Vierzig Jahre lang wurde der 8. Mai 1945 in Deutschland als Tag der Niederlage gesehen. Doch 1985 stellte Bundespräsident von Weizsäcker klar: Es war ein Tag der Befreiung. Nun wird sein Nachfolger Steinmeier sprechen. Schon vorab ist absehbar: Es wird ein ungewöhnlicher Tag.

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Deutschland gedenkt an diesem Freitag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der von Hitler-Deutschland entfesselte Krieg in Europa.

Er kostete hier und in Asien - je nach Schätzung - zwischen 55 und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben. Unter ihnen waren auch 6 Millionen europäische Juden, die die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn ermordet haben.

In Berlin werden die Spitzen der fünf Verfassungsorgane diesen Tag der Befreiung würdigen. Vorgesehen ist eine Kranzniederlegung an der Neuen Wache, der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird im Anschluss eine Rede halten. Teilnehmen werden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Präsidenten des Bundestags, Bundesrats und Bundesverfassungsgerichts, Wolfgang Schäuble (CDU), Dietmar Woidke (SPD) und Andreas Voßkuhle.

Geplanter Staatsakt musste wegen Corona-Pandemie abgesagt werden

Ursprünglich hatte Steinmeier für den 8. Mai einen Staatsakt angeordnet, die höchste mögliche Form der Würdigung eines Ereignisses durch den Staat. Einen Staatsakt am 8. Mai hat es bislang nur einmal gegeben, 1995 unter Bundespräsident Roman Herzog. Die Veranstaltung an diesem Freitag vor dem Reichstagsgebäude mit 1.600 Gästen wurde jedoch wegen der Corona-Pandemie abgesagt.

Zehn Jahre zuvor hatte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai 1945 in einer auch international viel beachteten Rede im Bundestag als "das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte" eingeordnet und betont: "Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft."

Schäuble: Haben eine Verpflichtung für Europa

Bundestagspräsident Schäuble machte nun deutlich, dass Deutschlands Einbindung in Europa die richtige Antwort auf den Zweiten Weltkrieg und die NS-Diktatur gewesen sei. "Aus dem Kriegsende folgt die Verpflichtung für Europa", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Fünf Jahre und einen Tag nach der Befreiung habe der damalige französische Außenminister Robert Schuman 1950 die Initiative für die Vereinigten Staaten von Europa ergriffen. "Das war und bleibt die richtige Antwort auf den Abgrund."

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg begrüßte, dass ein "würdiger Ersatz" für den Staatsakt gefunden worden sei. "Das Erinnern und Gedenken ist gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Um unserer eigenen Identität und Verantwortung willen und als Signal an unsere Alliierten: Der Zusammenhalt unter Völkern ist stärker als Differenzen zwischen Regierungen."

Auch andere Staaten gedenken des Kriegsendes

Auch in anderen Staaten wird am 75. Jahrestag des Kriegsendes gedacht. So will in Paris der französische Staatspräsident Emmanuel Macron an der Seite hoher Militärs an einer Feier am Triumphbogen (10:45 Uhr) teilnehmen. Auch hier wird es kein Publikum geben.

In London will Queen Elizabeth II. am späten Abend (22:00 Uhr) eine Fernsehansprache halten - genau 75 Jahre nach der Ansprache ihres Vaters, König George VI., im Radio. Während des Zweiten Weltkriegs machte Elizabeth eine Ausbildung zur Lastwagenfahrerin und -mechanikerin in der Armee. Als Nazi-Deutschland kapitulierte, mischte sie sich unerkannt unter die Feiernden in London.

In Moskau sind die Planungen ebenfalls der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Kremlchef Wladimir Putin wollte den Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland eigentlich mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt groß feiern. Die geplante Militärparade wurde jedoch verschoben. Die Sowjetunion zählte im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Tote - mehr als jedes andere Land. (dpa/ank)

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