• Einen lockeren Aufgalopp für die heiße Phase des Wahlkampfs absolviert Armin Laschet im ARD-“Sommerinterview“.
  • Der Unions-Kanzlerkandidat will Steuern weder senken noch erhöhen und drängt auf Präsenzunterricht nach den Sommerferien.
  • Zum umstrittenen CDU-Mann Hans-Georg Maaßen wählt er klare Worte – die das Fernsehpublikum nicht sieht.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Armin Laschet hat bis jetzt in diesem Bundestagswahlkampf noch nicht viel – und damit alles richtig gemacht. Während sich die einstige Überfliegerin Annalena Baerbock mit Skandälchen um Nebeneinkünfte und fehlende Quellenangaben plagt, kann der Unions-Kanzlerkandidat ganz entspannt seinen Umfragewerten beim Steigen zuschauen.

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Für erhöhten Puls dürfte auch das ARD-"Sommergespräch" am frühen Sonntagabend nicht gesorgt haben beim 60-Jährigen, die gemütliche Plauderrunde gehört traditionell nicht gerade zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Wahlkampf, da machte auch dieses Gespräch mit Tina Hassel keine Ausnahme.

Der dramatische Machtkampf mit CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur schnurrt da schonmal zu "anspruchsvollen zehn Tagen" zusammen, die Laschet mit seinem typischen Grübchen-Lächeln hinter sich lässt: "Es wäre anders schöner gewesen, aber wenn man eine Idee hat und dafür wirbt, muss man auch harte Zeiten durchstehen."

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Steher-Qualitäten hat dieser Laschet, daran erinnert er seine ehemaligen und aktuellen Konkurrenten, "viele haben sich verkalkuliert in den letzten Jahren", sagt er, der ewig Unterschätzte. Aber welche Ideen hat er nun, für die er werben will in den 77 Tagen bis zur Bundestagswahl? Das wird an diesem Sonntagabend nicht viel klarer.

"Sommerinterview" mit Armin Laschet: Hoffnungen auf den Joker

Konkrete Ansagen sind, zugegeben, eine heikle Sache für Kanzlerkandidaten. Man muss sich an ihnen messen lassen, anders als an vagen Zielen. "Deutschland soll ein Industrieland bleiben, aber klimaneutral", so beschreibt Laschet das Motto für seine Kanzlerschaft, und bestätigt wieder einmal den Eindruck der letzten Monate: hier verspricht einer das Sowohl-als-auch.

Ein Vorwurf, mit dem ihn Tina Hassel natürlich konfrontiert: Gerade beim Thema Klimaschutz enthalte das CDU-Programm viele Bekenntnisse, etwa zu den Pariser Klimazielen, nur der Weg sei doch reichlich unklar. Laschet lässt das nicht gelten, weist auf das Bekenntnis zum Kohleausstieg hin und auf den CO2-Preis. Letztlich aber wolle die Union "technologieoffen" an das Problem herangehen. "Wir können nicht sagen, was passiert im Februar 2031 oder im März 2035". Es klingt ein bisschen so, als vertraue Laschet letztlich auf einen Joker, den er noch gar nicht auf der Hand hat.

Genau wie bei der Gretchenfrage, die ausgerechnet ein Mitglied der Jungen Union per Einspieler stellt: Wer trägt die Kosten für die Pandemie und die versprochenen Investitionen danach – wer soll das alles bezahlen, wer hat so viel Geld? "Steuererhöhungen wären Gift", ist Laschet überzeugt, sagt aber auch: "Das ist nicht die Zeit für Steuererleichterungen". An der Schwarzen Null hält der Kanzlerkandidat weiter fest - was also bleibt, ist die Hoffnung, in Laschets Fall: auf Wachstum und Vollbeschäftigung.

Alles für den Präsenzunterricht

Die Kulisse für das Sommergespräch hätten sich die CDU-Spin-Doctors nicht besser ausmalen können, die Sonne scheint über dem Berliner Regierungsviertel, Ausflugsdampfer schippern über die Spree, Menschen lungern am Ufer herum – es ist diese Normalität nach Monaten des Corona-Lockdowns, die zum größten Trumpf der Union bei der Bundestagswahl werden könnte. Die Umfragen der Pandemie-Monate zeigen: Solange die Bevölkerung mit den Maßnahmen einverstanden war, hatte die Union gute bis hervorragende Werte. Als ab dem Frühjahr 2021 die Zustimmung bröckelte, wurde es zappenduster für CDU und CSU. Nun trägt die Saisonalität des Virus zum Hoch des Armin Laschet bei – aber nur ein Anzeichen von Lockdown vor dem 26. September, und die Großwetterlage dreht sich ganz schnell wieder.

Wenig verwunderlich, dass eine der wenigen konkreten Aussagen Laschets sich um Corona dreht: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen drängt auf Präsenzunterricht nach den Sommerferien, dafür müsse man alles tun, Laschet denkt dabei an Maskenpflicht, Luftfilter und regelmäßigen Tests. "Das ist die einzige Garantie für manche Kinder, dass sie echte Bildungschancen haben." Was es hingegen nicht brauche: einen Schulgipfel, wie ihn die Grünen fordern: "Den gibt es schon, und zwar die Kultusministerkonferenz."

Die Kultusministerkonferenz war in der Pandemie eine der vielen Gremien, auf die Politiker mit dem Finger zeigen konnten, wenn etwas nicht so gut lief. Eine Praxis, die auch Laschet beherrscht. Fehler verknüpft er stets mit einer Ebene, mit der er nichts zu tun hat. Siehe die Klimapolitik: Da werde bei den G20-Treffen zu wenig Druck auf Russland und China ausgeübt. Oder, noch ein Beispiel: "Im Bundestag" sei es nicht gelungen, sich auf eine gerechte Aufteilung des CO2-Preises zwischen Vermieter und Mieter zu einigen. Man hätte es auch anders formulieren können: Die Regierungskoalition hat keine gute Arbeit geleistet, zum Beispiel. Oder: Die Unionsfraktion hat sich gegen andere Lösungen gesperrt. Immerhin verspricht Laschet: "Die derzeitige Regelung wird keinen Bestand haben." Alternativvorschlag? Fehlanzeige.

Eine Nachspielzeit, die nicht gezeigt wird

Moderatorin Tina Hassel geht, ganz der Atmosphäre entsprechend, freundlich mit ihrem Gast um, eine unangenehme Frage kann sie ihm dann aber doch nicht ersparen: Warum ausgerechnet die Partei, die 16 Jahre lang im Bundeskanzleramt saß, nun den Reformstau in Deutschland auflösen soll. Auch da greift aber wieder Laschets Externalisierungsstrategie – schuld sind immer auch die anderen. Die Sozialdemokraten, die in den Grokos mitregierten, die FDP, die Grünen in den Landesregierungen. Was den Schluss nahelegt: Laschet braucht dringend eine absolute Mehrheit.

In den Abend entlässt Hassel den Kanzlerkandidaten allen Ernstes mit einer Fußballfrage: Auf wen tippt Armin Laschet im Finale? Fürs Protokoll: Auf Italien, 3:1.

Noch einmal interessant wird es aber in der Nachspielzeit, die ARD-Zuschauern zumindest im Fernsehen gar nicht gezeigt wird, sondern nur im Livestream im Internet: Dort dürfen Zuschauer Fragen stellen, und siehe da, es fällt der Name, den Laschet wochenlang nicht einmal aussprechen wollte, jetzt aber erstmals in den Mund nimmt: Hans-Georg Maaßen.

Von der Bundespartei werde der Rechtsauslager keine Unterstützung erhalten, sagt Laschet, ob Maaßen Mitglied der Fraktion werden kann, sei eine "rechtliche Frage" und gar nicht so einfach: "Es hängt davon ab, ob er sich zu den Prinzipien der Fraktion bekennt." Ein "Machtwort", das oft gefordert werde, gebe es doch schon – keine Koalition, keine Kooperation, "nicht mal Gespräche" mit der AfD.

An dieser Stelle also eine Empfehlung des Kanzlerkandidaten: Gefragt, ob er Netflix oder Amazon Prime bevorzuge, sagt Laschet: "Die ARD-Mediathek." Dort kann man Laschets Antworten auf die heiklen Fragen nachschauen.

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