• Unerwünschte Besucher haben im Bundestag Politiker bedrängt und versucht, in deren Büros zu gelangen.
  • Ein Sicherheitsbericht nennt drei AfD-Abgeordnete, die die Störer einschleusten.
  • Die Aktion hat unter Umständen strafrechtliche Folgen.

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Das aufsehenerregende Verhalten von Besuchern im Bundestag dürfte für einige Abgeordnete der AfD ein Nachspiel haben.

Der Partei-Abgeordnete Udo Hemmelgarn gab zu, dass einer der Gäste, über deren Verhalten es Beschwerden gab, am Mittwoch über ihn angemeldet wurde. Das erklärte AfD-Fraktionssprecher Marcus Schmidt am Donnerstag auf Anfrage.

Einem Sicherheitsbericht zufolge wurden die Störer außerdem von den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron und Hansjörg Müller eingeladen.

Der AfD drohen nun politische und möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Bundestagspolizei prüft die Ereignisse bereits, wie die Pressestelle des Bundestags auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte. Die Sicherheitsvorkehrungen in den Bundestagsgebäuden wurden verschärft. Die Bundestagspolizei patrouilliere dort nun in Uniform und mit Maschinenpistolen, sagte der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider .

Gauland weist Verantwortung zurück

Er kündigte am Donnerstag in Berlin zudem die Einstellung jeder auch technischen Zusammenarbeit mit der AfD-Fraktion an. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bedauerte die Vorfälle, wies aber jede Verantwortung dafür zurück.

Das ist eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzung, die in die Herzkammer der Demokratie zielt", sagte dazu Schneider nach Beratungen über die Vorfälle im Ältestenrat des Bundestages. Die AfD habe hier "ihre hässliche antidemokratische Fratze gezeigt".

Abgeordnete bedrängt, gefilmt und beleidigt

Am Mittwoch waren während der Debatte und Abstimmung über das geänderte Infektionsschutzgesetz mehrere Abgeordnete in Bundestagsgebäuden durch Gegner der Corona-Maßnahmen bedrängt worden, auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Gleiches galt offensichtlich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten. Die Störer streamten ihre Aktionen teils live ins Internet.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki betrachtet das Bedrängen von Abgeordneten durch Besucher am Rande der Debatte über das Infektionsschutzgesetz als Nötigung. Er fordert Konsequenzen für die daran beteiligten Abgeordneten.

"Ich gehe davon aus, dass dieser Fall nicht nur im Ältestenrat behandelt wird", sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. "Es müssen auch empfindliche Sanktionen für die beteiligten Abgeordneten erwogen werden."

Union und SPD haben zu den Vorfällen eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Bedrängung von Abgeordneten verurteilen - Die parlamentarische Demokratie schützen" beantragt. Sie soll am Freitagvormittag auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Fraktionen ziehen Konsequenzen für den Parlamentsbetrieb in Erwägung

Neben SPD-Politiker Schneider verwies auch Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte auf Paragraf 106 des Strafgesetzbuchs, der die "Nötigung von Mitgliedern eines Verfassungsorgans" oder den Versuch dazu mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren bedroht.

Alle Informationen über die Vorfälle würden nun gesammelt und dann der Staatsanwaltschaft übergeben, kündigte Schneider an.

Kubicki sagte der dpa, es sei zum wiederholten Mal passiert, dass Abgeordnete die "Türöffner für politische Agitatoren" geworden sind. "In diesem Falle ist die Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebes jedoch besonders gefährlich. Denn durch die direkte Ansprache der Abgeordneten im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz kann man von einer Nötigung ausgehen." Es komme eine Straftat nach Paragraf 106 Strafgesetzbuch in Betracht, zu der Abgeordnete auch Anstiftung oder Beihilfe leisten können. "Dies wird ernsthaft zu prüfen sein", sagte Kubicki.

Laut Korte soll im Kreis der parlamentarischen Geschäftsführer der übrigen Fraktionen außer der AfD über Konsequenzen für den Parlamentsbetrieb gesprochen werden. Dabei gehe es um Abläufe wie das Besprechen der Tagesordnungen oder zur Redezeit. "Nach den Vorfällen von gestern wird es so nicht weitergehen", stellte Korte klar.

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"Habt ihr 'ne Meise?"

Abgeordnete der AfD waren selbst von den Besuchern heimgesucht worden. In das Büro von Fraktionschefin Alice Weidel drangen nach Angaben ihres Sprechers Daniel Tapp mehrere Personen ein, die sich nicht vorgestellt hätten.

Die ungebetenen Gäste - die trotz der Aussetzung der Besucherregel durch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in das Gebäude gekommen waren, weil die Regelung für Mittwoch aus Sicherheitsgründen ausgesetzt wurde - hätten aus dem Fenster filmen wollen, er habe sie dann heraus gebeten, sagte Tapp.

Auf einem Video ist zu sehen, wie andere Besucher ohne Anmeldung in das Büro des parlamentarischen Geschäftsführers Baumann stürmen, wo sie ein Mitarbeiter mit dem Satz "Habt ihr 'ne Meise?" empfängt. (msc/mf)

Verwendete Quellen:

  • Telefonische und E-Mail-Anfrage an die Bundestagsverwaltung
  • Meldungen der Deutschen Presse-Agentur und der Nachrichtenagentur AFP
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