Tag zwölf in Kölns bekanntester Ex-Promi-WG und so langsam schlagen die Schlafentzug-Festspiele auf Gemüt, Laune, körperliche Verfassung und Vitalität. Die Erste, die ihre Insomnie-Nebenwirkungen schonungslos artikuliert, ist Paulina Ljubas: "Nicht mal in der Uni oder in der Abi-Phase war ich so fertig wie hier." Vielleicht ist der Satz aber auch nur ein klug kalkulierter, subtiler Hinweis darauf, dass die oft als Coitus-Connaisseurin verunglimpfte Reality-TV Pop(p)ikone die offizielle Hochschulreife erlangt hat.

Marie von den Benken
Eine Kolumne
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Aber auch Dilara Kruse hadert mit den Umständen, ist gleichzeitig jedoch kampfbereit: "Du brechst mich nicht!" Ob damit Berthold Brechst oder Richard David Prechst gemeint ist, bleibt allerdings unklar. Selbst Trash-Methusalem Iris Klein kommt an ihre Grenzen: "So hart wie hier war es noch in keinem Format." Eine interessante Aussage, wenn man bedenkt, dass Iris 2013 sich sogar bis ins Dschungelcamp hochgemuttert hat.

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Keine Matratzen, kein Essen, keine Couch, kein W-LAN, keine Badewanne, kein Luxus und nur ein paar Quadratmeter Platz pro Bewohner. Klingt hart, das ständige Gejammer aber dennoch nicht nachvollziehbar. In der Münchener Innenstadt würde so eine Wohnung pro Monat 8.200 Euro kalt kosten. Zum Glück lebt Iris auf Mallorca.

Und anders als die offenbar chronisch antriebslosen Nachwuchs-Reality-Spice-Girls ist die krisenerprobte Iris immerhin noch energiegeladen genug, um dem staunenden Jungvolk im Schlüpfrigkeit-Parcours eine Lehrstunde in Twerking zu geben. Dem erstaunten D-Promi-Auditorium erklärt sie: "Ich habe nicht umsonst solche Arsch-Muskeln!" Dominik Stuckmann, bekannt geworden durch das Politik-Magazin "Bachelor", attestiert: "Iris lässt es krachen!" Vor allem in der Horizontalen. Oder wie sie selbst zusammenfasst: "Der eine mag Blümchen, ich mag es halt dreckig. Ich habe beim Thema Sex schon alles durch, auch Dreier."

Container Love

Ihre Twerking-Burlesque-Show hinterlässt vor allem Dominik ratlos, der sich Verständnishilfe bei TV-Beischlaf-Expertin Paulina und Container-Küken Marco Strecker holt. Sexualtherapeutin Paulina klärt ihn darüber auf, dass "Twerking im Bett" eigentlich eine Form von "Reverse Cowgirl" ist. Das wiederum muss Marco erstmal verdauen: "Heißt das, deine Frau sieht nur deine Füße?"

Derartige Diskurs-Abstürze führen automatisch zu kritischem Hinterfragen der Prämisse, auch einen Bildungsauftrag erfüllen zu müssen. Ausgerechnet Paulina, die sich regelmäßig der öffentlichen Kohabitation in TV-Formaten hingegeben hat, sieht sich in der Niveau-Falle: "Ich wollte doch Qualitätsfernsehen machen!" Bei der "Tagesschau" und beim "Literarischen Quartett" war allerdings kurzfristig nichts frei, so blieb eben nur noch der drittseriöseste Polit-Talk der deutschen Fernsehlandschaft: "Promi Big Brother".

Auch Reality-Fachkraft Matthias Mangiapane möchte auf den auf Gleis 08/15 mit Vollgas aus dem Bahnhof der Belanglosigkeiten abfahrenden Anzüglichkeiten-ICE aufspringen und versucht, mit einer anekdotischen Softerotik-Erinnerung zu punkten: "Vor fünf Jahren haben Micaela Schäfer und ich uns auf einer Party mal zu 'Simply the Best' die Zungen in den Hals gesteckt. Sie küsst sehr gut."

Diese wie aus der Feder von Inga Lindström stammende Lovestory ist zwar eigentlich verjährt, lenkt aber immerhin von den Nominierungs-Nachwehen des Notfall-Kaiserschnitts für Exit-Sturzgeburten vom Vorabend ab, als Mangiapane von Yeliz Koc auf die Abschuss-Liste gesetzt wurde und anschließend einen kompletten Zicken-Zusammenbruch erlitt: "Ich werde immer enttäuscht, wenn ich mich auf jemanden einlasse". Draußen am Moderationspult wundert man sich. Frühstücksfernsehen-Galionsfigur Marlene Lufen hielt Mangiapane bislang für eine "keifende Diva", und auch Trash-Chefreporter Jochen Schropp identifiziert "einen Matthias, den man gerne noch länger sehen würde".

Mitleid erhascht sich Mangiapane mit Sätzen wie "Ich habe jetzt zum zweiten Mal einen Arschtritt bekommen und ein Messer in den Rücken" nicht nur bei der Abteilung Begleitmoderation, sondern auch bei Iris: "Hört sich jetzt doof an, aber ich beginne, Matthias zu mögen." Der Fachbegriff für dieses Sympathie-Phänomen lautet übrigens "Jochenimae Schroppesus".

Yeliz und kein Ron

Nominierungs-Corpus-Delicti Yeliz Koc arrangiert sich derweil mit ihrer Rolle als Ausgestoßene: "Jeder muss mal der Arsch sein – heute bin ich es." Stichwort Arsch: Gestern, als Ron Bielecki noch da war, galt der Hintern von Yeliz noch als der schönste Arsch des Jahres. Darauf jedenfalls ließen Rons eindeutige Blicke schließen, die sich für etwa 12 Stunden auf den lediglich äußerst notdürftig mit einem spärlichen String-Bikini bedeckten Hinterbau von Yeliz konzentriert hatten. Leider hat die beim Pool-Tinder langsam anlaufende Jahrhundert-Romanze keine Chance auf Evolutionspotenzial, denn der Yeliz Koc Fanclub Buchholz-Kleefeld beendet per Demissions-Entscheidung via Telefonvoting die Balz-Offensive für Ron.

Ein emotionshygienischer Schutz-Reflex, um die herzensgute Yeliz vor dem nächsten Dating-Desaster zu bewahren. Immerhin ist Ron Bielecki primär dafür bekannt, sich hauptberuflich mit jungen Porno-Darstellerinnen zu treffen. Und auch wenn viele neutrale TV-Beobachter das Haus- und Hof-Format von Yeliz ("Make Love Fake Love") bereits haarscharf an der Erotikfilm-Grenze ansiedeln würden, wollen sie die schüchterne Hannoveranerin vor Ron schützen. Und auch für die Eindämmung des aktuellen In-House-Shitstorms hat Big Brother einen Lösungsansatz: eine ausgelassene Party zur Ablenkung. Inklusive echtem Bier. Nach elf Tagen Wasser, Haferflocken und philosophischen Volksweisheiten von Peter Klein reicht da beim einen oder anderen bereits der Hefe-Geruch, um eine akute Dipsomanie auszulösen.

Um den Container-Dancefloor vom Start weg in ein Party-Moloch zu verwandeln, eröffnet DJ Phil Daub (Originalstimme von Big Brother) den Abend mit dem Foxtrott-Klassiker "99 Luftballons". Strophenübergreifende Textsicherheit bei diesem Anti-Kriegs-Klassiker zeigen Paulina und Dilara, die jedes Wort souveräner mitsingen als der FC Bayern den VfL Bochum in Heimspielen abfertigt. Und das, obwohl die Frau von Max Kruse und die Ex-Freundin von Henrik "Bon Schlonzo" Stoltenberg im Jahr 1983, als Nena noch als Popstar und nicht als Aluhut-Exporteurin arbeitete, noch gar nicht geboren waren.

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Iris Klein dagegen, die nach vorläufiger Ad-Hoc-Hochrechnung die Oma von Nena sein könnte, sieht das anders: "Heute kam nur Scheißmusik". "Heute nur Scheißmusik" klingt ein bisschen wie der Titel eines neuen Howard Carpendale-Albums. Ob das der Grund ist, warum das Zuschauer-Tribunal an den Endgeräten sie heute Abend per Telefon-Entscheid aus der Container-Villa zwangsexmatrikuliert? Keine Ahnung. Unstrittig ist: Die divaesque Empörungs-Strategie von Krawall-Primadonna Matthias Mangiapane ist aufgegangen. Er darf bleiben.

Die Freude darüber ist beim verbleibenden Insolvenz-Ensemble aus Paulina Ljubas, Dilara Kruse, Yeliz Koc, Peter Klein, Marco Strecker und Dominik Stuckmann spürbar groß. Weniger, weil sie in den vergangenen zwölf Tagen spontan einen Mangiapane Fanclub gegründet hätten, sondern weil mit Iris offenbar eine allnächtliche Schlafbarriere aus dem Container-Kubikel verbannt wurde. Wenn man den Horrorgeschichten der verbliebenen umnachteten Kandidaten Glauben schenken darf, leidet Peter Kleins baldige Ex-Frau Iris unter schwerer obstruktiver Schlafapnoe.

Iris scheint derartig exzessiv zu schnarchen, dass Paulina sogar ihre lyrische Ader entdeckt. Motiviert durch die nächtliche Rhonchopathie von HNO-Crash-Test-Dummie Iris dichtet das Date-Format-Starlet Paulina spontan den "Erlkönig" in "Wer schnarcht so spät durch Nacht und Wind" um. Damit hat sie in drei Minuten "Promi Big Brother" bereits mehr für die deutsche Poesie-Kunst getan als Tino Chrupalla beim Aufsagen aller seiner Lieblingsgedichte. Zu Hause am Bildschirm fällt Ex-Freund Henrik Stoltenberg vor Schreck fast der AfD-Mitgliedsantrag aus der Hand. Also, Henrik ist der Ex von Paulina, nicht der von Tino Chrupalla.

Es ist aber auch ein zerebrales Dilemma: Ausgerechnet die Frau, die sowohl bei "Ex on the Beach" als auch bei "Germany Shore" bereits Sex vor laufender Kamera hatte, zitiert Johann Wolfgang von Goethe? Was kommt als Nächstes? Tätowierte Frauen, die sich auf Instagram gerne im Bikini zeigen, sind gar nicht pauschal dumm? Da brechen heute so einige Weltbilder in sich zusammen.

Zum Glück guckt Thomas Gottschalk ausschließlich "Servus TV", sonst wäre es jetzt wieder Zeit für eine Cancel Culture Abschiedsrede, weil inzwischen wohl zu vermuten ist, dass sich Paulina auch nicht gerne von fremden Männern ungefragt auf den Oberschenkel fassen lässt. Ob Paulina Ljubas auch bei "Promi Big Brother" ihrer Beischlaf-Tradition treu bleibt, das berichte ich morgen.

Bis dann!

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