Nord Stream 2, Verteidigungsausgaben, Handelsdefizit: Die Liste der Streitthemen zwischen Deutschland und den USA ist schon lang genug. Jetzt scheint US-Präsident Donald Trump auch noch etwas vorzuhaben, was an den Grundfesten der Beziehungen beider Länder rüttelt: Truppenabzug.
In Berlin hat man sich inzwischen an die Attacken und Drohungen
Truppenabzug: Was plant Trump?
Nach übereinstimmenden US-Medienberichten will Trump die US-Truppenpräsenz hierzulande von derzeit 34.500 Soldaten um 9.500 reduzieren. Außerdem solle eine Obergrenze von 25.000 US-Soldaten in Deutschland eingeführt werden, wie das "Wall Street Journal" berichtete. Offiziell bestätigt ist der Abbau noch nicht. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Ullyot, teilte lediglich mit, Trump überprüfe den Einsatz von US-Soldaten im Ausland ständig. Die USA seien "weiterhin entschlossen, mit unserem engen Verbündeten Deutschland zusammenzuarbeiten".
Wohin sollen die Truppen aus Deutschland?
Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf einen ungenannten Regierungsmitarbeiter, ein Teil der 9.500 Soldaten solle nach Polen geschickt werden, ein Teil in andere verbündete Länder und ein Teil solle in die USA zurückkehren. Trump hatte bereits im Juni vergangenen Jahres eine Verlegung von Truppen von Deutschland nach Polen ins Spiel gebracht. Anlass war der Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda im Weißen Haus. Mit ihm versteht sich Trump deutlich besser als mit
Warum will Trump die Soldaten aus Deutschland abziehen?
Der damalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hatte im vergangenen August gesagt, es sei "wirklich beleidigend" zu erwarten, dass die US-Steuerzahler für die amerikanischen Truppen in Deutschland bezahlten, während die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwendeten. Trump argumentierte in der Vergangenheit (sehr verkürzt), dass Deutschland Abermilliarden Euro für Gas an den "potenziellen Feind" Russland zahlt, sich im Ernstfall aber von den USA beschützen lassen will - und gleichzeitig bei den Verteidigungsausgaben hinter den Nato-Verpflichtungen zurückbleibt. Polen lobt er dagegen für die Verteidigungsausgaben des Landes.
Was sind die Streitpunkte zwischen Berlin und Washington?
Die USA sind strikt gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern soll. Washington hat bereits Sanktionen erlassen, die den Bau verzögern. US-Senatoren unternahmen erst vor wenigen Tagen einen Vorstoß, die Strafmaßnahmen noch zu verschärfen. Im Handelskonflikt mit der EU droht Trump immer wieder mit Strafzöllen für Autoimporte, was besonders deutsche Hersteller treffen würde. Auch beim Iran liegen die USA und Deutschland nicht auf einer Linie. Zuletzt dürfte sich Trump darüber geärgert haben, dass Merkel seine Pläne für einen G7-Gipfel schon diesen Monat im Weißen Haus durchkreuzte.
Ist der geplatzte G7-Gipfel Auslöser der Abzugspläne?
Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf eine mit der Entscheidung vertraute Quelle, Trumps Truppenabzugspläne hätten nichts damit zu tun. Merkels Absage wegen der Pandemie dürfte das Verhältnis zu Trump aber nicht verbessert haben. Der US-Präsident wollte den Gipfel im Weißen Haus als Signal der Wiedereröffnung der USA nach der Coronakrise inszenieren, die allerdings noch nicht vorbei ist. Der Präsident will angesichts der verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft möglichst schnell zur Normalität zurückkehren. Nach Merkels Absage sah sich Trump veranlasst, den Gipfel voraussichtlich auf September zu verschieben. Das kommt ihm im Wahlkampf sicher nicht zupass.
Haben die USA die Bundesregierung konsultiert?
Nein. Die Bundesregierung wurde von den Plänen kalt erwischt. Man erfuhr erst aus den Medien davon. Es sei "sehr irritierend, dass die Pläne nicht mit der Bundesregierung besprochen worden sind", sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, der Deutschen Presse-Agentur. Trump vernachlässige damit "eine elementare Führungsaufgabe: Die Einbindung der Bündnispartnern in Entscheidungsprozesse", meinte auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte der dpa, Trump breche aus Wahlkampfgründen "einen weiteren Stein aus der Mauer des transatlantischen Verhältnisses".
Warum wäre ein Truppenabzug für Deutschland so schmerzhaft?
Die US-Truppen galten in der Zeit des Kalten Krieges als Sicherheitsgarant für die Bundesrepublik Deutschland. Die Truppenstationierung ist aber auch heute noch ein wesentliches Bindeglied zwischen beiden Ländern. Da ist einerseits der zwischenmenschliche Aspekt: Über die Jahrzehnte sind Tausende Freundschaften, Partnerschaften und Ehen zwischen Deutschen und Amerikanern entstanden. Für die Regionen um die US-Stützpunkte kommt der wirtschaftliche Aspekt hinzu. Allein in Rheinland-Pfalz werden mehr als 7.000 deutsche Ortskräfte von den US-Streitkräften beschäftigt. Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein generiert Schätzungen zufolge jedes Jahr zwei Milliarden US-Dollar an Löhnen, Gehältern, Mieten und Aufträgen in der regionale Wirtschaft.
Ist der Abzug militärisch sinnvoll?
Das ist zumindest zweifelhaft. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen in Europa, Ben Hodges, nennt die Pläne einen "kolossalen Fehler". Die Entscheidung sei rein politisch motiviert und folge keiner Strategie, schrieb er auf Twitter. Sie sei zudem ein "Geschenk an Putin". Fest steht jedenfalls, dass die USA ihre Truppen nicht nur als Wohltat für Deutschland oder die Nato in Deutschland stationiert haben. Ramstein zum Beispiel ist das Drehkreuz, über das die USA Truppen und Nachschub in ihre Einsatzgebiete im Nahen Osten oder Afrika bringen. Im nahe gelegenen Landstuhl befindet sich das größte US-Lazarett außerhalb der Vereinigten Staaten, im bayerischen Grafenwöhr einer der größten Truppenübungsplätze Europas und in Stuttgart die Kommandozentralen für die US-Truppen in Europa und Afrika.
Was passiert, wenn Trump wirklich ernst macht?
Ein US-Truppenabzug würde den Ruf nach mehr europäischer Eigenständigkeit in Sicherheitsfragen noch lauter werden lassen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Die militärische Schlagkraft der Nato stützt sich weiterhin überwiegend auf die Streitkräfte und die Waffen der Großmacht USA. (mgb/dpa)
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