Vor dem Reichstag haben am Mittwoch Tausende gegen eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes demonstriert. Zeitgleich kam es auch im Parlamentsgebäude zu Protesten und Störungen – offenbar mit Unterstützung der AfD.
Es ist eine unwürdige Szene, umso mehr im Gebäude des Bundestags: Wirtschaftsminister
Die Frau redet auf Altmaier ein und sagt dabei in Richtung des CDU-Politikers: "Er hat kein Gewissen." Altmaier entgegnet ruhig, er vertrete seine Wähler. "Sie dürfen gerne demonstrieren, aber ich habe mein freies Gewissen."
Rebecca S. bezeichnet sich im Internet als Menschenrechtsverteidigerin, Journalistin und Filmemacherin, sie selbst hält das Gespräch mit Altmaier mit ihrem Handy fest. Bereits seit Längerem bewegt sie sich in rechten Kreisen.
Das verschaffte wohl ihr und mindestens einem halben Dutzend weiteren rechten Medienaktivisten Zugang zum Bundestag. Einer von ihnen, Thorsten Schulte, hatte bereits am Samstag auf seinem Telegram-Kanal angekündigt: "Ein Bundestagsabgeordneter wird mich in den Reichstag am Mittwoch lassen."
Kuhle: "Die AfD hat Personen ins Reichstagsgebäude eingeschleust"
So kam es dann auch, Fotos und Videoaufnahmen zeigen Schulte im Bundestag. Er ist bei der AfD gern gesehener Gast und sprach bereits in der Vergangenheit auf Veranstaltungen der Partei.
"Die AfD hat Personen ins Reichstagsgebäude eingeschleust, die Abgeordnete bedrängen und ihnen die Handykamera ins Gesicht halten", erklärt der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle auf Twitter. YouTube-Streams geben laut "Tagesspiegel" weitere Hinweise, dass die AfD den filmenden Aktivisten Zutritt zum Parlament verschaffte. Das Sicherheitspersonal im Bundestag hielt einige Aktivisten sogar für Mitarbeiter der Partei, wie in einem Livestream des AfD-Youtuber Stefan Bauer deutlich wurde.
Kuhle selbst sei ebenfalls von Rebecca S. angesprochen worden. Er habe die Frau vor dem Plenarsaal getroffen, sagte der FDP-Abgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe ihn gefragt, wie er abstimmen wolle. Er habe an dieser Stelle nicht mit einem Treffen gerechnet und sei weitergegangen.
"Die Personen tragen einen Gästeausweis und müssen daher durch ein MdB-Büro oder eine Fraktion angemeldet worden sein", bemerkt Kuhle in einem weiteren Tweet. Auch sein Parteikollege Johannes Vogel zeigte sich empört und forderte Konsequenzen.
Eingeschleuste Besucher versuchten, in Büros einzudringen
Der Bundestag hatte am Mittwoch über das neue Infektionsschutzgesetz entschieden. Es sieht konkrete Vorgaben für die vor allem von den Ländern verhängten Corona-Maßnahmen vor.
Die Novelle soll die Einschränkungen auf eine klarere rechtliche Grundlage stellen. Kritiker bemängeln zu weitreichende Eingriffe in die Grundrechte. Das Gesetz soll bereits am Donnerstag in Kraft treten.
Von Teilen der AfD über diverse rechtsextreme Gruppierungen bis hin zu selbsternannten "Querdenkern" war der Widerstand gegen die Änderungen am Infektionsschutzgesetz groß. Sie alle hatten zu Protesten in Berlin mobilisiert.
Am Tag der Abstimmung sorgten die Bundestagsbesucher für Irritationen. Laut der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Katja Mast sollen die eingeschleusten Personen zudem versucht haben, "in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen". Mast twitterte: "Ich bin fassungslos. Frei gewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern und zu bedrängen, ist das Allerletzte. Das Ziel: die Demokratie zersetzen."
Auch der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner berichtete von "mehreren Störern" in den Gebäuden. Diese hätten teilweise Abgeordnete angepöbelt und Mitarbeiter bedroht.
Eigentlich war Besucherregelung für Mittwoch ausgesetzt
Gegen die Änderungen am Infektionsschutzgesetz waren am Mittwoch im Berliner Regierungsviertel mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Weil sie massiv gegen die Maskenpflicht verstießen, löste die Polizei die Veranstaltung auf und setzte Wasserwerfer ein.
Die normalerweise gültige Regelung, wonach Abgeordnete sechs unangemeldete Besucher mit in den Bundestag nehmen können, wurde für den Mittwoch aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Ein Sprecher des Bundestags erklärte, Besucher müssten aber weiterhin die Sicherheitsschleuse passieren und ihre Personalien würden auf Auffälligkeiten in Polizeidatenbanken geprüft.
Mit Material von dpa
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