Noch immer wird die Weltmeisterschaft 2006 als Paradebeispiel für ein gelungenes Fußball-Fest herangezogen. Unsere Redaktion hat bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinen Ministerinnen und Ministern nachgefragt, was sie von der EM im eigenen Land erwarten.

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18 Jahre ist das deutsche Sommermärchen nun her. Nachdem die vergangenen Monate und Jahre fordernd waren, für Deutschland, Europa und die ganze Welt, wird der Wunsch nach einer Wiederholung der Euphorie von damals wieder laut. Die Gesellschaft, hieß es damals, sei durch die WM 2006 zusammengerückt.

Mit Blick auf wachsende Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker oder Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, auf den großen Zuspruch für die AfD und die großen Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, wünschen sich viele eine Befriedung durch den Sport.

Zu Sommermärchenzeiten war die deutsche Nationalflagge überall zu sehen. Fähnchen hingen an Autofenstern, Biergarnituren wurden mit schwarz-rot-goldenen Papiertischdecken ausgelegt. Ein spielerischer Umgang mit den deutschen Nationalfarben – vor 2006 war das lange Zeit kaum denkbar. Gleichzeitig ist das deutsche Verhältnis zur Nation und nationalen Symbolen nach wie vor angespannt.

Unsere Redaktion hat bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Bundesministern nachgefragt, wie viel Schwarz-Rot-Gold-Euphorie in Ordnung ist und mit welchen Merchandise-Artikeln sie während der EM-Zeit zu sehen sein werden.

Olaf Scholz freut sich auf Begeisterung im ganzen Land

"Je bunter, desto besser – das heißt neben Schwarz-Rot-Gold freue ich mich auch über viele andere Farben und Flaggen der Turniermannschaften", sagt Scholz dazu. Er wünsche sich in den kommenden Wochen eine große Begeisterung im ganzen Land für das Turnier und die Mannschaft, gerade weil wir endlich mal wieder Gastgeber sind.

Diese Freude, meint der Bundeskanzler, sollte man spüren, hören und auch zeigen können – "ob in den Biergärten, auf den Fanmeilen oder Zuhause vor dem eigenen Fernseher."

In den kommenden vier Wochen gelte daher noch mehr als sonst, dass Fußball die wichtigste Nebensache der Welt ist. "Natürlich geht es um guten Fußball und den sportlichen Wettkampf, genauso aber um Emotionen, Fairness, Begeisterung und eine freundschaftliche Stimmung", sagt Scholz. Wenn sich diese Stimmung am Ende übertragen lasse, hätten alle etwas davon.

Anfang Juni hat sich Olaf Scholz gemeinsam mit Ex-Nationalspieler Philipp Lahm und freiwilligen EM-Helfern getroffen. © IMAGO images/Langer

Mit Blick auf Fan-Artikel erklärte er: "Als Bundeskanzler begleitet mich die deutsche Fahne nahezu überall hin. Damit repräsentieren wir unser Land – und das nicht nur in Zeiten der EM."

Robert Habeck findet das pinke Trikot "klasse"

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt hingegen auf das pinke Trikot der National-Elf. Er sagt auf Anfrage unserer Redaktion: "Ich finde die pinken Trikots klasse – eins hängt auf jeden Fall griffbereit in meinem Büro." Aus Sicht des Wirtschaftsministers ist auch Schwarz-Rot-Gold-Euphorie zur EM völlig in Ordnung. Habeck führt aus: "Die Farben stehen für unser Land, unsere Demokratie und für unsere Mannschaft."

Robert Habeck ist bekennender Fußball-Fan. © IMAGO images/Sven Simon

Er hofft, dass Fußball-Fans aus ganz Europa einen tollen EM-Sommer in Deutschland erleben können. "Ich bin Wirtschaftsminister, aber eben auch Fan. Ich wünsche mir, dass wir als Fans die Mannschaft von Spiel zu Spiel tragen", fügt er an.

Wenn sich die Begeisterung, die mit dem Fußball-Fest einhergeht, auf das Land übertragen würde, wäre das "natürlich schön". Gerade nach den vergangenen Jahren, die mit Corona-Pandemie und der Energie- und Wirtschaftskrise infolge des russischen Angriffskriegs schwierig gewesen seien, sei es nun an der Zeit, "großartige Wochen" zu haben.

Hubertus Heil will mit EM neue Standards für faire Arbeitsbedingungen setzen

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wünscht dem Land ein Sommermärchen 2.0. Seine Hoffnung: gemeinsam mit Fans aus ganz Europa viele schöne Tore bejubeln. "Mein Jubel wird sicherlich etwas größer ausfallen, wenn es unsere Elf ist, die trifft", sagt Heil.

Hubertus Heil stimmt sich mit einem Kopfball schon einmal auf die EM ein. © IMAGO/Beautiful Sports/Gawlik

Das Schöne am Fußball sei, "dass er Menschen über Landes- und Sprachgrenzen hinweg verbindet, und genau das wünsche ich mir für uns als Gastgeberland." Alle Gäste, stellt Heil klar, sollen sich in Deutschland wohlfühlen können.

Gleichzeitig werde die Europameisterschaft "ein Heimspiel für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen. Vom Ball bis zum Schal geht es darum, faire Lieferketten umzusetzen." Dadurch sollten Standards für sportliche Großveranstaltungen geschaffen werden, die weit über die EM hinausreichten.

Marco Buschmann: Neues Sommermärchen würde Zusammenhalt guttun

Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat sein National-Elf-Trikot bereits einige Tage vor dem Anpfiff der EM ausgeführt, genauer gesagt am bundesweiten Trikottag. "Natürlich werde ich das auch bei der EM tragen und mitfiebern", betont Buschmann gegenüber unserer Redaktion. Euphorie könne man nicht verordnen, merkt er an, sie gehöre aber dazu "wie der Ball auf dem Platz".

"Eine Europameisterschaft ist ein großes Fest des Sports – gerade auch für das Gastgeberland. Die Menschen freuen sich darauf", sagt er dazu. 2006, während der WM mit "wochenlangem Sonnenschein und sportlich mitreißenden Partien" habe sich in Deutschland etwas bewegt. Buschmann sagt: "Ich hoffe, dass auch die EM in diesem Jahr wieder zu einem Sommermärchen wird. Dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land würde das sicherlich guttun."

Annalena Baerbock sucht die Deutschlandsocken heraus

"Schwarz-Rot-Gold sind die Farben unseres Landes, unserer Demokratie, unserer Vielfalt", erklärt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Es sei großartig, dass sich diese Farben auch in der Nationalmannschaft und dem ganzen Turnier widerspiegelten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) musste schon häufiger ihr Fußball-Talent unter Beweis stellen. © IMAGO images/photothek/Florian Gaertner

Fußball bringe die Gesellschaft zusammen. "Jede Sportlerin, jeder Sportler kennt das Gefühl, gemeinsam durch tiefe Täler der Tränen zu gehen und sich beim Sieg himmelhoch jauchzend in den Armen zu liegen." Das sei in Politik und Wirtschaft nicht anders als im Sport – im Team sei man stärker.

"Die EM kann dieses Wir-Gefühl, diese Zuversicht, aus den Stadien in die Herzen der Menschen bringen – auch über das Sportfest hinaus", sagt die Außenministerin. Sie selbst werde während der EM ihr Trikot auspacken. "Und Deutschlandsocken von der letzten WM liegen, glaube ich, auch noch irgendwo in der Schublade."

Lisa Paus hofft auf "Weltoffenheit" und "Superstimmung"

Für Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist klar: Sie will alle Farben Europas auf Deutschlands Straßen sehen. "Ganz nach dem Motto des Turniers 'Heimspiel für Europa'". Als Gastgeberland werde demnach auch die deutsche Flagge zu sehen sein. "Wir hoffen auf tolle sportliche Leistungen, eine Superstimmung, Weltoffenheit und ein friedliches gemeinsames Fußball-Fest", stellt Paus klar.

Als Familien- und Jugendministerin ist Lisa Paus auch das Vereinsleben und deren gesellschaftliche Bedeutung wichtig. © IMAGO images/photothek/Janine Schmitz

Die Europameisterschaft könne die Stimmung im Land verändern, weil durch das gemeinsame Mitfiebern Unterschiede zur Nebensache würden, glaubt die Familienministerin. "Über 'die schönste Nebensache der Welt' – den Fußball – kommen wir ins Gespräch. Das kann ein Gefühl des Zusammenhalts schaffen." Paus hofft, dass dieses Gefühl über die EM hinaus erhalten bleibt und zu mehr Dialog und Verständigung in Europa beitragen kann.

Sie wird in den kommenden Wochen das pinke Trikot der Nationalmannschaft tragen. "Pink kann wirklich jeder tragen", ist Paus überzeugt. Und schließt an: "Ich hoffe auf eine friedliche EM ohne Rassismus und Sexismus. Und natürlich, dass Deutschland die EM im eigenen Land gewinnt! Ich drücke unserem Team ganz fest die Daumen."

Für Svenja Schulze kann es nicht genug Begeisterung geben

Entwicklungsministerin Svenja Schulze will sich auf der Berliner Fanmeile selbst ein Bild von der Euphorie der Fußball-Fans machen. Sie meint: "Begeisterung kann es gar nicht genug geben, solange Fairplay im Vordergrund steht!"

Für Svenja Schulze ist Fairness auch in der Produktion von EM-Material wichtig. © IMAGO images/photothek/Janine Schmitz

Schulze zeigt sich begeistert, dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile auch im Fußball angekommen ist. Etwa fair produzierte Armbinden und nachhaltige Fan-Artikel.

Fußball verbinde Menschen und Kulturen, daher hoffe sie, dass die EM Brücken bauen wird. Sowohl zwischen den Ländern Europas als auch im eigenen Land.

Verwendete Quelle

  • Anfragen an die Ministerien

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