Für Michael Mittermeier werden die nächsten Tage und Wochen sehr besonders. Ab dem 17. September geht die große Tour des Comedian mit seinem Programm #13 weiter, im Oktober eröffnet er in München seinen "Lucky Punch Comedy Club".
Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 57-Jährige über seine Projekte, Shitstorms bei Social Media und Witze über die katholische Kirche.
Herr Mittermeier, bei Ihrer aktuellen Tour #13 treten Sie nicht einmal an einem 13. auf. Ist das Zufall, oder sind Sie doch ein bisschen abergläubisch?
Michael Mittermeier: Das ist tatsächlich Zufall. Aber vielleicht ist es doch irgendwie von langer Hand geplant. Ich wollte meinen Club in München eigentlich am Freitag, den 13. Oktober eröffnen. Das wäre ganz schön gewesen. Aber einige Leute konnten an diesem Freitag nicht. Und das wäre dann wieder blöd gewesen. Jetzt eröffne ich ihn einen Tag vorher, am 12. Oktober.
Es geht um den "Lucky Punch Comedy Club" im Gasteig in München. Dort sollen junge Talente auftreten, aber auch gestandene Comedians und gelegentlich auch Sie selbst. Sie gelten als der Godfather der deutschen Stand-up-Szene. Ist das eine Rückkehr zu den Wurzeln?
Ich war schon in den vergangenen Jahren viel bei meinen Wurzeln und habe in der Open-Mic-Szene gespielt. Da bin aus meiner Generation der einzige, glaube ich. Ich kenne diese Open Mics aus dem Ausland, aus England oder Amerika. Da gehst du hin, da probierst du dich aus. Ich habe da persönlich wahnsinnig schöne Erfahrungen gemacht. Man trifft sich dort, man quatscht oder hilft sich vielleicht bei einer Nummer aus. Das ist so ein Miteinander.
In der deutschen Comedy-Szene gab es über viele Jahre ein Nebeneinander. Das meine ich gar nicht negativ über die Szene, das ist einfach eine Tatsache. Wenn 15 Leute gleichzeitig auf Tour sind – und mehr waren wir teilweise nicht – sieht man sich einfach nicht. Wenn man sich aber in solchen Clubs immer mal trifft, wächst da mehr zusammen.
Wie beurteilen Sie den Zustand der deutschen Comedy-Szene?
Vor allem in Berlin gibt es eine sehr starke Szene, aber auch in München ist in den letzten Jahren etwas entstanden. München kommt mittlerweile direkt nach Berlin. Das ist sehr, sehr wunderbar. Deswegen schwelte bei mir seit einigen Jahren der Wunsch, dass ich dem gerne Rechnung tragen und die Szene fördern würde. Und jetzt sollte es mit dem "Lucky Punch Comedy Club" so sein.
Zurück zu Ihrem Programm #13, mit dem Sie an völlig unterschiedlichen Orten auftreten. Wie unterscheidet sich der Humor der Menschen in Gelsenkirchen, in Eckernförde oder in Wien?
Es mag Unterschiede geben, aber ich gehe nicht auf die Bühne, um eine Analyse zu machen. Ich gehe hoch, um die Leute zum Lachen zu bringen. Und ob da mal an einem Abend der eine Gag besser ankommt, oder dann der andere, da fange ich nicht an nachzudenken. Denn dann hätte ich viel zu tun. Ich habe schon mehrere Tage hintereinander in Wien gespielt, da kann jeder Abend anders sein.
Es kann sein, dass eine Nummer am ersten Abend alles abräumt und am dritten Abend nicht so gut funktioniert. Es gibt da wenig Standards. Wenn ich hoch in den Norden fahre, nach Eckernförde, nach Heide oder nach Neumünster, dann trage ich dem natürlich Rechnung, indem ich eine andere Impro mache. Alleine schon die verschiedenen Dialekte, die da aufeinandertreffen. Es ist ganz wichtig, nur einmal "Moin" zu sagen. Wenn man zweimal "Moin" sagt, wird man gleich als Tourist erkannt.
Sie haben kürzlich erzählt, dass Sie wegen eines Fotos beim Grillen auf Instagram einen Shitstorm bekommen haben. Gab es früher mehr Konsens?
Die Leute, die mich dort beschimpfen, haben ja einen Konsens. Es rotten sich halt öfters mehr Vollpfosten zusammen. Die, die nur schimpfen oder sich auskotzen wollen, hatten früher wenig Reichweite. Jetzt haben die Lauten mehr Fläche, deshalb fallen sie mehr auf. Ich erlebe das auf verschiedenen Plattformen. Erst kommen die Leute, die dein Foto liken und toll finden.
Dann kommen wie in einer konzertierten Aktion die ganzen Wahnsinnigen, die sich anscheinend untereinander schreiben und sich aktivieren. Keine Ahnung, wie die das machen. Einmal kommen die Rechten, einmal kommen Impfgegner, dann die Verschwörungsleute, dann kommen die Katholiken. Es ist immer eine Gruppe da, die mich beschimpft. So lange das so ist, mache ich anscheinend etwas richtig.
Unsere Gesellschaft scheint mehr und mehr gespalten zu sein. Spüren Sie das bei den Reaktionen auf Ihre Shows?
Ja, klar. Ich glaube, die Extreme klaffen weit auseinander. Wie ich vorhin schon sagte: Die Leute, die laut sind und extrem, haben mehr Sprachrohr mittlerweile. Früher haben sich diese Menschen auf eine Parkbank gesetzt und rumgeschimpft und jetzt können sie dir vier Kotz-Emojis auf deinen Account posten.
Wenngleich ich viele von den Beschimpfern, die mir sowieso nur sagen wollen, dass ich scheiße bin, blockiere. Denen tue ich etwas Gutes. Denn dann bekommen sie meine Posts nicht mehr, über die sie sich ohnehin nur aufregen. Eigentlich müsste ich Geld von allen kriegen, bei denen ich das verhindert habe.
Diskutieren ist in den sozialen Netzwerken meist zwecklos…
Ich habe es immer wieder versucht, mit allen Seiten zu diskutieren. Ob es die Rechten waren, ob es die Impfgegner oder die Schwurbler waren. Aber das führt nirgendwo hin. Es endet immer damit, dass die noch wilder werden und einen noch mehr beschimpfen. Was ich krass finde, dass dann auch meine Leute beschimpft werden. Wenn meine Fans mir schreiben, dass das eine lustige Nummer war, kommen irgendwelche Leute an und sagen: "Du findest das lustig, dann musst du auch ein Arschloch sein."
Und das verstehe ich in meiner grundmenschlichen Wahrnehmung nicht. Wenn ich etwas nicht gut finde, tue ich mir die negative Energie nicht an. Niemand zwingt diese Leute, auf meinen Account zu gehen. Und dann wird immer noch so getan, als ob ihnen jemand etwas Böses getan hätte. Aber niemand hat sie dazu gezwungen, auf meinen Account zu gehen und jemand zu beschimpfen.
Die vergangenen Jahre waren von Krisen geprägt. Ist das für einen Comedian ein Vor- oder ein Nachteil?
Es sollte nie ein Vorteil sein. Nur ein guter Comedian kann auch dann Nummern machen, wenn gar keine schlechte Politik am Start ist. Wenn Comedians oder Kabarettisten sich Krisen herbeiwünschen, mag das in ihrer Kunst-Bubble schön sein. Aber ich hätte gerne, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Von mir aus zieht Olaf Scholz jetzt als Pirat der Karibik los und kapert gute Stimmung.
Wenn solche Sachen wie mit Aiwanger oder Rammstein passieren, ist es relativ einfach etwas dazu zu machen. Weil die Grundgeschichte schon so extrem ist. Aber du musst auch etwas machen, was niemand erwartet. Wenn du eine lustige Nummer machst über den angeblichen Spionage-Ballon, der von China über die USA flog, ist das erst mal kein Hot-Thema. Aber daraus habe ich eine vier-, fünfminütige Nummer gemacht, die wahnsinnig gut unterhält und schräg ist. Als Comedian musst du egal zu welcher Zeit in der Lage sein, die Leute zu unterhalten.
Sie beschäftigen sich auch immer wieder mit der katholischen Kirche…
Die katholische Kirche ist immer ein Thema. Ich bin in Bayern aufgewachsen und war in einem Kloster-Gymnasium. Meine Oma war extremst katholisch. Damals in meiner Generation haben ein paar der Jungs auf dem Kloster-Gymnasium noch sehr hart zugeschlagen. Wenn dir jemand versucht, Nächstenliebe beizubringen, dir dann aber in die Fresse haut – das hat für mich nie zusammengepasst. So wie bei mir der Kaplan in der dritten Klasse. Dessen Namen habe ich mir gemerkt. Und dann hat er gesagt: "Das hat mir mehr weh getan als dir, mein Sohn." Da musst du als Comedian schon weit gehen, um da noch ein Quäntchen Sinn drin zu finden.
Wie fallen die Reaktionen auf Ihre Witze über die katholische Kirche aus?
Neulich habe ich mit jemandem auf meinem Account diskutiert, der gesagt hat, ich soll doch lieber mal etwas über den Islam machen, anstatt ständig Witze über die katholische Kirche. "Da bist zu feige für, dafür hast du keine Eier", hat er gesagt. Das habe ich aber schon gemacht. Nur schreibt mir niemand vor, wie viele Nummern ich über welche Themen mache. Und dann habe ich gesagt, dass es nicht von christlicher Nächstenliebe zeugt, einen Komiker dazu aufzufordern, den Islam zu dissen.
Das widerspricht jeglicher Lehre, die Christen lehren. Daraufhin ist die Person völlig ausgeflippt. Dann haben sich meine Leute eingeschaltet, es ging hin und her. Dann habe ich wieder aufgehört. Das war eine der wenigen Diskussionen, die ich in letzter Zeit geführt habe. Und noch etwas ärgert mich.
Erzählen Sie.
Es ist ein sehr persönliches Thema, das ich auch im Programm habe. Die Kirche und die ganzen wahnsinnigen Abtreibungsgegner sagen, dass Leben schon bei der Empfängnis entsteht. Und dann hat die Kirche über Jahrhunderte, ab dem Jahr 418 bis zu Ratzinger, Kinder die vor, während oder ungetauft nach der Geburt gestorben sind, in die Vorhölle geschickt. Das muss man sich erst mal einfallen lassen. Meine Frau und ich hatten vier Totgeburten. Zwei von denen fielen unter das alte Gesetz, die anderen beiden wurden dann quasi von Ratzinger gesaved. Oder gilt das rückwirkend? Das hat mir nie jemand erklärt. Das ist Realsatire. Aber auf die heftigste, dunkelste Art und Weise. Wie soll ich da noch ein unschuldiges Verhältnis zur katholischen Kirche haben?
Sie sprechen in Ihrem Programm über die Totgeburten, die Ihre Frau und Sie erlitten haben. Was hat Sie dazu bewogen, ein so ernstes und trauriges Thema in Ihr Programm aufzunehmen?
Weil es ein sehr großer, dauerbeständiger Teil meines Lebens ist. Die sind immer dabei. Viele Leute haben mich gefragt: "Wie kannst du die Kinder jetzt mit auf die Bühne nehmen?" Dann habe ich gesagt: "Ich habe die jeden Abend mit auf der Bühne". Die sind in meinem System drin, das verlierst du nicht. Natürlich gehst du mit der Trauer um, natürlich muss man das verarbeiten. Da steckt viel Zeit und Therapie mit drin. Aber du vergisst es nie. Das kannst du nicht. Und das ist auch gut so. Ich habe gesehen, wie ein Comedian in Schottland eine knallharte Nummer zu dem Thema gemacht hat. Dann habe ich mir gedacht, dass das auch meine Form ist, wie ich persönliche Dinge verarbeite.
Denn was ich auf der Bühne erzähle, stammt immer eins zu eins aus meinem Leben. Klar verdrehe ich mal ein bisschen die Fakten, ich muss ja keine wissenschaftliche Arbeit abgeben. Aber mir war klar, dass ich das auf der Bühne verarbeiten möchte. Ich wollte das in dem Programm #13 drin haben, das war mein Plan, als ich die Idee vor fünf Jahren hatte. Als dann Corona kam und ich nicht spielen konnte, habe ich das Programm auf Eis gelegt. So lange sich alles um Corona gedreht hat, wollte ich es nicht spielen. Denn ich wollte speziell mit dem Titel #13 das Thema verarbeiten. Deshalb habe ich in den drei Corona-Jahren zwei neue Programme geschrieben. Weshalb mein 13. Programm mein 15. geworden ist. Das ist schon wieder lustig irgendwie.
Sie thematisieren immer wieder das Zusammenleben mit Ihrer 15-jährigen Tochter Lilly, Sie haben auch einen gemeinsamen Podcast. Wie fällt ihr Feedback auf Ihre Shows aus?
Sie findet es lustig, sie findet mich auch lustig. Aber sie kann es nicht immer zugeben. Wenn ich daheim mal einen Joke mache, dann fällt der nicht immer auf goldenen Boden. Aber wir haben miteinander einen sehr schönen Humor entwickelt. Wir schauen uns gemeinsam Actionfilme an, die keinen Sinn machen.
Meine Frau steigt dann aus. Aber wir schauen es uns bewusst an, obwohl wir wissen, dass es schlecht ist. Es amüsiert uns einfach, wenn wir zusammen schauen. Ich konnte das immer schon und finde es echt schön, dass ich das meiner Tochter weitergegeben habe. Bei "LOL" fand sie mich gut. Wir haben uns die Staffel zusammen angeschaut. Da hat sie gelacht, wenn ich etwas gemacht habe.
Sie haben gemeinsam mit Kurt Krömer die vierte Staffel von "LOL: Last One Laughing" gewonnen. Welcher Trick hat Ihnen geholfen, um nicht zu lachen?
Ich habe mir in der Nacht vorher gedacht, dass ich einfach reingehen und ein paar lustige Dinge machen möchte, einfach ein paar geile Nummern abziehen, aber gar nicht unbedingt zu den Letzten gehören will. Mit diesem Spirit bin ich reingegangen. Wahrscheinlich hat mich das entspannt und davor bewahrt, zu verbissen zu sein. Irgendwann war dann nur noch die Hälfte der Leute da. Dann waren wir nur noch vier und ich dachte mir: "Okay, wenn jetzt noch einer rausfällt, geht es ins Finale." Und am Schluss, als nur noch Hazel (Brugger, Anm.d.Red.), Kurt und ich übrig waren, da haben unsere Gehirne nicht mehr normal funktioniert. Kurt und ich hätten uns am Ende noch eine Stunde belagern können. Wir waren nicht mehr zurechnungsfähig (lacht).
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