Der Bundeswehr fehlt Personal. Der Verteidigungsminister denkt über eine Rückkehr zur Wehrpflicht nach. Längst ist die Debatte entbrannt, ob nicht alle jungen Menschen einen Pflichtdienst leisten sollten. Ist das wirklich eine gute Idee?

Meine Meinung
Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Fabian Busch und Fabian Hartmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Zumindest in einem Punkt herrscht Einigkeit: Die Bundeswehr soll modernisiert und aufgerüstet werden. Daran lässt die Politik keinen Zweifel. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben Militär und Verteidigungsfähigkeit in Deutschland einen neuen Stellenwert bekommen.

Mehr aktuelle News

Dafür braucht die Truppe mehr Geld und auch mehr Personal. Das Problem: Bereits heute fehlen Zehntausende Soldaten – und die Bundeswehr soll weiter wachsen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) würde am liebsten zur Wehrpflicht zurückkehren. Die CDU geht noch einen Schritt weiter und fordert ein Pflichtjahr für alle jungen Menschen, also auch für Frauen.

Ist das die richtige Antwort auf die neue Sicherheitslage in Europa? Darüber streiten unsere Redakteure.

Stimmen Sie am Ende ab, welcher Meinungstext Sie mehr überzeugt hat.

Pro: Wehrdienst ist ein Dienst für die Gemeinschaft

Von Fabian Busch

Es lebt sich ziemlich gut als junger Mensch in Deutschland. Wer hier aufwächst, hat wenig Pflichten, dafür viele Rechte und Vergünstigungen. Es gibt kostenlose Bildung, die Eltern erhalten Kindergeld. Junge Menschen sind in aller Regel krankenversichert und müssen nicht arbeiten, sie können ihre Meinung äußern, später jeden Beruf wählen, den sie sich wünschen.

Wenn sich junge Erwachsene in Zukunft ein paar Monate in den Dienst dieser Gemeinschaft stellen müssen, ist das nicht zu viel verlangt. Im Gegenteil. Die Rückkehr der Wehrpflicht ist ein Dienst für diese Gemeinschaft.

In den vergangenen Jahren hat sich eine seltsame Anspruchshaltung in Teilen der Gesellschaft breitgemacht. Überspitzt ausgedrückt: Der Staat soll für eine funktionierende Infrastruktur und für innere und äußere Sicherheit sorgen, den Leuten aber ansonsten nicht auf die Pelle rücken.

Aber der Staat ist kein Dienstleister und wir nicht seine Konsumenten. Er darf – ja, er muss – seinen Bürgerinnen und Bürgern auch etwas zumuten. Denn der Staat – das sind wir alle. Ein Gemeinwesen ist immer die Summe seiner Menschen. Ein Dienst bei der Bundeswehr oder auch ersatzweise im Krankenhaus, Altenheim oder Naturschutz kann gerade jungen Menschen diese Verbindung in Erinnerung rufen und die Bindung zum Gemeinwesen stärken. Davon profitiert der Einzelne genau wie wir alle zusammen.

Zur Erinnerung: Der Wehrdienst war sowohl in West- wie in Ostdeutschland schon einmal jahrzehntelange Realität. Natürlich gingen damals viele junge Menschen nicht freiwillig zur Bundeswehr oder leisteten ersatzweise einen Zivildienst ab. Aber fragen Sie mal die Dienstpflichtigen von damals, ob sie diese Zeit heute bereuen. Bei den allerwenigsten dürfte das der Fall sein.

Contra: Die Bundeswehr der Zukunft braucht keine Wehrpflichtigen

Von Fabian Hartmann

Der Verteidigungsminister lässt nicht locker. "Ganz ohne Pflicht wird es nicht gehen", sagt Boris Pistorius (SPD). Mittelfristig könnte das heißen: Junge Menschen werden auch gegen ihren Willen eingezogen. Das Comeback der Wehrpflicht also.

Wir erinnern uns: 2011 wurde sie in Deutschland, übrigens von einem CSU-Verteidigungsminister, ausgesetzt. Dafür gab es gute Gründe. Der Kalte Krieg war längst vorbei, die Bundeswehr in entlegenen Regionen wie Afghanistan im Einsatz – da, wo Wehrpflichtige nicht gebraucht werden. Und überhaupt: Wer als junger Mann zum Dienst eingezogen wurde und wer nicht, glich einer Lotterie. Wehrgerechtigkeit? Von wegen.

Natürlich: Die Sicherheitslage in Europa, ja in der Welt hat sich seitdem massiv verändert – leider nicht zum Guten. Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zäsur. Die Friedensdividende ist aufgebraucht.

Es ist daher richtig, dass der Verteidigungsminister Druck macht. Es braucht mehr Geld – und übrigens auch Wertschätzung – für die Truppe. Die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr können nur der erste Schritt sein.

Was es aber nicht braucht, ist eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Die Bundeswehr der Zukunft muss eine moderne, kriegstüchtige Armee sein. Eine, die agil agiert und hoch spezialisiert ist. Dafür braucht es Profis, keine Wehrdienst-Praktikanten. Mal ganz davon abgesehen, dass die Strukturen für einen neuen Pflichtdienst an der Waffe gar nicht mehr vorhanden sind, es fehlt an Kasernen, Material, Ausbildern.

Diejenigen, die meinen, dass junge Menschen – ob nun bei der Bundeswehr oder alternativ in einer sozialen Einrichtung – ihren Zwangsbeitrag zum Wohl der Gesellschaft leisten sollen, vergessen dabei: In den Corona-Jahren war es vor allem die Jugend, die zurückstecken musste. Und: Deutschland steuert auf einen massiven Fachkräftemangel zu. Der Arbeitsmarkt braucht jeden Mann und jede Frau.

Die Diskussion um die Wehrpflicht führt in eine Sackgasse.

Braucht es eine Rückkehr zur Wehrpflicht?
Ihre Anfrage konnte leider nicht bearbeitet werden.
  • A
    Ja, ich stimme Fabian Busch zu.
  • B
    Nein, Fabian Hartmann hat mich überzeugt.
  • C
    Ich finde, beide haben gute Argumente.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.