1.001 Delegierte an einem Ort zusammenrufen, während der Rest des Landes zu Hause bleiben soll, halten immer mehr CDU-Politiker für falsch. Zugleich drängt wegen des proppenvollen Wahljahres 2021 die Nachfolgefrage an der Parteispitze. Für ihren geplanten Parteitag im Dezember bleiben den Christdemokraten mehrere Möglichkeiten.

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Die CDU kommt im Dezember in Stuttgart zu ihrem wichtigsten Parteitag seit Jahrzehnten zusammen. Punkt. Das war zumindest der Standpunkt von Wolfgang Schäuble vor zwei Monaten.

Mittlerweile ist die Corona-Situation in Deutschland gekippt, die zweite Welle der Infektionen rollt mit voller Wucht über die Bundesrepublik hinweg. Wie das Nachrichtenportal "The Pioneer" berichtet, mahne CDU-Präsidiumsmitglied und Bundestagspräsident Schäuble intern nun an: Der CDU-Parteitag soll ins kommende Jahr verschoben werden,

Allerdings gibt es auch etliche Stimmen, die glauben, mit einer Verlegung auf 2021 wäre nichts gewonnen. Bleibt der 4. Dezember – aber welche Optionen bleiben der CDU?

CDU sucht AKK-Nachfolger

"Für uns als CDU ist es diesmal besonders wichtig, dass der Parteitag möglichst durchgeführt wird, wir handlungsfähig bleiben und gut aufgestellt in das kommende Wahljahr starten", betont die Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig auf Anfrage unserer Redaktion. Das Treffen müsse "so effektiv wie möglich" abgehalten und zugleich Delegierte, Journalisten und Gäste optimal geschützt werden.

Bei dem auf einen Tag verkürzten Treffen Anfang Dezember soll ein Nachfolger für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt werden. Doch der geplante Parteitag in Stuttgart wird in der Form immer unwahrscheinlicher.

Die Menschen im Land würden kaum verstehen, dass sich 1.001 Delegierte versammelten, während wegen der Corona-Pandemie die Beschränkungen für die Bürger verstärkt würden, heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Donnerstag in der Parteiführung.

Dies gelte selbst dann, wenn die Hygienevorschriften mit dem vom Adenauerhaus ausgearbeiteten Schutz- und Warnsystem eingehalten werden könnten. Die CDU steht somit vor mehreren Problemen:

  • Erstens ist die Partei gesetzlich dazu verpflichtet, alle zwei Jahre den Parteivorstand zu wählen.
  • Und zweitens muss die Wahl als Präsenztreffen stattfinden (und kann nicht etwa digital erfolgen). So legt es die CDU-Satzung fest.

"Die CDU-Bundesgeschäftsstelle bereitet sich akribisch auf die besonderen Bedingungen vor", sagte Norbert Röttgen vergangene Woche im Interview mit unserer Redaktion. Neben dem Außenpolitiker gelten NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz als Kandidaten mit den besten Erfolgsaussichten. Der Sieger dürfte auch den Erstzugriff auf die Kanzlerkandidatur haben.

CDU-Parteitag im Fußballstadion?

Wenn die Christdemokraten den Parteitag nicht verschieben wollen, bleiben ihnen nur zwei Optionen:

  • "Der Plan B ist, den Ort zu wechseln, wenn Stuttgart aus Pandemiegründen als Austragungsort ausfällt", erklärte Röttgen. Er schlug vor, das Treffen etwa in ein Fußballstadion zu verlegen, wo eine große räumliche Distanz realisierbar wäre. Am Donnerstag erfuhr unsere Redaktion allerdings aus CDU-Kreisen, dass eine Verlegung "nicht ernsthaft" diskutiert werde, weil auch jeder Ausweichstandort zum Hotspot werden könnte.
  • Nach Informationen unserer Redaktion und der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mehren sich im CDU-Vorstand Stimmen, die eine Hybrid-Lösung anvisieren: eine zeitgleiche Wahl an mehren Standorten, bei der die Parteispitze mit den Kandidaten an einem Ort zusammenkommt. Die Bewerbungsreden würden dann per Videokonferenz live an den anderen Standorten zu sehen sein. Die Wahl könnte entweder durch einen physischen Urnengang oder durch Briefwahl erfolgen. Dies ist seit der vor wenigen Wochen erfolgten Änderung des Bundeswahlgesetzes rechtlich möglich.

Endgültig entscheiden will sich die CDU am kommenden Montag. Die CDU-Spitze wird in Sitzungen von Präsidium und Vorstand über Alternativen beraten. Dabei spielen natürlich auch taktische Motive eine Rolle. Im März finden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bereits erste Landtagswahlen statt - ist es besser, dann einen neuen Vorsitzenden zu haben? Oder lieber erst danach?

Stand Donnerstag will die Partei an einem Präsenzformat festhalten, heißt es aus Parteikreisen. "Wir haben das Infektionsgeschehen permanent im Blick", erklärte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Gespräch mit "Bild Live". Der Parteitag sei "keine Party". Parteien spielten im Grundgesetz eine besondere Rolle.

Es müsse abgewogen werden zwischen dem Gesundheitsschutz in der Corona-Pandemie und der gesetzlichen Pflicht, alle zwei Jahre den Parteivorstand zu wählen, sagte CDU-Vize Armin Laschet in Düsseldorf.

Landesparteitag als Vorbild

Vorbild für die Bundes-CDU könnte nach dpa-Informationen die vorgesehene Organisation des Landesparteitages der niedersächsischen Christdemokraten am 7. November sein.

Das dortige Parteipräsidium hatte nach einer Sitzung am Dienstag vorgeschlagen, den Landesparteitag an vier verschiedenen Standorten in Präsenz und digital gleichzeitig zu organisieren. Man mache von der jüngsten Änderung des Parteiengesetzes Gebrauch, die es ermögliche, Parteitage mit Wahlen an verschiedenen Orten zu organisieren.

Eigentlich wollte die Bundes-CDU schon im Frühjahr einen neuen Vorsitzenden wählen. Bereits dieser Parteitag musste verschoben werden – wegen Corona.

Mit Material von dpa und AFP.
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