E-Fuels gelten für manche Politiker als klimaneutrale Alternative zu Benzin, Kerosin und Co. Besonders die FDP setzt sich aktuell stark für E-Fuels ein. Andere Parteien und Politiker sind strikt dagegen, auf E-Fuels für die Automobilität zu setzen – was steckt dahinter?
Verkehrsminister
Doch was sind eigentlich E-Fuels? Welche Vorteile bieten sie? Welche Nachteile stehen dem gegenüber? Und warum setzen Teile von Industrie und Politik so viel Hoffnung in die Technologie? Das haben wir Dr. Falko Ueckerdt vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gefragt. Er leitet dort die Forschung zu Wasserstoff und E-Fuels.
Zunächst einmal: Was sind E-Fuels?
Falko Ueckerdt: E-Fuels sind gasförmige oder flüssige synthetische Kohlenwasserstoffe wie zum Beispiel E-Methan oder E-Kerosin. Sie können als Brennstoff zum Beispiel in Flugzeugen, Schiffen, Trucks oder Autos eingesetzt werden. Im Unterschied zum fossilen Pendant werden E-Fuels synthetisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid hergestellt. Dafür ist Elektrizität die Hauptenergiequelle, daher auch der Name Electro-Fuels.
Wie werden sie hergestellt?
Für die Herstellung gibt es verschiedene Ansätze. Im Prinzip werden Wasserstoff und Kohlenstoff unter Druck und Hitze am Ende zu synthetischen Kohlenwasserstoffen. Der Kohlenstoff kommt zum Beispiel aus der Luft und wird mit Hilfe einer sogenannten "Direct-Air-Capture"-Anlage gewonnen.
Wofür werden E-Fuels verwendet?
Aktuell werden E-Fuels noch nicht verwendet. Es gibt sehr wenige Forschungs- und Pilotanlagen auf der Welt, etwa im chilenischen Patagonien. Hier werden etwa fünf Tankfüllungen E-Fuels am Tag produziert. Grundsätzlich können wir E-Fuels überall dort nutzen, wo wir fossile Energieträger einsetzen. Diese Vielseitigkeit ist ein großer Vorteil, da E-Fuels dort funktionieren, wo andere Klimaschutzmaßnahmen nicht hinkommen – zum Beispiel im Flugverkehr, wo E-Mobilität momentan keine Option ist.
Wie nachhaltig sind E-Fuels im Vergleich zu anderen erneuerbaren Quellen wie Solar- oder Windenergie?
E-Fuels können nur dann nachhaltig und klimaneutral sein, wenn Energie und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen kommen sowie das CO2 aus der Atmosphäre entnommen wird. Denn das CO2 wird für die Produktion aus der Atmosphäre entzogen, es gerät aber bei der Verbrennung auch wieder zurück in die Atmosphäre. Mischt man hingegen nur ein Zehntel fossilen Strom in die Produktion, kann die CO2-Bilanz von E-Fuels kippen und es gibt keine Einsparung mehr im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Das liegt an der vergleichsweise schlechten Energieeffizienz, denn die Herstellung von E-Fuels verbraucht viel Strom.
E-Fuels haben den großen Vorteil, dass sie im bestehenden System genutzt werden, also auch normal zu Tankstellen transportiert und dort von Verbrennungsmotoren getankt werden können. Welche Vorteile sehen Sie noch?
E-Fuels sind nahezu baugleich mit fossilen Energieträgern. Wir können sie in existierenden Infrastrukturen transportieren, speichern und in den existierenden Anlagen sowie Anwendungen nutzen. Dazu gehören auch Flugzeuge und Schiffe sowie chemische Anlagen, die Vorprodukte für Kunststoffe herstellen. Ein weiterer großer Vorteil: E-Fuels können gut weltweit verschifft werden. Deutschland und die EU können die synthetischen Kraftstoffe aus Ländern und Regionen mit guten Bedingungen für Windkraft und Solarenergie importieren.
Was spricht aus Umweltsicht für E-Fuels?
E-Fuels sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Wir brauchen E-Kerosin für den Flugverkehr, E-Ammoniak oder E-Methanol für die Schifffahrt sowie E-Methanol oder synthetisches Naphtha für die Kunststoffproduktion. Da gibt es riesige Nachfragen und potenzielle Märkte.
Sie meinten bereits, die Herstellung von E-Fuels ist sehr energieintensiv und nur dann klimaneutral, wenn regenerative Energie genutzt wird. Was spricht noch gegen E-Fuels?
Die allergrößte Herausforderung ist die fehlende Verfügbarkeit. Das beschränkt die zukünftige Rolle von E-Fuels. Deshalb müssen wir den Hochlauf von E-Fuels weltweit intensivieren. Selbst wenn die E-Fuel-Produktion so schnell wächst wie etwa die Solarenergie: Es dauert noch mehr als zehn Jahre, bis wir überhaupt die bereits genannten unverzichtbaren Nachfragen für Deutschland decken können – mit dem gesamten globalen Angebot. Aus Systemperspektive wäre es daher unsinnig, E-Fuels für Anwendungen einzuplanen, für die es bereits andere bereits heute verfügbare Optionen gibt.
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Unternehmen und Branchen setzen unterschiedlich große Hoffnungen in E-Fuels. Was sind momentan die größten Herausforderungen, um E-Fuels marktreif zu bekommen?
Die technologische Entwicklung und der Markthochlauf wird durch die hohen Kosten und fehlende Investitionssicherheit gehemmt. Wir brauchen größere und seriengefertigte Anlagen. Zwar sind eine Reihe von ersten Projekten im industriellen Maßstab geplant, jedoch fehlen die finalen Investitionsentscheidungen. Die Wasserstoffproduktion via Elektrolyse steht schon bereit, aber es braucht noch mehr Entwicklung bei Synthese- und Direct-Air-Capture-Anlagen. Auch bleibt aktuell ungeklärt, wer die teuren E-Fuels später bezahlen soll. Das könnte sich ändern, wenn die EU wie geplant feste E-Fuel-Quoten im Flug- und Schiffsverkehr implementiert. Wenn die Fluggesellschaften ab 2030 zu einem Mindestanteil von zwei Prozent E-Kerosin im Treibstoff verpflichtet werden, würde eine gesicherte Nachfrage für E-Fuels bestehen und weitere Investitionen ausgelöst werden.
An welchen Stellschrauben setzt die Forschung bei der Weiterentwicklung von E-Fuels an? Wie steht es um die angepeilten technologischen Fortschritte?
Einerseits wird an zugrundeliegenden Prozessen geforscht, etwa an der Verbesserung der Energieeffizienz. Dafür sollen Prozessschritte integriert werden - zum Beispiel kann die Hochtemperatur-Ko-Elektrolyse Wasserstoff herstellen und gleichzeitig Kohlenstoffdioxid zerlegen. Andererseits werden die bereits bekannten Prozesse zum industriellen Maßstab weiterentwickelt, um die globale Produktion vorzubereiten.
Wie viel kostet ein Liter E-Fuel aktuell ungefähr? Wie stehen die Kosten im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen – auch, wenn man den CO2-Ausstoß bepreisen würde?
E-Fuels aus den ersten Pilotanlagen sind praktisch unbezahlbar. Sobald sie im industriellen Maßstab produziert werden können, kosten sie erstmal etwa vier bis sechs Mal so viel wie fossile Energieträger. Unterm Strich kosten E-Fuels dann etwa zwei oder drei Euro pro Liter ohne Steuern und Abgaben, im Vergleich zu Benzinpreisen im Großhandel von 50 Cent pro Liter. Obwohl die CO2-Preise steigen und die E-Fuel-Kosten schrittweise sinken, gibt es wohl noch für längere Zeit eine riesige Wettbewerbslücke: Die CO2-Preise sind viel zu niedrig und E-Fuels eine vergleichsweise teure Klimaschutzoption.
Verkehrsminister Volker Wissing brachte das Thema E-Fuels vor Kurzem auf die öffentliche Agenda: Deutschland würde womöglich seine Zusage zum Verbrenneraus ab 2035 zurückziehen. Er sieht im Beschluss noch Nachholbedarf beim Thema E-Fuels. Inwiefern könnte Deutschland ein besonderes Interesse an E-Fuels im Vergleich zu anderen EU-Ländern haben?
E-Fuels sind den fossilen Energieträgern so ähnlich, dass sie leider ein trügerisches Versprechen machen: Günstige E-Fuels können bei jenen Industrieunternehmen Hoffnungen wecken, die heute fossile Infrastrukturen betreiben oder Verbrennungstechnologien herstellen. Dank E-Fuels könnten ihre Geschäftsmodelle unverändert in einer klimaneutralen Wirtschaft weiterfunktionieren. Aber auch die Gesellschaft müsste sich insgesamt weniger umstellen. Leider sind Visionen, in denen E-Fuels flächendeckend fossile Energieträger ersetzen, aus wissenschaftlicher Perspektive sehr unplausibel. Für Autos ist die E-Mobilität die dominante Option, denn sie ist im Vergleich zu E-Fuels günstiger, effizienter und bereits verfügbar. Nicht nur klimapolitisch, sondern auch industriepolitisch ist es riskant, an alten Technologien wie dem Verbrennungsmotor festzuhalten und die großen Innovationen wie E-Mobilität zu verschleppen. Die Politik muss E-Fuels nicht ausschließen, aber gleichzeitig ein klares Signal senden: E-Mobilität gehört die Zukunft.
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