Im "ZDF-Sommerinterview" stellt sich Alice Weidel den Fragen von Shakuntala Banerjee zu Russlandfreundlichkeit und Rechtsextremismus in der AfD. Handfeste Antworten auf die Fragen gibt die Bundessprecherin nicht. Dafür sieht sie ihre Partei mal wieder als Opfer, diesmal des Verfassungsschutzes.
In den vergangenen Landtagswahlen eilte die AfD von einer Niederlage zur nächsten, die Vorwürfe einer zu russlandfreundlichen Haltung kleben an der Partei und intern treibt Rechtsextremist
Sommerinterview: Darüber sprach Shakuntala Banerjee mit Alice Weidel
Mit der Frage, warum sich Weidel bei ihrer einzigen Auslandsreise als Fraktionschefin, die nach Russland ging, dort nicht auch mit Vertretern der Opposition getroffen habe, eröffnet Shakuntala Banerjee den großen Russland-Block ihres „Sommerinterviews“ und kommt darüber zu russlandfreundlichen Stimmen in der AfD. Während die Mehrheit der Deutschen den Krieg Russlands verurteile, sei das bei der AfD nicht so eindeutig. „Warum machen sich da Teile ihrer Partei eigentlich so zum verlängerten Propaganda-Arm Putins?“, fragt Banerjee. In ihrer Partei und Fraktion sei es „völlig unstrittig, dass es sich hierbei um einen völlig völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine handelt“, behauptet Weidel.
Man dürfe aber nicht die Situation vergessen, „in die dieser Konflikt eingebettet ist“, erklärt Weidel relativierend. Die Pläne, die Ukraine in EU und Nato einzubinden, sei etwas, „das die Russen niemals akzeptieren würden.“ „Und das rechtfertigt dann einen Angriffskrieg?“, hakt Banerjee sofort ein. Das habe sie nicht gesagt, entgegnet Weidel und erklärt: „Die Ukraine gilt als rote Linie seit Jahrzehnten.“ Der Westen habe den Fehler gemacht, die Ukraine nicht „auf einen neutralen Status“ gesetzt zu haben.
Alice Weidel: "Verfassungsschutz ist keine unabhängige Behörde"
Banerjee bleibt bei ihrer Ausgangsfrage nach den Russland wohlgesonnenen Stimmen in der AfD. So habe der verteidigungspolitische Sprecher der AfD, Rüdiger Lucassen, die Äußerungen eines AfD-Bundestagsmitglieds im russischen Fernsehen als „ganz nah an der Schwelle zum Landesverrat“ eingeschätzt. Welche Konsequenzen es unter ihrer Führung für solche Aussagen gebe, will Banerjee von Weidel wissen. Die antwortet, dass ihr diese Zitate nicht bekannt seien und wenn etwas Anderweitiges geäußert werde, dann sei das nicht Fraktions- oder Parteilinie in dieser Frage. Dies werde dann innerhalb der Partei geregelt: „Natürlich gibt es Konsequenzen, aber das klären wir intern.“
Am Ende des Interviews kommt Shakuntala Banerjee darauf zu sprechen, dass die Partei als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen beobachtet wird. Dazu zitiert Banerjee eine Einschätzung des Präsidenten des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, zur Entwicklung der AfD als Verdachtsfall. Demnach sei eine Mäßigung der AfD bisher nicht zu beobachten, im Gegenteil. „Nach dem Bundesparteitag der AfD in Riesa sehen wir eine Stärkung der extremistischen Strömungen in der Partei. Im neuen Bundesvorstand findet sich kein dezidierter Kritiker des formal aufgelösten rechtsextremistischen Verdachtsfalls Flügel mehr“, zitiert Banerjee Haldenwang und fragt: „Wie wollen Sie das jetzt beheben?“
Doch Weidel ist nicht an einer inhaltlichen Antwort interessiert, sondern erklärt: „Das sagt der Verfassungsschutz, das sagt Herr Haldenwang. Herr Haldenwang, das muss man auch einordnen, ist ja CDU-Mitglied und berichtet an die Innenministerin, Frau Nancy Faeser von der SPD.“ Der Verfassungsschutz sei keine unabhängige Behörde, behauptet Weidel und fragt rhetorisch: „Was ist der Verfassungsschutz? Es ist ein Inlandsgeheimdienst, den es sonst nirgendwo gibt in einem Industrieland. Deutschland nutzt ihn, hat dort Parteigänger, um die Opposition zu verunglimpfen.“
Shakuntala Banerjee gut vorbereitet und hartnäckig
Banerjee erklärt der AfD-Bundessprecherin, dass man den Verfassungsschutz „aus historischer Erfahrung heraus zu einem Frühwarnsystem ausgebaut“ habe, doch diesen Schutz vor einem erneuten Faschismus sieht Weidel missbraucht: „Das stimmt und der Verfassungsschutz wird jetzt politisch instrumentalisiert, um eine Oppositionspartei noch und nöcher zu verunglimpfen“, behauptet Weidel.
Banerjee weist auf ein unabhängiges Gericht, das besagt, dass der Verfassungsschutz ausreichende, tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen habe. „Da hat das Verwaltungsgericht Köln kiloweise Akten durchgearbeitet. Es gibt also auch ein unabhängiges Gericht, das das sagt“, erklärt Banerjee, doch Weidel vermutet eine noch größere Ungerechtigkeit: „Genauso wie das Bundesverfassungsgericht, wo sie einen ehemaligen CDU-Abgeordneten haben, der über die Gesetze heute als Richter entscheiden soll, über die er vorher entschieden hat. Also das gibt es auch in keinem anderen westlichen Land, dass sie diese Vermischung der Gewaltenteilung haben.“
Shakuntala Banerjee führt das Interview ruhig, gewissenhaft, aber vor allem sehr gut vorbereitet. Sie bleibt hartnäckig, zum Beispiel beim Thema Russlandfreundlichkeit in der AfD und wie Weidel damit umgehen will. Angeblich intern, wie die Ko-Bundessprecherin sagt, doch das reicht Banerjee nicht: „Sie sagen, Sie klären das, das heißt, Sie wissen auch, dass es diese Äußerungen gibt, Sie beschäftigen sich damit. Die Frage ist ja auch: Warum gibt’s da eigentlich so viel Verständnis? Sie haben gerade auch noch einmal dafür geworben, sich die Gesamtsituation anzuschauen“, konfrontiert Banerjee mit ihrer vorherigen Aussage, sie kenne die Aussagen nicht.
So schlug sich AfD-Chefin Alice Weidel
Als Banerjee wieder zum eigentlichen Thema Homosexualität zurückkommt, wirft Weidel eine Nebelkerze: „Sie spielen auf mein Privatleben an“, behauptet die AfD-Frau, doch Banerjee stellt klar: „Ich interessiere mich dafür, wie Sie als Parteivorsitzende damit umgehen.“ Erst dann weist Weidel lapidar darauf hin, dass es so etwas auch in anderen Parteien gebe und erklärt: „Ich kann damit umgehen, es ist mir auch verhältnismäßig egal.“ Eine Parteichefin, der homophobe Aussagen „verhältnismäßig egal“ sind – das ist dann doch auch irgendwie eine Antwort.
Fazit des ZDF-Sommerinterviews mit Alice Weidel
Man hätte die Ruhe des Sommerinterviews nutzen können, um einmal über die Vorstellungen der AfD für Deutschland zu reden. Was wünscht sich die Partei für dieses Land, wie will sie Herausforderungen wie Fachkräftemangel oder den Kampf gegen die Klimakrise angehen? Was ist eigentlich aus ihrem Rentenkonzept geworden, das die Partei vorlegen wollte? Kurzum: Welche positiven Visionen hat die AfD, schließlich wird sie bisher eher als Partei wahrgenommen, die gegen etwas ist und nicht für etwas.
Dass Shankuntala Banerjee nur wenige Fragen in diese Richtung stellt und stattdessen lieber über Russlandfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der AfD redet, kann man Alice Weidel nicht ankreiden. Wohl aber die Antworten, die sie auf Banerjees Fragen gibt und die waren vor allem eines: vorhersehbar.
Denn wie so viele AfD-Köpfe sieht auch Weidel ihre Partei wieder als Opfer. Statt über Rechtsextremismus in ihrer Partei zu reden, dreht sie den Spieß um und spinnt mit halbgaren Argumenten die Verschwörungstheorie, der Verfassungsschutz werde politisch instrumentalisiert. Wohl gemerkt der Verfassungsschutz, dem seit Jahren vorgeworfen wird, er sei auf dem rechten Auge blind.
Weidel erzählt den immer gleichen Opfer-Mythos
Nicht auf angebliche Verschwörungen auszuweichen und sich stattdessen einmal inhaltlich mit Rechtsextremismus in ihrer Partei auseinanderzusetzen, wäre für die AfD-Bundessprecherin aber vermutlich auch wesentlich gefährlicher gewesen. Schließlich könnte Weidel damit entweder das eine oder das andere Lager in ihrer Partei und deren Wähler verschrecken oder zumindest verwirren.
Denn entweder ist die AfD rechtsextrem, dann wäre das schlecht für alle Wähler, die immer noch glauben, die AfD sei demokratisch und lediglich sehr, sehr konservativ. Oder aber die AfD ist nicht rechtsextrem, was wiederum schlecht für alle wäre, die die Partei eben genau wegen ihrer rechten Inhalte wählen. Da ist es doch einfacher, alles irgendwie in der Schwebe zu lassen und zu hoffen, dass beide Lager die Partei wählen.
Und so nutzt Weidel ganz am Ende noch einmal die Gelegenheit „die Medien“ zu kritisieren und allen Querdenkern und Impfgegnern ein paar Polemikbrocken zu Grundrechten hinzuwerfen. Das ist dann das Sahnehäubchen auf dem immer gleichen Opfer-Mythos, den die AfD so gerne erzählt. Aus Sicht von Weidel und der AfD ist das nur verständlich, schließlich hat das, zumindest bis zu den jüngsten Landtagswahlen, auch ganz gut verfangen. Und wenn es inhaltlich nicht so gefährlich wäre, dann wäre diese ständige Opferrolle, wie sie Weidel gerade wieder präsentiert hat, inzwischen vor allem eines: furchtbar langweilig.
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