Bei der eurokritischen AfD geht es heißt her: Personalquerelen und Richtungsdebatten lassen die Partei nicht los. Abhilfe soll der heutige Parteitag in Bremen bringen. Fragt sich nur, wie das ob der vielen offenen Baustellen gelingen kann.

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Die Aussichten sind eigentlich nicht schlecht für die AfD. Bei der traditionellen Sonntagsfrage sehen alle relevanten Meinungsforschungsinstitute die Partei aktuell bei rund sechs Prozent. Das heißt, die AfD könnte – im Gegensatz zur FDP – derzeit den Sprung in den Bundestag schaffen.

Entscheidend für einen Wahlerfolg ist unter anderem, wie sich die eher negative öffentliche Wahrnehmung im Westen der Republik entwickelt. Parteienforschern zufolge könnte die Annäherung der Union an die SPD den Aufstieg der AfD weiter befördern. Dazu muss sie allerdings eher als national-konservative denn als rechtspopulistische Partei angesehen werden.

Dass die AfD für konservative Wähler eine dauerhafte Alternative zur CDU bieten könne, hält auch Klaus Schroeder, Politikprofessor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, für möglich. "Ich glaube, der Druck, sich zu einigen, ist groß. Auch weil die AfD noch über fünf Prozent liegt. Das heißt, auch die Kritiker werden den möglichen Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2017 mindern wollen."

Pegida wird zum Zankapfel

Zunächst muss sich allerdings die Führungsriege der AfD zusammenraufen. Der Vorschlag von Parteimitbegründer Bernd Lucke, bis zum Parteitag im November in zwei Stufen zur Ein-Personen-Führung zu kommen, haben seine Gegenspieler Frauke Petry und Alexander Gauland inzwischen akzeptiert. Ob am Ende Lucke die Parteiführung innehaben wird, ist aber mehr als unklar.

Denn auch in der Frage zum Umgang mit den zahlreichen Pegida-Anhängern sind sich die Parteisprecher uneinig. Während Lucke gegen eine Zusammenarbeit ist, ist Petry dafür. Doch noch will man sich nicht in die Karten schauen lassen. Auf dem Parteitag in Bremen ist Pegida genauso wenig relevant wie die Debatte zum Thema Zuwanderung.

Statt über den Euro und Ausländer sollen die Delegierten über Sozial- und Steuerpolitik debattieren, befand Lucke im Vorfeld. Politikprofessor Schroeder bezweifelt aber, dass die Anti-Euro-Partei sich daran halten wird. "Durch Griechenland hat die AfD eine Steilvorlage erhalten." Äußerungen auf griechischer Seite, dass Deutschland am Ende alles zahlen muss, gäben der AfD ganz sicher Auftrieb.

AfD hat Hamburgische Bürgerschaft im Visier

Einer Umfrage von Infratest Dimap zufolge stehen die Chancen nicht schlecht, dass die AfD am 15. Februar in Hamburg erstmals in ein westdeutsches Landesparlament einziehen könnte. AfD-Vize Alexander Gauland forderte in einem Interview, für Hamburg müsste vom Parteitag das Signal ausgehen, "dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern mit dem politischen Gegner".

Der eher liberale Ansatz der Partei zu Fragen der Ökonomie und die konservative Haltung zur Asylpolitik zieht zumindest nicht wenige an. "Wenn sie den Spagat zwischen liberal und konservativ tatsächlich schafft, kann sie auch die FDP weiter in Schach halten", prognostiziert Schroeder.

Zwielichtige rechtsextreme Gestalten

Was künftig von der AfD zu erwarten ist, lässt sich laut Schroeder klar benennen. "Im besten Fall wird die AfD das Sprachrohr der Unzufriedenen sein." Wenn die AfD die Stimmung gegen „die da oben“ weiterhin für sich nutzen könne, sagt Schroeder, sei ihr der Erfolg sicher. Dazu müsse sie sich vorher jedoch thematisch breiter aufstellen und zwielichtige Gestalten mit rechtsextremem Hintergrund aus dem Weg räumen.

Dabei seien es vor allem rechtsextreme Wähler, die die AfD aus den anderen Parteien abziehe, sagte etwa Manfred Güllner, Leiter des Meinungsforschungsinstituts Forsa, vor einigen Monaten. Gemessen an der Größe des Parteien, das bestätigen Untersuchungen, ist der Anteil rechtsextremer Wähler bei der AfD deutlich größer als bei den etablierten Volksparteien.

Nach den Gründen für die Wahlerfolge in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gefragt, antwortete Parteisprecherin Petry damals: "Es ist viel Platz geworden rechts neben der CDU, die sich fragen muss, ob sie nicht zu einer linken Partei wird."

Obwohl sich die AfD als mitte-rechts definiert, positioniert Infratest Dimap die Partei aufgrund ihres Wahlkampfs während der sächsischen Landtagswahl im Spätsommer 2014 als "rechts von der Mitte". Auch weil sich rund ein Viertel der AfD-Anhänger vorstellen können, die NPD oder Republikaner zu wählen. Die Fremd- und Eigenwahrnehmung sei damit äußerst bemerkenswert, hieß es in der Analyse.

Der "natürliche Verbündete"

Inwieweit die auseinanderfallende Pegida der AfD geschadet oder genützt hat, lässt sich derzeit noch nicht sicher sagen. Fest steht, dass eine Spaltung des "natürlichen Verbündeten", wie Gauland die Bewegung einst nannte, die AfD vor ein strategisches Problem stellt.

Mit dem Austritt von Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel ist auch die Verbindung zu den Pegida-Anhängern geschwächt worden. Immerhin fehlt aus Sicht des liberalen Parteiflügels jetzt der Kontakt zu den rund 20.000 Menschen, die regelmäßig auf die Straße gehen. Doch vielleicht lässt sich auch aus der Spaltung der Bewegung noch politisches Kapital schlagen.

"Kathrin Oertel kann ich mir gut in der AfD vorstellen", sagt Klaus Schroeder. "Nicht jetzt sofort, aber vielleicht in einem halben Jahr". Auch dass der gemäßigte Flügel der Pegida in die AfD eintreten könnte, hält Schroeder für wahrscheinlich. In jedem Fall komme der AfD zugute, dass sie als erste Partei den Dialog mit Pegida gesucht hat, ohne der Bewegung dabei direkt die Hand zu reichen. "Das hat die AfD geschickt gemacht", sagt Schroeder. "Denn das hat zu dem Eindruck geführt, die AfD sei offen und nehme die Sorgen der Bevölkerung ernst."

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