegen die IS-Terroristen gekämpft haben.

Die Türkei nutze jetzt die Gelegenheit, Europa und Deutschland zu erpressen. "Mit einem Despoten einen Deal zu machen ist sehr riskant", warnt Weimer.

Kipping sieht als eine der Ursachen für die Flüchtlingssituation das Dublin-Verfahren, nach dem vor allem die Länder mit einer EU-Außengrenze für deren Sicherung verantwortlich waren.

"Jetzt rächt es sich, dass man in der Flüchtlingsfrage lange auf ärmere Länder gesetzt hat", glaubt die Linken-Chefin.

Dennoch setzt sie ebenfalls auf europäische Solidarität und fordert sie auch von den Aufnahmeverweigerern: "Ich finde nicht, dass nationale Souveränität als Ausrede genutzt werden darf, Menschenrechte mit Füßen zu treten."

Die Flüchtlingssituation ist kein deutsches Problem

CDU-Politiker Spahn findet das "hochnäsig". Nur wenn man auf diese Länder zugehe und versucht, deren Positionen zu verstehen, seien Kompromisse und Lösungen möglich.

Das gelte auch für Erdogan oder Putin. "Glauben Sie, dass dieses Problem ohne die Türkei gelöst werden kann?", fragt er Schwan und Weimer.

Die Flüchtlingssituation lasse sich auch nicht als "deutsches Problem" reduzieren, merkt er an, angesichts der Konflikte und Armut im Nahen Osten und Afrika. Immerhin stehe derzeit endlich wieder Geld zur Verfügung, um die Flüchtlingslager in Syrien und den Nachbarländern mit dem Nötigsten zu versorgen.

Spahn sucht aber auch für die derzeit zerrissene Union einen Kompromiss. Man setze nicht allein auf Europa, sondern parallel auch auf "nationale Lösungen", erklärt er.

Damit nähert er sich der Position der CSU. "Wir müssen die Kontrolle über unsere Grenze zurückerlangen", betont er mehrmals.

Deutschland solle denjenigen, die keine Aussicht auf Anerkennung von Asyl habe, signalisieren, dass sie nicht kommen sollen.

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