Wer sich gern aufregt, kann bei Mario Barth, der sich ja schon seit geraumer Zeit als Anwalt der Steuerzahler geriert, aus dem Vollen schöpfen. In einer Spezialausgabe seines Formats "Mario Barth deckt auf" widmete sich der Berliner dem großen Aufregerthema Baustellen und somit Bauprojekten, die großartig werden sollten, letztlich aber primär für Negativschlagzeilen sorgten und den Steuerzahler viel Geld kosteten. Etwa die Beethovenhalle in Bonn, Duisburgs "The Curve" und der "ZOB" in Berlin. Und "BER" sowie "Stuttgart 21" natürlich sowieso.
Baustellen sind ja in Deutschland ein dankbares Aufregerthema. Ist das Wetter mal sehr okay und wenig beklagenswert: Baustellen gehen eigentlich immer! Warum? Kosten meist extrem viel, werden nie fertig und Arbeitende hat dort ohnehin noch keiner gesehen.
Spürhund
Die Historie der zehn unbegreiflichsten Baustellen Deutschlands wurde am Mittwochabend noch einmal aufgegriffen und mit der Gegenwart abgeglichen. Zehnmal echauffieren? Herrlich!
Bonn: Ein Mehrzweck-Millionengrab für Beethoven
2015 hatte sich Komiker
Längst wurden vor Ort die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Die Modernisierung der denkmalgeschützten Mehrzweckhalle wird vermutlich über 190 Millionen Euro kosten und erst im Jahr 2024 fertiggestellt sein. "In der Zeit bauen die Chinesen acht Städte", ätzte Ingo Appelt.
Seitens der Stadt werden mehrere Gründe für das Desaster angeführt: Ausschreibungen seien nicht nach Plan verlaufen, Baufirmen hätten gekündigt und obendrein gebe es Zoff mit Planungsfirmen und Architekten über deren Leistungen und Honorare.
Duisburgs Armageddon am Hafen
Eine unschöne Entwicklung nahm auch das Projekt "Eurogate" respektive "The Curve", wie es auch noch heißen sollte. Moderator und "Let’s dance"-Juror Joachim Llambi nahm 2019 einen kleinen Lokalaugenschein in Angriff. Ihm zufolge wurden schon damals rund 200 Mio. Euro im Duisburger Hafenbecken versenkt.
Im ursprünglichen Projekte "Eurogate" sollte hier ein herrlicher Prachtbau entstehen. 2016 wurde das Projekt unter dem Namen "The Curve" reanimiert. Jede Menge Geld hat die Stadt Duisburg in den inzwischen geplanten Gebäudekomplex für Büros, Wohnungen und Dienstleistungsnutzung gesteckt, damit die Stadt das Grundstück dem Projektentwickler baureif übergeben kann. Womit wir beim Problem wären.
Keine Baureife, Untergrund zu weich
"Es geht nichts weiter, weil sich die Stadt verpflichtet hat, das Grundstück hinter der Treppe baureif zu übergeben. Jedoch ist der Untergrund zu weich", erklärte Andrea Defeld vom Bund der Steuerzahler, der sich im Laufe der Jahre bereits mehrfach mit der vor Ort nicht genutzten Stufenpromenade im Innenhafen sowie allgemein mit "The Curve" befassen musste.
Aktueller Stand: Gebaut wurde bis dato noch immer nichts! Nach "Eurogate" und "The Curve" würde Duisburgs Bürgermeister jetzt versuchen, "den Schrottplatz unter dem Namen ´Am alten Holzhafen` zu veräußern", offenbarte Barth. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, ergänzte: "Egal, was du hier anstrebst, es wird teuer. Aber wenn man es nicht macht, bleibt es auch teuer. Man muss sich hier was einfallen lassen. Aus der Nummer wieder rauskommen? Ich bin gespannt."
Celle und seine Fledermausbrücken
Auch in der niedersächsischen Stadt Celle hat man so seine Problemchen. Fledermäuse sind dort der Grund, dass der Bau der Ortsumgehung nicht so wirklich vorankommt. Naturschützer aus der Stadt, in der drei Bundes- und drei Landstraßen aufeinandertreffen, protestierten gegen die seit Ewigkeiten geplante Ortsumgehung. Jetzt werden dort sieben Fledermausbrücken gebaut.
Zur Erklärung: In Celle fühlen sich Fledermäuse so richtig wohl, weshalb es über hoch frequentierte Verkehrswege wie der Ortsumgehung gleichsam bauliche Konstruktionen braucht, die ein sicheres Überqueren von tief fliegenden Fledermäusen ermöglichen.
Fledermäuse fliegen gern an Büschen entlang, und wenn die Bepflanzung aufhört, senken sie ihren Flug ab, womit sie vor Ort automatisch in den Autoverkehr geraten würden. 2031 soll das Projekt "Ortsumgehung", längst ein veritables Millionengrab, fertig werden. "Ob Fledermausbrücken so sinnvoll sind, wage ich zu bezweifeln. Aber ich bin auch kein Fledermausfachmann", kommentierte Barth die Situation in Celle.
Barth am "Zentralen Omnibusbahnhof"
Mario Barth selbst war es auch, der sich 2019 die Sanierung des Zentralen Omnibusbahnhofs in Berlin, kurz "ZOB", genauer ansah, der laut Stadt seinerzeit 14,3 Mio. Euro kosten und 2019 fertigwerden sollte. Dass daraus inzwischen fast 40 Mio. Euro wurden, ist in der Tat erstaunlich. "Konnte keiner ahnen, sind selber irritiert", meinte ein ironischer Barth über den Berliner Senat.
Mitten im Bau habe man seinerzeit "nochmal nachgedacht und die Baupläne geändert", so der Berliner. Außerdem habe man während des laufenden Betriebs umbauen müssen, damit der Fahrgast nicht gestört werde. "Letztlich sind also wir schuld", interpretierte Barth dies als indirekten Vorwurf. Der Status-quo: Der ZOB in Berlin-Charlottenburg ist bis heute nicht fertig, soll aber Ende 2022 endgültig eröffnet werden. "Ich werde dabei sein", kündigte Barth an.
Gold für "BER" und "Stuttgart 21"
Die von den Zusehern verliehene Goldmedaille ging aber natürlich an die Langzeitbaustellen "Flughafen Berlin Brandenburg" (BER) und "Stuttgart 21" – zwei historische Millionengräber, die den Steuerzahler viel Geld kosteten und die Medien die Verantwortlichen jahrelang grillen ließ.
Der Flughafen, der letztlich rund 7 Mrd. Euro kostete, wurde immerhin 2020 eröffnet. Chapeau! Probleme gibt es dort natürlich noch immer am laufenden Band. Buchstäblich, denn im "Terminal 1" müssen bis Sommer die Laufbänder bereits wieder ausgetauscht werden.
Das Bahnprojekt "Stuttgart 21" zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart hätte 2019 fertigwerden sollen und ist, wie man weiß, über die Jahre immer teurer geworden. Inzwischen rechnet man für Deutschlands umstrittenstes Bauprojekt mit Gesamtkosten von 9,2 Mrd. Euro. Also viermal so viel wie ursprünglich geplant.
Für die Fertigstellung des Projekts peilt man nun das Jahr 2025 an. Eine weitere tragische Komponente: Längst wird darüber diskutiert, ob die Kapazität von "Stuttgart 21" für den ab 2030 bundesweit geplanten Deutschlandtakt, der Fernverkehrsverbindungen im Halbstundentakt in Großstädten mit darauf abgestimmten Bahn- und Busanbindungen vorsieht, überhaupt ausgelegt ist.
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