In der FDP rumort es. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen erlebte die Partei ein Debakel. Verlieren die Liberalen jetzt die Nerven und lassen die Ampel platzen? Fragen an Franziska Brandmann, die Chefin des Parteinachwuchses.
Hinter der FDP liegt ein Wochenende zum Vergessen – mal wieder. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kam die Partei unter die Räder. In beiden Ländern sind die Liberalen auf eine 1-Prozent-Partei geschrumpft. Es ist ein Muster, das sich wiederholt: Seitdem die FDP im Bund mit SPD und Grünen regiert, wird sie bei Wahlen abgestraft.
In der Partei werden die Ampel-Kritiker wieder lauter, die ein Ende der ungeliebten Koalition fordern. Die Chefin der Jungen Liberalen (Julis), Franziska Brandmann, hält davon nichts. Sie hat aber klare Erwartungen an das letzte Ampel-Jahr vor der Bundestagswahl – und an Kanzler
Frau Brandmann, bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die FDP ein Debakel erlebt. Wackelt jetzt die Ampel?
Franziska Brandmann: Ehrlich gesagt treibt mich nicht die Sorge um die Ampel, sondern die Sorge um unser politisches System um. In Thüringen hat die AfD jetzt Einfluss auf die Besetzung des Verfassungsgerichts. Das ist ein Debakel für die gesamte demokratische Mitte.
In der FDP hat eine Basis-Initiative Parteichef Christian Lindner per Brief aufgefordert, die Ampel zu verlassen – oder Platz an der Spitze zu machen.
Ich wünschte mir, ich hätte alle Parteimitglieder, die jetzt Briefe schreiben, vorher auch in Sachsen im Wahlkampf gesehen. Klar ist: Das Ergebnis der Landtagswahlen muss die demokratischen Parteien wachrütteln. Aus meiner Sicht haben die Wähler der demokratischen Mitte deutlich gemacht, dass zu wenig gehandelt wird. Eine Abstimmung über den Parteivorsitz der FDP war das nicht.
Viele meinen: Das Problem ist die Ampel. Inzwischen hat auch die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen die Koalition infrage gestellt. Sie ist bislang nicht als Scharfmacherin aufgefallen.
Die Ampel ist kein Selbstzweck. Sie funktioniert nur, wenn sie uns ermöglicht, das Land zum Besseren zu verändern. Die Menschen erwarten, dass sich Grundlegendes ändert: in der Migrationspolitik, in der Wirtschaftspolitik, bei der Rente. Wenn das möglich ist, kann die Ampel Bestand haben. Wenn das nicht möglich ist, reicht es einfach nicht.
Die Ampel ist als selbsternannte Fortschrittskoalition gestartet, inzwischen dominieren Streit und Missgunst. In einer Ehe würde man sagen: zerrüttet.
Ja, das ist kein "In aller Freundschaft". Die Regierungsparteien sind sich in zentralen Fragen wie dem Haushalt und der Migration uneinig. Das ist nervenaufreibend. Ich bin aber nicht in die Politik gegangen, weil ich ein angenehmes Hobby gesucht habe. Deshalb ist der Maßstab, an dem ich die Ampel jetzt messe, nicht, ob ich das Gefühl habe, dass sich alle Beteiligten wohlfühlen, sondern eher, ob sich in den entscheidenden Bereichen etwas ändert.
Und was wäre das?
Beim Thema Rente muss sich etwas tun. Es kann nicht sein, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Stabilisierung unseres Rentensystems nur die stärksten Beitragserhöhungen aller Zeiten einfallen. Wir brauchen das Altersvorsorgedepot und eine echte Aktienrente. Auch bei der Wirtschaftswende dürfen wir nicht lockerlassen. Und: Die Migrationspolitik muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.
Ob die Koalition dafür die Kraft hat, ist fraglich.
Kürzlich schrieb ein Bekannter frustriert: "Wie kann es eigentlich sein, dass wir erst nach einem Anschlag wie in Solingen in der Lage sind, Straftäter, nach Afghanistan abzuschieben? Warum können wir nur LNG-Terminals bauen, wenn wir in einer akuten Energiekrise stecken? Wieso sind Sozialstaatsreformen erst möglich, wenn der Kollaps des Systems kurz bevorsteht?" Ich finde, das ist genau der Punkt. Olaf Scholz muss jetzt einen Konsens der demokratischen Mitte schaffen, der Raum für starke Reformen schafft – und wenn er das nicht kann, muss er Platz machen für jemanden, der es kann.
Sie wollen die großen Themen angehen, die FDP schien zuletzt aber auf Populismus zu setzen, etwa mit der Forderung nach mehr Autos in Innenstädten oder kostenlosen Parkplätzen.
Als Liberale bin ich gegen Flatrates – auch beim Parken. Mir ist wichtig, dass Mobilität kein Luxusgut ist und jeder Mensch das für sich beste Verkehrsmittel auswählt. Auf dem Land ist das oft das Auto, in der Stadt sieht es oft anders aus. Ich wünsche mir intelligente Lösungen für Stadt und Land, Freiheit für Innovation und weniger Schaum vor dem Mund.
Juli-Chefin Brandmann: AfD und BSW sind ein Sicherheitsrisiko
Am 22. September wählt Brandenburg. Auch dort sieht es in den Umfragen nicht gut aus für die FDP. Warum tun sich die Liberalen im Osten so schwer?
Mit der AfD und dem BSW gibt es zwei Parteien, die auf den ersten Blick vermeintlich einfache Lösungen anbieten. Auf den zweiten Blick sind sie ein Sicherheitsrisiko. Stellen Sie sich vor, Höcke oder Wagenknecht hätten in Zukunft Einfluss auf die Polizei. Das ist ein Risiko, zu dem niemand bereit sein sollte. In Brandenburg gibt es viele Menschen, die sagen "Ich möchte frei leben, nicht bevormundet werden, ich glaube an meine eigene Stärke" – das ist urliberal. Die müssen wir für uns begeistern.
In Brandenburg sitzt die FDP aktuell nicht im Landtag. Ist ein Scheitern in Potsdam also schon eingepreist?
Sicher nicht. Ich bin in den nächsten Wochen mehrmals dort, um Wahlkampf zu machen. Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen sollten jeden motivieren, alles zu geben. Ich möchte, dass jeder liberal denkende Mensch in Brandenburg ein starkes Angebot von uns bekommt.
Über die Gesprächspartnerin
- Franziska Brandmann (30) ist seit 2021 Chefin der Jungen Liberalen (Julis). Die gebürtige Münsteranerin ist seit 2009 Mitglied der Julis, kurze Zeit später trat sie auch der FDP bei. Brandmann studierte Politikwissenschaft in Bonn und Oxford. In der FDP setzt sie sich für marktwirtschaftliche Reformen und gesellschaftliche Liberalität ein. Brandmann möchte 2025 für den Bundestag kandidieren.
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